Der Wunsch, unsterblich zu sein bzw. den körperlichen Verfall zu verlangsamen oder zu stoppen, ist so alt wie die Angst vor dem Tod selbst. Ein Jungbrunnen und Quell der ewigen Jugend ist jedoch weiterhin nur mystische Vorstellung. Doch auch die moderne Wissenschaft mit ihren heutigen Mitteln forscht daran, das Altern zu verzögern und das Sterben unserer Zellen aufzuhalten. Sollte es ihr wirklich gelingen, so wäre das in jeder Hinsicht eine Sensation, wenn auch eine sehr ambivalente.
Die Suche nach dem Elixier des ewigen Lebens spielte in der Fantasie und den Träumen der Menschheit immer schon eine große Rolle. Doch für den Menschen wäre diese Entdeckung eher Fluch als Segen. Unser Bevölkerungswachstum lässt nicht nach, und inzwischen sind wir bei 6,7 Milliarden Menschen auf der Erde angekommen, und pro Jahr kommen ca. 78 Millionen Seelen hinzu. Ewiges oder stark verlängertes Leben führte zu einer katastrophalen Situation.
Dieses Thema ist Grundlage des neuen Romans von Raymond Khoury mit dem Titel „Immortalis“. Auf dem Cover zeigt sich der Kreis einer Schlange, die sich selbst in den Schwanz beißt oder bzw. diesen frisst, um anschließend wiedergeboren zu werden – der Name dieses Symbols ist „Ouroboros“ (altgriechisch: Schwanzfresser). Es ist die Symbolik für die Unendlichkeit, für die ewige Wiederkehr und für Gegensätze, ähnlich dem asiatischen Prinzip von Ying und Yang.
_Inhalt_
Ein geheimnisvolles Buch – es war nie lange im Besitz eines einzelnen Menschen und brachte stets Tod und Verderben. Seit 250 Jahren suchen Wissenschaftler, aber auch Verbrecher dieses geheimnisvolle Buch, welches vielleicht das Wissen über die „Quelle des ewigen Lebens“ enthält.
Im Jahr 1749 beginnt die Jagd nach dem Buch und seinem gefährlichen Wissen in Neapel. Nur mit Mühe und unter Lebensgefahr schafft es der Marquis de Monteferrat, sich in Sicherheit zu bringen; er weiß, dass er nun wieder irgendwo mit seinem wohlgehüteten Geheimnis von vorne beginnen muss.
Fast 200 Jahre später, im Jahre 2006, geht die Geschichte im Südlibanon weiter. Ein irakischer Antiquitätenhändler versucht, das geheimnisvolle Buch an die dort lebende und arbeitende Archäologin Evelyn Bishop zu verkaufen. Gesehen hat sie es schon einmal vor Jahren; sie kann sich vage an eine Ausgrabung erinnern. Aber nach dem Irak-Krieg und in den Wirren der unruhigen Zeit herrscht sowieso ein stetiger Umsatz von illegal erworbenen Antiquitäten. Der Händler Faruk weiß um das Geheimnis des Buches, auf dessen Seiten die Formel für die ewige Jugend beschrieben sein soll. Und er weiß, dass es andere gibt, die bereits viele Jahre hinter dem Buch her sind, und diese Leute kennen keine Skrupel, jedes Mittel ist ihnen recht.
So werden Evelyn und Faruk unter Gewalteanwendung entführt. Zeugin dieser brutalen Tat ist Evelyns Tochter Mia, die noch nicht wirklich weiß, warum ihre Mutter entführt wurde und zwei Soldaten, die ihr nur helfen wollten, bei einer Schießerei ums Leben kamen. Es kommt, wie es kommen muss – die CIA schaltet sich ein, denn wenige Jahre zuvor fand eine Gruppe von Soldaten in einem Dorf ein Kellergewölbe, in dem anscheinend unethische medizinische Versuche stattfanden, denn die dort gefundenen Leichen weisen mit ihren Verletzungen auf nichts anderes hin.
CIA-Agent Jim Corben nimmt zusammen mit Mia die Verfolgung der Entführer auf. Sein Feind ist Hakim, ein gebildeter und charismatischer Arzt, der offenbar für die grausamen Experimente an Menschen verantwortlich ist.
Wenn sich allerdings zwei streiten, so freut sich meistens auch ein dritter im Bunde, und es gibt auch hier eine weitere Interessengruppe, die unmittelbar mit dem Buch bzw. der Formel in Verbindung steht. Es sind die Nachkommen desjenigen, der vor drei Jahrhunderten die Formal persönlich erprobt hat und schließlich einsieht, welche Probleme und Herausforderungen entstehen, wenn das Altern praktisch eingestellt wurde. Auch sie versuchen, ihr altes Erbe zurückzuerhalten, aber zu welchem Zweck eigentlich? Wie wollen sie dieses Wissen einsetzen?
_Kritik_
Raymond Khoury, der auch schon für „Scriptum“ verantwortlich ist, bedient sich in „Immortalis“ recht klassischer Methoden, um einen Thriller zu entwerfen, der in seinen Grundzügen mystisch sein soll.
Es gibt wie beschrieben drei Parteien auf der Jagd nach der Formel, die den Jungbrunnen Wirklichkeit werden lassen soll. Dazu gehören eine etwas naive Archäologin und ihre Tochter, ein beinharter CIA-Agent, der in der heutigen Zeit im Nahen Osten gar nicht so deplatziert wirkt, und schließlich die böse Fraktion, deren Kopf ein wahnsinniger und zugleich genialer Arzt ist. Hakim ist als Arzt ein Josef Mengele des 21. Jahrhunderts, der ganz eigennützig medizinisch-wissenschaftliche Experimente an menschlichen Versuchsobjekten ausführt.
Einzig und allein die Kulisse ist zeitgemäß und hätte auch interessant aufgearbeitet sein können, aber leider ist „Immortalis“ auch in dieser Hinsicht nur ein durchschnittlich, Spannungsroman ohne erkennbares Profil. Seit Dan Brown und seinen Verschwörungstheorien lebt dieses Genre zwar auf, wird aber allmählich allzu wenig inflationär aufgewärmt, auch wenn „Immortalis“ mit Klerikalverschwörungen nicht zu tun hat.
Ein Mystery-Thriller sollte unterschwellig präsent auf etwas Unerklärliches oder Geheimnisvolles deuten, aber auch das bleibt bei „Immortalis“ leider aus. Das wissenschaftliche Thema der tatsächlich stattfindenden Suche nach einer Formel zur Eindämmung des Alterungsprozesses wird leider ebenfalls ausgeblendet. Stattdessen gibt es Verfolgungsjagden und wilde Schießereien und Folterszenen.
Die Zeitsprünge in die Vergangenheit werden wie auch schon in „Scriptum“ im Vergleich zur Hauptebene attraktiver und lebendiger erzählt, allerdings wechselten mir die Perspektiven der Protagonisten zu stark. Zwei Zeitebenen, drei Fraktionen – das war etwas viel des Guten und mindert nur den Spannungsaufbau. Überdies ist eine Entwicklung der Figuren kaum wahrnehmbar. Einzig und allein Hakim ist interessant gezeichnet, auch der Marquis de Montferrat zeigt interessante Ansätze, die restlichen Charaktere wirken lustlos in die Geschichte eingefügt.
_Fazit_
Die Ähnlichkeiten zum Vorgänger „Scriptum“ stechen sofort ins Auge. Etwas einfallslos versucht der Autor seine Figuren in eine interessante Thematik einzubauen, doch bleiben sie letztlich nur nebulöse Gestalten ohne Erinnerungswert. Wie auch schon in „Scriptum“ gelingt es Raymond Khoury nicht, seiner Erzählung Seele einzuhauchen, was wesentlich von den Protagonisten abhängt. Sicherlich sind die Zeitsprünge in das 18. Jahrhundert recht spannend und abwechslungsreich erzählt, aber solcherlei erzählerischen Sprünge sind keine Siebenmeilenstiefel für eine spannende und fesselnde Story und ersetzen kein handwerkliches Geschick.
Enttäuscht bin ich auch von der Umsetzung der eigentlichen Thematik, denn man hätte aus diesem spannenden wissenschaftlichen Thema viel mehr machen können. Gerade in Hinblick auf die heutige Forschung wäre es gut gewesen, die Fiktion mit interessanten und wirklichkeitsnahen Fakten zu vermischen.
Als spannende und unterhaltsame Erzählung ohne Tiefgang ist „Immortalis“ bedingt empfehlbar, wenn man die Erwartungen nicht zu hoch ansetzt. Wer allerdings Mystery-Thriller mit etwas realitätsnaheren Themen und lebendiger Figurenzeichnung lieber liest, dem ist von dieser Lektüre ganz klar abzuraten.
|Originaltitel: Sanctuary
Deutsch von Rainer Schmidt
572 Seiten, gebunden|
http://www.rowohlt.de
_Raymond Khoury auf |Buchwurm.info|:_
[„Scriptum“ 2512 (Hörbuch)
[„Scriptum“ 2138 (Buchausgabe)