Kernick, Simon – Instinkt

_Britischer Copthriller, der viele Haken schlägt _

Ein brutaler Serienmörder hat in den zwei Jahren in Nord-London nicht weniger als fünf Frauen missbraucht, gefesselt, gefilmt und grausam getötet. Nun wurde der Night Creeper gefasst, allerdings hat er für Opfer Nr. 4 ein bombensicheres Alibi …

Unterdessen ermittelt ein Undercover-Cop gegen eine Verbrecher-Bande, die seinen Bruder umgebracht hat. Deren neuester Auftrag durch einen unbekannten Klienten lautet allerdings: Entführen Sie den Night Creeper! Der Cop sitzt in der Klemme. Aber er muss herausfinden, was der Unbekannte mit dem Serienmörder vorhat …

_Der Autor_

Simon Kernick (* 1966 in Slough, England) ist ein englischer Krimi-Autor.
Mitte der 80er-Jahre machte er sein Abitur und arbeitete dann im Straßenbau, als Barmann, als Erntehelfer und Lagerarbeiter. Mehrere Jahre verbrachte er mit Reisen durch Kanada, Australien und durch die Vereinigten Staaten von Amerika. Nach seiner Rückkehr nach England machte er 1991 seinen Abschluss in Geisteswissenschaften an der University of Brighton. Um der anschließenden Arbeitslosigkeit zu entfliehen, nahm er einen Job als Computer-Software-Verkäufer an.

Nebenbei schrieb er zwei Romane, die aber stets auf Ablehnung stießen. Erst 2002 druckte ein Verlag den Roman The Business Of Dying (dt. Tage des Zorns) und bereitete Kernick damit den Beginn seiner Bestseller-Autoren-Laufbahn. Seit 2002 erscheint jährlich ein Roman aus seiner Feder. Besonderen Wert legt Kernick auf den Hinweis, dass er bei echten Polizisten einer Spezialeinheit recherchiert, diese jedoch keine der negativen Eigenschaften seiner Roman-Helden haben.

Simon Kernick lebt und arbeitet in der englischen Grafschaft Oxfordshire. Die deutschen Übersetzungen veröffentlicht der |Heyne|-Verlag, der auch sichtlich Interesse hat, das Original-Design der Cover zu übernehmen.

_Handlung_

Ein brutaler Serienmörder hat in den zwei Jahren in Nord-London nicht weniger als fünf Frauen missbraucht, gefesselt, gefilmt und grausam getötet. Die Sensationspresse nennt ihn den Night Creeper, den nächtlichen Kriecher.

|Sean|

Auf der Suche nach dem Night Creeper und anderen Verbrechern hat Undercover-Cop Sean Egan die übelste Verbrecherband des Landes infiltriert. Doch beim Boss Tyrone Wolfe muss er sich erst beweisen – in dem er sein Leben aufs Spiel setzt. Bevor er dem Gesetz Geltung verschaffen kann, muss er es selbst brechen.

|Tina|

Detective Inspector Tina Boyd hat den Verdächtigen Andrew Kent als Night Creeper identifiziert. Er ist ein Mann, der bei allen fünf Opfern Alarmanlagen installiert hat – was könnte ihn besser dafür qualifizieren. Obwohl sie eine verletzte Hand hat, gelingt es ihr, mit List den Mistkerl zu überwältigen, bevor er dem Zugriff ihrer Kollegen entkommt.

Seine Wohnung enthält die blutige Tatwaffe, einen Hammer, mit der DNS eines der Opfer. Und auf seinem Laptop findet Kollege Grier zwei Videos von den Morden: Er filmte seine Taten selbst, das Schwein! Doch Ninas Boss McLeod, ein besonnener Edinburgher, besteht darauf, den Fall wasserdicht zu machen. Könnten diese Indizien Kent untergeschoben worden sein? Tatsächlich scheint Kent für den Mord an Siobhan O’Neill ein wasserdichtes Alibi zu haben. Tinas Fall beginnt zu wackeln.

|Sean|

Sean Egan soll Waffen für Tyrone Wolfe kaufen. Ein Kollege Wolfes fährt ihn ins East End, wo im Hintergebäude eines schäbigen Restaurants der Deal vonstattengehen soll. Die Waffen sind schon bezahlt, als Seans größter Albtraum wahr wird: einer der Verbrecher, die er hinter Gitter geschickt hat, kommt zur Tür hereinspaziert. Verstecken hilft nichts mehr, als Grimes ihn verpfeift. Die anderen ziehen ihre Messer und Pistolen. Jetzt muss Sean die Nerven behalten …

|Tina|

Tina geht erneut zu Kent, um dem Verdacht nachzugehen, dass Kent mit anderen zusammengearbeitet hat, als sie ihn in seiner Zelle um Luft ringend vorfindet. Sie schickt sofort nach einem Krankenwagen. Der Gefangene erbricht sich mehrmals und berichtet, er habe vergiftetes Wasser getrunken. Tina ist fassungslos.

Natürlich muss der wertvolle Verdächtige sofort ins nächstgelegene Krankenhaus gebracht werden. Doch kaum ist die Ambulanz 50 Meter gefahren, als er auch schon von schwerbewaffneten maskierten Männern gestoppt wird. Tina kommt erst später mit Grier zu der Szene, die so unbegreiflich wirkt, dass sie verwirrt ist. Da erschießt einer der Maskierten einen der Polizeibeamten, die Tina als Begleitschutz abgestellt hat! Der Gefangene wird aus dem Krankenhaus gezerrt und in einen Fluchtwagen gestoßen.

Dann rasen die Entführer los. Tina drückt aufs Gaspedal, um sie nicht entkommen zu lassen. Sie ahnt nicht im entferntesten, dass sich Sean Egan, den sie nur wenige Stunden zuvor im Pub der Cops von Holborn gesprochen hat, unter den Entführern befindet …

_Mein Eindruck_

Es gibt zwei bestimmende Prinzipien in der Gestaltung von Kernicks Polizeithrillern, die er seit 2002 veröffentlicht. Das erste Prinzip, auf das er sehr stolz ist und viel Mühe verwendet, ist die realistische Darstellung von Polizisten in den Sondereinheiten Special Branch, Anti-Terrorist Branch und Serious and Organised Crime Agency (SOCA), also zu Schwerverbrechen, Terrorismus und Organisierter Kriminalität. Er spricht mit den Mitgliedern dieser Spezialeinheiten und zeichnet ihre interne Organisation sowie ihre Vorgehensweise realistisch nach, von der Art der behandelten Verbrechen ganz zu schweigen.

So tauchen auch im vorliegenden Roman alle möglichen Typen von Cops auf: Karrierehengste, vor dem Zusammenbruch stehende Besessene wie Tina Boyd und Sean Egan sowie falsche Fuffziger, die für die falsche Seite arbeiten. Es sind natürlich die Letzteren, die den Besessenen eine böse Überraschung bereiten. Und dann gibt es noch die Erpressten, die aus den falschen Motiven für die Gegenseite arbeiten. So etwa auch der oberste Chef der Polizei, der Innenminister.

Das andere Prinzip ist der Zeitmangel. Wie schon der Titel andeutet, geht es beim Überleben immer um das, was in den letzten zehn Sekunden passiert. Und die können manchmal ganz schön lang werden. So etwa dann, als sich Sean Egan am falschen Ort zur falschen Zeit befindet und den Verräter in seinem Team entdeckt. Niedergeschossen würde er zweifelsohne den Löffel abgeben, wenn nicht auch Tina Boyd einem Hinweis nachgegangen wäre – und ihn in letzter Sekunde gefunden hätte.

Überraschende Wendungen gehören also zum zweiten Prinzip dazu, genau wie zu jedem ordentlich spannenden Thriller. Allerdings agieren hier weder CSI-Spezialisten der Spurensicherung noch irgendwelche Geistesgrößen à la Sherlock Holmes, sondern stinknormale Typen, die nur eben eine gute Polizeiausbildung in die Waagschale werfen können. Was sie aus der Masse heraushebt, ist ihre jeweilige Obsession.

Klasse fand ich beispielsweise, wie Tina den Innenminister zur Schnecke macht bzw. zur Strecke bringt. Leider kann sie ihn nicht als Zeugen nutzen, denn eine Ladung Schrot aus der falschen Richtung verhindert dies. Aber sie hat zumindest sein Geständnis auf Band – und diese brisante Information will natürlich auch die Gegenseite haben. Hier kommt Tinas Nemesis Paul Wise ins Spiel, der offenbar schon in früheren Boyd-Abenteuern eine Rolle gespielt hat.

_Unterm Strich_

In einem atemlosen Stil, der an James Pattersons eigene Werke (nicht die Kooperationen) erinnert und stark auf kurzen Kapiteln mit Cliffhangern aufbaut, weiß die Handlung den Leser durchaus zu fesseln. Wer allerdings wie ich diese Routinemethode durchschaut, der wird sich eher gelangweilt fühlen. Offenbar ist ein solcher Thriller eher für den weniger gebildeten Leser gedacht, der über Erzählstil und andere Feinheiten nicht nachdenkt.

Von einer Aussage kann man im eigentlichen Sinne nicht sprechen, wohl aber von Themen. So ist die Korruption der britischen Politik nach den Schmiergeldaffären der Abgeordneten inzwischen Allgemeinwissen, und der Innenminister bildet da keine Ausnahme. Sean Egans Bruder John, den er rächen will, ist im Irak-Krieg schwer verletzt worden – wer redet heute überhaupt über die Traumata dieser Veteranen?

Und schließlich gibt es offenbar Sicherheitslücken bei den Sicherheitsfirmen: Nur so konnten die Opfer gefilmt und überwacht, ihre Besucher erpresst werden. Dies ist eine Retourkutsche an den britischen Glauben an die Überwachungstechnik wie etwa CCTV. Wer die Überwacher nicht überwacht, wird schnell selbst zum Opfer. Und dass Videokameras keine Unruhen und Plünderungen verhindern, war ja im Sommer überdeutlich zu erleben.

Ich fand den Krimi daher zwar nicht überragend, schon gar nicht im Stil, aber er hat seine spannenden Höhepunkte. Besonders gefielen mir die aberwitzigen Wendungen in der Handlung, etwa was Seans Erleben in jenem einsamen Landhaus angeht, in dem Kent, der Serienmörder, sein gerechtes Ende finden soll. Nur dass es dazu offenbar keineswegs kommen soll …

|Taschenbuch: 448 Seiten
Originaltitel: The last 10 Seconds (2010)
Aus dem Englischen von Gunter Blank
ISBN-13: 978-3453435445|
[www.heyne.de]http://www.heyne.de

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