Parker, Robert B. – Taming a Sea-Horse – Ein Spenser-Krimi

_Der Sklavenhandel und die Macht des Schnüfflers_

Privatdetektiv Spenser sucht eine junge Prostituierte namens April Kyle. Doch kaum hat er sie in New York City gefunden, verschwindet sie bereits wieder spurlos. Ihr Zuhälter hat Angst davor, mit Spenser gesehen zu werden und weist Spuren eines Kampfes auf. Mit wem? Und eine von dessen Huren, mit der Spenser einen Tag lang verbracht hat, wird ermordet aufgefunden. Nachdem alle Stricke gerissen sind, bleibt Spenser nichts anderes übrig, als die Spur dieser jungen Frau aufzunehmen, in Portland, Maine …

Der Titel der deutschen Übersetzung lautet: „Wer zähmt April Kyle?“ Dieser Titel ist völlig irreführend, denn bis auf zwei kurze Szenen spielt April Kyle für die Handlung überhaupt keine Rolle.

Der Originaltitel geht auf ein Gedicht des Engländers Robert Browning zurück. Man darf nicht vergessen, dass der Autor mehrere Jahre Dozent für Amerikanische Literatur war. Allenthalben tauchen auch in diesem Roman literarische Referenzen auf, so etwa zu Nathaniel Hawthorne, einem frühen Pionier der Schauerliteratur.

_Der Autor_

Der US-Autor Robert B. Parker, 1932-2010, gehörte zu den Topverdienern im Krimigeschäft, aber auch zu den fleißigsten Autoren – er hat bis zum seinem unerwarteten Tod im Januar 2010 über 50 Romane veröffentlicht. Am bekanntesten sind neben der „Spenser“-Reihe wohl seine neun „Jesse Stone“-Krimis, denn deren Verfilmung mit Tom Selleck in der Titelrolle wird gerade vom ZDF gezeigt. Parker lebte in Boston, Massachusetts, und dort oder in der Nähe spielen fast alle seine Krimis.

„Jesse Stone“-Krimis:

1) [„Night Passage“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6811
2) [„Trouble in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6816
3) [„Death in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6815
4) [„Stone Cold“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6810
5) [„Sea Change“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6812
6) [„High Profile“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6813
7) [„Stranger in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6814
8) „Night and Day“
9) „Split Image“

Die „Sunny Randall“-Reihe:

1) [„Family Honor“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6831
2) [„Perish Twice“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6832
3) [„Shrink Rap“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6833
4) [„Melancholy Baby“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6834
5) [„Blue Screen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6835
6) „Spare Change“

Unter anderem in der „Spenser“-Reihe, die derzeit 39 Romane umfasst, erschienen:

[„Paper Doll“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6818
[„Stardust“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6819
[„Potshot“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6821
[„Walking Shadow“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6820
[„Widow’s Walk“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6826
[„Chasing the Bear“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6837
„Hugger Mugger“, „Small Vices“, „Bad Business“, „Back Story“ …

Und viele Weitere.

Außerdem schrieb Parker ein Sequel zu Raymond Chandlers verfilmtem Klassiker „The Big Sleep“ (mit Bogart und Bacall) „und mit „Poodle Springs“ einen unvollendeten „Chandler“-Krimi zu Ende. „Gunman’s Rhapsody“ ist seine Nacherzählung der Schießerei am O.K. Corral mit Wyatt Earp und Doc Holliday, ein klassischer Western.

_Handlung_

Spenser hat April Kyle wie eine Tochter aufgezogen, nachdem er die junge Prostituierte in einem früheren Fall aufgelesen und zur New Yorker Puffmutter Patricia Utley gebracht hat. Diese nahm das verwahrloste Straßenmädchen unter ihre Fittiche und machte fast eine Lady aus ihr, natürlich ebenfalls im Puff. Jetzt ruft Mrs Utley Spenser an: April habe ihr Haus verlassen und sich einem Edelnuttenring namens Tiger Lillies angeschlossen. Aber warum?

Sobald er April endlich ausfindig gemacht hat, lädt Spenser April zum Essen ein. Sie hat sich in einen Kerl namens Robert Rambaux verliebt, der Musik studiere. Doch als Spenser den schwarzen Stutzer in Augenschein nimmt, schreit alles an dem Typ: Zuhälter! Die Andeutung, dass Rambaux kein geeigneter Umgang für sie sei, lässt April aufspringen und abhauen. Und ihr Zuhälter warnt Spenser mit einem Rasiermesser, sich von ihr fernzuhalten. Ist das die feinsinnige Art eines Musikstudenten?

Er beobachtet Rambaux und stellt fest, dass der Kerl einen ganzen Stall voller Huren laufen hat, und April hat er lediglich an ein edleres Etablissement vermittelt. Die dort verbrauchten Huren, so erklärt es Mrs Utley, nimmt er dann wieder zurück und schickt sie auf den Straßenstrich. Spenser gabelt eines der Mädchen auf; sie nennt sich Ginger. Nachdem er sich einen Tag lang um sie gekümmert hat – gegen Bares natürlich – bricht sie zusammen und erzählt ihm, wer sie wirklich ist: die zwei Jahre lang von ihrem Vater missbrauchte Tochter von Vern Buckey, dem „härtesten Kerl in Lindell, Maine“. Der Kerl habe sie an ein Bordel in Portland, Maine, verhökert. Spenser gibt ihr Geld und sie geht wieder.

Doch jemand hat Ramaux gedroht, nachdem Spenser auftauchte. Rambauxs Visage wurde poliert und er hat schreckliche Angst, mit dem Detektiv zusammen gesehen zu werden, während er ihn mit einer Pistole zu Gehen zwingt. Unverrichteter Dinge kehrt Spenser heim, nicht ihne Mrs Utley eine Rechnung zu schicken. Nach einem Wiedersehen mit seiner Freundin Dr. Susan Silverman taucht der Polizist Frank Belson auf: Ein Anruf von Detective Corsetti aus New York City – Ginger wurde ermordet aufgefunden, mit Spenser Visitenkarte in der Jacke. Das tut Spenser wirklich leid.

Die einzige gangbare Spur führt nach Lindel und Portland, Maine, zu Gingers Vater und dem Bordell, an das er seine Tochter verkauft haben soll. Doch Vern Buckey wurde von ihr nicht ohne Grund der „härteste Kerl von Lindell“ genannt. Allein schon die Absicht, die er gegenüber einer Frau dort äußert, Buckey treffen zu wollen, löst einen Lachanfall samt Raucherhusten aus. Vern Buckey mag es nicht, wenn man nach ihm fragt. Und er macht jeden platt, der ihm blöd kommt. Somit hat sich Spenser für eine Runde Catchen qualifiziert. Dennoch tritt er Vern Buckey unter die Augen. Und die ganze Stadt wartet draußen vor der Bowling-Halle, ob es Spenser wieder lebend herausschafft …

_Mein Eindruck_

Spenser folgt der Spur Ginger Buckeys. Sie führt ihn mit Hilfe verschiedenster Auskünfte bis zum Betreiber einer Kette von Nobelbordellen, die dem Yuppie sein Selbstwertgefühl aufmöbeln sollen. Sogar die Leibwächter von Perry Lehman sind Schwarze, sein Marketing macht natürlich eine Frau. Auch hier hat Ginger gearbeitet, um sich das Trinkgeld ihrer Freier zu verdienen.

Doch wer sind die Leute, die Perry Lehman das Geld geben, um seine Kette zu expandieren? Diese Leute stecken wahrscheinlich hinter dem verschwinden April Kyles und dem Mobbing von Richard Rambaux. Als Spenser den Leiter des Hurengewerbes in Boston, Tony Marcus, fragt, sagt dieser nur, dass es Leute sind, mit denen er sich nicht anlegen kann. Also muss es wohl der Mob sein, das organisierte Verbrechen.

Wenn aber der Mob bei Perry Lehman abkassiert, wer wäscht dann dieses illegale Geld? Nach einem kurzen Abstecher in die Karibik (zu einem weiteren Crown Prince Klub) und ein paar Druck machenden Aktionen gegen Lehman erfährt Spenser endlich den Namen und die Position: es ist natürlich ein Banker. Und kein unwichtiger: Seine Bank ist die Nr. 18 in den Vereinigten Staaten.

Und so schließt sich der Kreis. Die Ausbeutung junger Frauen wird vom organisierten Verbrechen in großem Maßstab betrieben. Diese Erkenntnis verwundert nicht gerade, denn der Mob hatte seine Finger schon immer in der Prostitution drin. Was aber der eigentliche Schock ist, findet Spenser am Schluss heraus: Ein angeblich wohlanständiger Banker mit weißer Weste finanziert diese Ausbeutung durch Geldwäsche.

Und er wird wahrscheinlich nicht nur vom Mob gestützt, sondern auch von „Freunden“ mit dem richtigen politischen Einfluss. Dass der Banker obendrein „gewisse Bedürfnisse“ mit jungen Frauen wie Ginger Buckey befriedigt hat, dürfte ebenfalls nicht verwundern. Eine Hand wäscht die andere. Die Verlierer sind die Frauen, die „weißen Sklaven“ Amerikas. (Was nicht heißt, dass es nicht auch Asiatinnen usw. in diesem Gewerbe gibt.)

Wie so oft führt also allein Spensers zudringliche Schnüffelei dazu, einen wichtigen Mann im Hintergrund bloßstellen zu können. Dass Spenser zusammen mit Hawk einige Einschüchterungsversuche und womöglich auch einen Anschlag abwehren muss, versteht sich von selbst. Diese Männer bzw. ihre Besitzer haben ihre Verteidigungslinien. Es ist wie im Schach (das Spenser nicht beherrscht): Wer an den König herankommen will, muss erst die Bauern, dann die Springer und Türme überwinden.

Und wenn es dann endlich zu einem „Schach dem König!“ gekommen ist, kann Spenser verhandeln. Quid pro quo. Er bekomt April Kyle, wenn er den Banker laufen lässt und seinen Namen nicht bei Polizei und Presse an die große Glocke hängt. Das ist ein gewichtiges Argument für die Vertreter des Mob, die ihren „König“ beschützen. Den Mörder von Ginger Buckey bekommt er nicht, denn der ist bereits liquidiert – als Warnung an alle anderen.

Aber dass April nach drei Jahren Sexarbeit zu Spenser zurückkehren kann, ist kein geringer Lohn. Sie hat Furchtbares durchgemacht. Auch zwanzig Jahre danach, in „Hundred Dollar Baby“, ist sie ihm noch dankbar – bis zu einem gewissen Grad. „Taming a Sea-Horse“ und „Hundred Dollar Baby“ sind die Bände 2 und 3 der April-Kyle-Trilogie. Wie der erste Band heißt, muss ich erst noch herausfinden.

_Unterm Strich_

In seiner unnachahmlich lässigen Art löst Spenser auch diesen kniffligen Fall. Der Erzzählstil ist eindeutig an Raymond Chandler orientiert, den der Autor durch einen „Philip Marlowe“-Krimi und eine Vervollständigung einer „Chandler“-Vorlage bereits auf bemerkenswerte Weise geehrt hat. Spenser ist ein aufrechter Kerl, genau wie Marlowe, und er hat ein Herz für die Underdogs, ganz besonders für Frauen. Da er April Kyle schon einmal gerettet hat (ich finde noch heraus, in welchem Roman), liegt ihm ihr Schicksal am Herzen.

Aber die Mühe, sie vor dem physischen Tod oder wenigstens vor dem seelischen Exitus zu bewahren, führt Spenser erneut auf Konfrontationskurs mit jenen Dunkelmännern, die die Ausbeutung von Frauen durch Prostitution und Pornos als Geschäft betreiben. Das Besondere an diesem Fall: Die junge Ginger Buckey, eine Schicksalsgenossin Aprils, wurde von ihrem Vater missbraucht und dann in die „weiße Sklaverei“ verkauft – gegen einen sogenannten „Finderlohn“, der natürlich nicht steuerbelastet ist.

Der Menschen verachtende Zynismus dieses Geschäfts reicht über sämtliche Ebenen der männlichen Hierarchie bis – und das ist die zweite Besonderheit – hinauf auf Bankenebene. Es wäre ja auch ein kleines Wudner, wenn eine Bank nicht an diesem Riesengeschäft, der Menschen aussaugt und wieder ausspuckt, mitverdienen würde, nämlich durch Geldwäsche und „persönliche Gefälligkeiten“ (dreimal darf man raten, was damit gemeint ist).

Dass sich Spenser mit dem Mob, dem organisierten Verbrechen, anlegt, hat er nur seinen beiden Freunden Hawk, der mit Artillerie aufkreuzt, und Susan Silverman, die ihn mit wertvollen Einsichten aufmuntert, zu verdanken. Diese beiden Figuren (und etliche weitere) machen die „Spenser“-Krimis so einzigartig: Intelligenz, Humor, Kraft, jede Menge Erotik und psychologische Einsicht.

Aber um seinen Leserkreis auszuweiten, erfand Parker mit Sunny Randall eine weibliche Variante und mit Polizeichef Jesse Stone einen Mann für Fälle auf dem Land und für die ganze Familie. Jede der drei Hauptfiguren hat eine eigene Geschichte, die ihr Profil verleiht. Jesse Stone spricht mich am meisten an, denn er ist mit Abstand die komplexeste Figur dieses Trios. Und seine Verfilmungen sind zudem die besten.

|Taschenbuch: 313 Seiten
ISBN-13: 978-0440188414
[Verlagshomepage]http://bantam-dell.atrandom.com

_Robert B. Parker bei |Buchwurm.info|:_
[„Der stille Schüler“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4066
[„Gunman’s Rapsody“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6836

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