Grobel, Lawrence – Al Pacino: Im Gespräch mit Lawrence Grobel

Al Pacino ist bekannt für seine großartige Leistung in Filmen wie „Der Pate“, „Scarface“, „Der Duft der Frauen“, „Im Auftrag des Teufels“ oder „Der Kaufmann von Venedig“. Doch Pacino ist nicht nur im Filmgeschäft äußerst erfolgreich, er ist auch ein engagierter Theaterdarsteller. Er hat u. a. an der Inszenierung von Stücken Brechts, Williams, Oscar Wildes und natürlich Shakespeares mitgewirkt.

Al Pacino wurde am 21. Juli 2007 vom American Film Institute (AFI) mit dem „Life Achievement Award“ für sein Lebenswerk geehrt. Eine Bilanz zu diesem Lebenswerk wie das Ende 2006 erschienene „Al Pacino: Im Gespräch mit Lawrence Grobel“ war überfällig.

Obgleich keine Biographie im strengen Sinne, ist dieses Buch dennoch mehr als eine reine Sammlung von Interviews. Die neun Interviews, welche im Zeitrahmen von 1979 bis 2005 entstanden, ermöglichen nicht nur Einblick in die Persönlichkeit Al Pacinos, sie zeigen auch auf subtile Art und Weise die Entwicklung einer engen Freundschaft zu seinem Interviewer auf.

Der renommierte Journalist Lawrence Grobel erregte erstmals durch seinen Beitrag zum 25. Geburtstag des |Playboy|-Magazins Pacinos Aufmerksamkeit. Grobel hatte nicht nur Marlon Brando (den Pacino sehr bewundert) interviewt, sondern schien auch mit diesem auf einer Wellenlänge zu liegen, was sich durch eine große Offenheit seitens Brando bezahlt machte. Daraufhin kontaktierte Pacino den |Playboy| und erklärte seine Bereitschaft, selbst interviewt zu werden – unter der Bedingung, dass Lawrence (später sollte er ihn „Larry“ nennen) Grobel dieses Interview machen würde. Dies war eine Sensation, denn bis dato hatte Pacino noch jedes Interview verweigert.

In einem der späteren Gespräche mit Grobel erläutert Pacino sehr deutlich, weshalb er generell sein Privatleben weitgehend von der Öffentlichkeit fernhalten will:

|“Wenn man Sachen über einen Schauspieler weiß, fängt man an, Sachen in seine Filme hineinzuinterpretieren. […] Es verändert seine Arbeit und was er als Künstler zu vermitteln versucht. Deshalb sage ich immer, dass die Arbeit für mich spricht. […] Ich versuche nicht, geheimnisvoll zu sein, nur um geheimnisvoll zu sein. Ich mache es für die Arbeit. Ich denke immer daran, dass es nicht gut ist, wenn man als Schauspieler zu oft in den Medien auftaucht. Wenn ich mir ein Theaterstück ansehe, gehe ich meist auch nicht hinter die Bühne. Einfach nur, weil ich das Bild behalten will, das ich gerade gesehen habe. Ich will die Illusion nicht zerstören.“| (S.165 / 166)

Al Pacino ist als Privatperson ebenso schillernd wie als Schauspieler. Die Kontraste sind augenfällig: Auf der einen Seite ist Pacino 1979 bereits ein Superstar – er hat schließlich mit seiner Rolle als Michael Corleone in Coppolas „Der Pate“ schon 1972 Filmgeschichte geschrieben. Auf der anderen Seite empfängt er Grobel in einer chaotischen 3-Zimmer-Wohnung, der jeder erkennbare Luxus abgeht. Pacino, der sich selbst aus ärmlichsten Verhältnissen emporgearbeitet hat, ist 1979 sichtlich irritiert, weil er sich mit seiner neuen gesellschaftlichen Position noch nicht wirklich arrangiert hat. Grobel repräsentiert für ihn eine fremde Welt, und er ist dementsprechend misstrauisch. Aber gleichzeitig fasziniert ihn die Tatsache, dass sich plötzlich unzählige Menschen für seine Meinung interessieren.

26 Jahre später begegnen uns zwei zusammen gealterte Freunde. Pacino, inzwischen 65 Jahre alt, sitzt am Pool seines Hause in Beverly Hills und stellt Grobel ein sehr persönliches Projekt vor: Die im Juni dieses Jahres in den USA erschienene DVD-Kollektion „Pacino: An Actor’s Vision“ [Diese Box enthält wichtige Regiearbeiten Pacinos (zwei davon bisher unveröffentlicht): „The Local Stigmatic“, „Chinese Coffee“ und „Al Pacino’s Looking for Richard“. Eine Veröffentlichung in Deutschland steht noch aus.] Im Gespräch mit Grobel wird deutlich, dass Pacino hier mit Film und Theater zwei Welten zu vereinigen sucht, die für ihn eine gleichermaßen hohe Bedeutung haben.

Aber auch Grobel geht weiterhin konsequent seiner Berufung nach. Seine Freundschaft zu Pacino hält ihn nicht davon ab, kritische Fragen zu stellen und selbst eine klare Position zu vertreten. Die Berufsrollen „Star“ und „Journalist“ werden nicht aufgehoben, eine letzte Grenze bleibt gewahrt. Doch macht es grade den Charme dieser Gespräche aus, dass sich hier zwei Menschen unterhalten, die sich – abseits jeden geschäftlichen Kalküls – wirklich etwas zu sagen haben.

So festigt sich für den Leser nach und nach ein sehr intimes Bild von der Persönlichkeit eines Menschen, der bewusst die Öffentlichkeit scheut. Die zeitlichen Lücken zwischen den einzelnen Interviews gleichen hier dramatischen Pausen. Ob Pacino nun ungewollt in eine gesellschaftliche Debatte hineingezogen wird, einen guten Freund verliert oder sich von Grobels Studenten interviewen lässt – stets finden wir mit jedem Gespräch eine neue Ausgangssituation vor.

Wenn Pacino dann über seine Arbeit spricht, vermag er zwar anhand von einzelnen Beispielen seine favorisierten Herangehensweisen an die Schauspielkunst zu illustrieren, aber was sich genau im Akt des Schauspielens manifestiert, bleibt auch ihm selbst ein Mysterium. Woraus er seine Kraft schöpft, lässt sich aber zumindest erahnen; in den Gesprächen tauchen immer wieder dieselben Motive auf. Insbesondere zwei davon erweisen sich hier als maßgebliche Inspirationsquelle: William Shakespeare und Marlon Brando. Shakespeare lieferte Pacino den Instinkt für anspruchsvollen Stoff und den Esprit, Brando den Ansporn für tiefe Charakterdarstellung.

Pacino erweist sich in den Gesprächen mit seinem Freund Grobel als intelligent, schlagfertig und humorvoll; die Gespräche sind durchgehend interessant und flüssig zu lesen.

Abgerundet wird das Buch durch eine ausführliche Einführung Grobels in das Lebenswerk Pacinos, bislang unveröffentlichte Privatfotos des Schauspielers, eine komplette Auflistung aller Filme und Theaterstücke, in welchen er mitgewirkt hat, sowie ein Vorwort des Virtuosen selbst.

Fazit: „Al Pacino: Im Gespräch mit Lawrence Grobel“ ist ein Musterbeispiel für exzellenten Journalismus. Wer sich für Film oder Theater begeistert, wird hier bestens unterhalten werden. Für Pacino-Fans ist das Buch ohnehin ein Muss.

|300 Seiten plus Fotos
Aus dem US-Englischen von Anne Litvin und Madeleine Lampe|
http://www.schwarzkopf-schwarzkopf.de

|Siehe ergänzend dazu die [Rezension 3194 von Dr. Michael Drewniok zum Buch.|

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