Michael J. Sullivan – Der Thron von Melengar (Riyria 1)

Action-Fantasy à la „Game of Thrones“

Royce, ein gewiefter Dieb, und sein fast ehrenhafter Partner Hadrian betreiben ein einträgliches Geschäft mit Aufträgen des korrupten Adels. Ihr Diebesbund trägt den Namen »Riyria« und sie leben ziemlich gut dabei. Bis eines Tages ein Unbekannter die beiden anheuert, ein berühmtes Schwert zu stehlen.

Was zunächst nach einem ganz gewöhnlichen Job aussieht, stellt sich jedoch als Falle heraus. Sie werden noch in derselben Nacht als Mörder des Königs verhaftet und in den Kerker geworfen. Als sie mit Hilfe der Prinzessin entkommen können, entdecken Royce und Hadrian eine Verschwörung, bei der es um noch viel mehr als nur um den Thron des recht kleinen Königreichs Melengar geht. (Verlagsinfo)

Der Autor

Michael J. Sullivan, geboren 1961 in Detroit, begann seine ersten Geschichten mit acht Jahren zu schreiben. Er lebt heute mit seiner Frau und drei Kindern in Fairfax in der Nähe von Washington D.C. als freier Autor.

Zunächst publizierte Michael J. Sullivan seine sechsteilige Riyria-Reihe sehr erfolgreich im Eigenverlag. Nach seinem großen Publikumserfolg wurden US-Verlage auf den Autor aufmerksam. Inzwischen wurde sein Fantasy-Epos in 14 Sprachen übersetzt und hat mehr als hundert Preise gewonnen. (Verlagsinfo)

Der Zyklus „Riyria Revelations“

1. The Crown Conspiracy (2008, dt. 2014)
2. Avempartha (2009)
3. Nyphron Rising (2009)
4. The Emerald Storm (2010)
5. Wintertide (2010)
6. Percepliquis (2011)

Der Zyklus „Riyria Chronicles“

1. The Crown Tower (2013)
2. The Rose and the Thorn (2013)

Weitere Romane

1) Antithesis (2012)
2) A Burden to the Earth (2012)
3) Hollow World (2013)

Handlung

Hadrian, der Exsoldat, und Royce, der ehemalige Taschendieb, haben sich auf im Königreich Melengar auf Spezialaufträge verlegt, denn die bringen am meisten ein. Der eine Adelige zahlt dafür, dass man dem anderem Adligen was antut oder wegnimmt, und das ist höchst lukrativ. Den Lohn deponiert Royce gerne im Hurenhaus der schönen Gwen. Es ist dort sicher wie auf einer Bank – wenn es schon so etwas in den Königreichen von Avryn gäbe.

Leider ist Hadrian nicht so skeptisch gegenüber sonderbaren Aufträgen, und so fällt er auf den neuesten Auftraggeber herein: Sie sollen ein tolles Rapierschwert beschaffen, das dem Grafen Pickering gestohlen wurde. Es befinde sich jetzt in der Kapelle des königlichen Schlosses, gut versteckt hinterm Altarstein. Es muss wohl der hohe Lohn von 200 Goldtalern gewesen sein, der Hadrians Verstand ausgeschaltet, grübelt Royce, denn er wurde gar nicht gefragt.

Ins Schloss reinzukommen, ist kein Problem – hinauszukommen aber schon: Kaum sind sie in der Kapelle angelangt, als sie die Leiche von König Amrath vorfinden – und von einem Zwerg entdeckt werden, der „Mörder!“ schreit. Es ist eine Falle. Wenig später finden sie sich im Kerker in einer höchst unbequemen Stellung wieder. Prinz Alric, der Thronfolger, verspricht ihnen einen schmerzhaften Tod. Dass Royce ihn immer noch nicht kritisiert hat, wurmt Hadrian. Da kommt bestimmt noch das dicke Ende nach.

Prinzessinnen würde man es zwar nicht zutrauen, aber Lady Arista war tatsächlich auf der Uni – um dort ausgerechnet Zauberei zu studieren. Durch ihre List gelingt es den beiden Meisterdieben, aus dem Kerker zu entkommen – unter einer Bedingung: Sie sollen auch prinz Alric mitnehmen, ob er will oder nicht. Einen prinzen zu entführen, gehört zwar nicht zu ihren Wunschträumen, aber wer kann einer rettenden Prinzessinnenhand schon etwas abschlagen?

Der Weg führt sie per Boot durch von Reiter patrouillierte Land zu ihrem ersten Bestimmungsort, den Lady Arista vorgegeben hat: das Kloster der Winde-Abtei. Leider wurde es niedergebrannt, und es gibt nur einen einzigen Überlebenden: Myron Lanaklin verfügt über ein eidetisches Gedächtnis. Soll ihnen dieses helfen, ihren eigentlichen Bestimmungsort zu finden: das Guria-Geheimgefängnis der Imperialen Kirche?

Denn dort sitzt der Briefpartner von Lady Arista ein, der letzte Zauberer des untergeganenen Imperiums Kaiser Novrons. Obwohl der Magier Esrahaddon an die tausend Jahre alt ist, sieht er aus wie ein Fünfzigjähriger und erinnert sich noch gut an die Macht der Alten Kunst. Ein Zauber hat die Zeit für ihn stillstehen lassen. Das Gefängnis ist obendrein durch einen Zwergenzauber verschlossen. Doch mit dem Siegelring des widerstrebenden Prinzen Alric erhalten sie Zutritt. Der Gefängniswärter gibt ihnen Anweisung, mit dem Gefangenen auf gar keinen Fall zu sprechen – und ihm unter keinen Umständen zur Flucht zu verhelfen.

Natürlich kommt es genau dazu, denn sonst würden sie selbst zu Gefangenen werden.

Das Schicksal des Königreichs von Melengar wendet sich ebenso wie das aller Lande, die einst das Imperium ausmachten. Wird der entführte Prinz Alric Thron besteigen können und seine Schwester Arista wiedersehen – bevor sie als Hexe verbrannt wird?

Mein Eindruck

Wem jetzt gewisse Ähnlichkeiten mit „Game of Thrones“ auffallen, der liegt goldrichtig. Hier gibt es allerdings mehr als sieben Königreiche, die es zu vereinen gilt. Vielmehr herrscht ein zerbrechlicher Frieden zwischen den Reichen, auf den es der Thronräuber von Melengar abgesehen hat, um selbst sein Imperium gründen zu können. Die Novron-Kirche steht ihm dabei – stets versteckt im Hintergrund – hilfreich zur Seite.

Royce und Hadrian sind zwei Spitzbuben, wie sie im Buch stehen. Dadurch dass sie erst Rista und dann auch noch Alric helfen, werden sie mehr oder weniger widerwillig zu den Hauptgegnern des Thronräubers. Oder wie es Royce so prägnant formuliert: „Das ist das Problem mit deinen guten Taten, Hadrian: Sie wollen einfach nicht aufhören.“ Der trockene Humor verrät ein gerüttelt‘ Maß an Lebensweisheit, allerdings gefiltert durch Zynismus.

Action & Mystery

Die Reise der beiden „Superhelden“, mit zwei widerwilligen Gefährten namens Alric und Myron im Schlepptau, ist recht glaubwürdig inszeniert, führt durch zahlreiche gefährliche oder mystische Situation und gipfelt schließlich in einem actionreichen Finale. Ein solches Finale habe ich seit „Game of Thrones“ nicht mehr gelesen, beispielsweise die Belagerung von Königsmund durch die Schwarze Flotte König Stannis Baratheons am Schluss von Buch 2 (Band 4 der deutschen Ausgabe bzw. Finale der 2. Staffel)).

Zur Action gehören nicht nur Verkleidungen, Entführungen und Zauberkunst, sondern auch allerlei Schwertgeklirr, das an die guten alten Mantel-und-Degen-Klassiker mit Errol Flynn und Douglas Fairbanks senior erinnert. Arista muss wie weiland jede edle Jungfer aus einem zusammenbrechenden Turm gerettet werden – bloß wie? Das muss man gelesen haben!

Charakterbruch

Dass sie überhaupt gerettet werden muss, weist auf einen Bruch in ihrer Charakterbeschreibung hin. In ihren ersten Szenen ist sie die Aktive, Dirigierende und Clevere. Am Schluss hingegen ist sie die Passive, Ängstliche und nennt sich selbst „dumm“. Das passt irgendwie nicht zusammen. Aber es lässt die Handlung reibungslos funktionieren.

Vermutlich hat die erste Arista eine andere Figur ersetzt, die gestrichen wurde. Und da die Frau des Autors ausdrücklich als Koautorin vermerkt ist, könnte sie etwas mit dieser Änderung zu tun haben. Soll uns recht sein. Es gibt sowieso viel zu wenige aktive und intelligente Frauen in der aktuellen Fantasy – „Game of Thrones“ ausgenommen. Dass ihr Vater, der König, die Prinzessin auf die Uni gehen ließ, stößt auf erbitterten Widerstand der männlichen Inhaber alter Pfründe – und darauf wird öfters mit ironischen Seitenhieben Bezug genommen. Das finde ich auch klasse.

Blankverse

Wunderbar fand ich den Einfall des Autors (oder seiner Frau), den uralten Zauberer Esrahaddon zunächst so hochgestochen sprechen zu lassen, wie er dies vor tausend Jahren getan hatte. Da er keine Kontakte nach außen hatte, außer den Briefen der Prinzessin, konnte er seine Sprechweise auch nicht modernisieren. Seine Ausdrucksweise ist – auch und gerade in der deutschen Übersetzung – stark an die fünfhebigen Jamben angepasst, die für William Shakespeares Blankverse so typisch sind. Um das Versmaß einzuhalten, sind Wörter umgestellt und zusammengezogen. Der Leser, der dies nicht kennt, muss sich also ein klein wenig umstellen – ein feiner Verfremdungseffekt, wie ich finde.

Die Übersetzung

Ich konnte keine Druckfehler in meinem Presseexemplar entdecken. Die deutsche Ausgabe bietet zudem zwei Landkarten: eine der Welt Elan mit sämtlichen Groß-, Mittel- und Unterreichen, die zweite (ganz hinten) zeigt Avryn, eine „Nation“, die aus einem halben Dutzend Königreichen besteht. Die beiden Karten ergänzen einander. Wer etwa den wichtigen Grafensitz Drondilsfeld sucht, findet ihn nicht auf der Karte von Avryn, sondern auf der Weltkarte.

Das Glossar am Schluss verzeichnet nicht nur die Regionen der Welt Elan, sondern erklärt auch, was unter den politischen Strömungen der Imperialisten (= Revisionisten), Royalisten (= Monarchisten) und Nationalisten (= Republikaner) zu verstehen ist. Im ersten Band ist der Unterschied noch diffus, hat aber schon Auswirkungen auf die Loyalitäten gewisser Akteure. So erkennt der zurückkehrende Prinz Alric, wer ihm treu ergeben ist und wer ein Verräter.

Unterm Strich

Der actionreiche Fantasy-Roman tritt in die Fußstapfen von „Game of Thrones“, konzentriert sich aber auf weniger Figuren, so dass jeder Band mit „nur“ kanpp 400 Seiten auskommt. Zwei Meisterdiebe, die in Staatshändel verwickelt werden, stehen im Mittelpunkt und wir folgen ihren mehr oder weniger spannenden Heldentaten.

Von durchschnittlicher Action-Fantasy im Histroiengewand hebt sich dieser Auftaktband durch ein paar hübsche Einfälle des Autorengespanns ab. Dazu gehört ein uralter Zauberer, der wie die Helden bei Shakespeare redet, aber auch eine Prinzessin, die nicht rumzickt oder -schmachtet, sondern die Dinge selbst in die Hand nimmt – zumindest im ersten Drittel.

Das Finale wartet mit feinen Degengefechten auf, wie man sie seit den alten (und neuen) Piratenfilmen nicht mehr geboten bekommen hat. Der Autor zeigt, dass er über militärhistorische und kampftaktische Kenntnisse verfügt. Sein ironischer Humor ermöglicht mehrere Seitenhiebe auf Missstände, zu denen nicht zuletzt die Stellung der Frau in diesem Mittelalter gehört. Mädels an der Uni? Um Himmels willen: Ihr Schädel könnte explodieren!

Der Hintergrund, der besonders im Glossar näher beleuchtet wird, ist detailliert genug ausgearbeitet, dass dort noch sehr viel mehr passieren kann. Ein Oberschurke ist entkommen und man fragt sich, was der Zauberer in der Zwischenzeit angestellt hat. Ungeduldige stürzen sich am besten gleich auf die Originalausgaben.

Fazit: vier von fünf Sternen.

Michael Matzer © 2018ff

Taschenbuch: 384 Seiten
Originaltitel: The Theft of Swords / The Crown Conspiracy, 2011
Aus dem Englischen von Cornelia-Holfelder-von der Tann
ISBN-13: 9783608960129

www.klett-cotta.de

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