Pauchon, Sébastien – Yspahan

_Und wieder ein neues Y …_

Nach dem durchschlagenden Erfolg sowie den vermehrten Auszeichnungen für den Ystari-Erfolgstitel „Caylus“ stand der französische Kleinverlag auf der letztjährigen Messe gehörig unter Druck. Wahre Geniestreiche wurden erwartet, schließlich stand der Aufstieg in den Strategiespiel-Mainstream unmittelbar bevor. Mit „Yspahan“ legte man schließlich auch genau jenes Schwergewicht nach, das von Publikum und Kritikern gleichermaßen herbeigesehnt wurde, nämlich ein erstklassiger, angehender Klassiker, der ganz in der Tradition seiner Vorgänger „Caylus“ und [„Ys“ 4270 steht. Ergo: Operation gelungen, Patient quicklebendig!

_Hintergrund_

Im Jahre 1598 wuchs Yspahan zur Hauptstadt des persischen Reichs heran. Wirtschaftlich und kulturell erlebte man eine gewaltige Blütezeit und avancierte langsam aber sicher zum Zentrum der hiesigen Welt. Die Dörfer und Städte in der Umgebung wollten davon natürlich auch profitieren und machten sich mit Karawanen voller Edelsteine und angesagter Waren durch die Wüste in Hoffnung auf eine Zukunft in Reichtum und Ruhm. Auch die Spieler des gleichnamigen Brettspiels sind diesbezüglich voller Hoffnung und schlüpfen in die Rolle von Kaufleuten, die mit Yspahan direkten Handel betreiben. Sie bringen ihre Waren in die unterschiedlichsten Läden der vier Stadtviertel, errichten dort Gebäude und komplettieren ihre Basare, um dadurch wichtige Punkte zu ergattern. Jedoch ist Obacht geboten, denn der Aufseher des Schahs wandert durch die Straßen und prüft die Waren und Lizenzen auf Richtigkeit und Originalität – und wer seinen scharfen Augen nicht widerstehen kann, muss wertvolle Gebäude opfern und seinen Basar ruckartig dezimieren.

Über drei Wochen blüht der Handel mit Yspahan, und zum Abschluss jedes einzelnen 7-Tage-Zyklus erfolgt eine Wertung, in der die Spieler ihre bisherigen Resultate präsentieren und Punkte für ihre Bauten erlangen. Wer schließlich nach drei Wertungsrunden die Nase vorn hat, gewinnt das Spiel und darf sich selbst als bester Kaufmann Yspahans krönen.

_Spielmaterial_

• 1 Stadtplan
• 1 Würfel-Tableau
• 1- Karawanen-Tableau
• 4 Spielertafeln
• 100 Steine in vier Farben
• 2 weiße Steine (Tages- und Wochenmarker)
• 1 weiße Aufseher-Figur
• 1 schwarze Startspieler-Figur
• 25 Kamele
• 25 Goldmünzen
• 9 weiße Würfel
• 3 gelbe Würfel
• 18 Karten
• 1 Spielübersicht
• 1 Regelheft

Beim Spielmaterial sticht zuallererst die blendende Optik des Spielplans sowie der Tableaus und Spielübersichten ins Auge. Wieder einmal haben die Brüder Arnaud und Cyril Demaegd hier ihre Fantasie spielen lassen und ein stimmiges, atmosphärisch perfekt auf das Spielthema zugeschnittenes Szenario geschaffen, das außerdem sehr schön mit den bisherigen Ystari-Spielen harmoniert. Eine gewisse Homogenität ist also auch hier maßgebend, wenngleich die hierdurch ermöglichten Mechanismen mal wieder völlig neuartig und innovativ sind.

Davon abgesehen ist die Gestaltung der aktiven Materialien sehr liebevoll, vor allem demonstriert in den feinen hölzernen Kamelen und dem gewohnt tollen Holzmaterial. Stabilität und angenehmes Handling wurden groß geschrieben und legen zusammen mit der sehr guten Übersichtlichkeit den Nährboden für lang anhaltenden Spielspaß aus. Mit anderen Worten: Hier gibt’s wirklich nichts auszusetzen!

_Der Stadtplan und die Tableaus_

Zum besseren Verständnis sollte sich zunächst jeder einmal genauer mit dem Stadtplan und der Funktion der einzelnen Tableaus auseinandersetzen. Auf dem Spielfeld sind die Stadt Yspahan und ihre vier individuellen Stadtviertel abgebildet, wobei jedes Viertel mit einem bestimmten Symbol markiert ist. Abgegrenzt werden diese vier Abschnitte durch eine Straße, die kreuzartig verläuft und noch einmal in einzelne Felder unterteilt ist, die jeweils die Schritte des Aufsehers markieren. Jedes Stadtviertel ist unterschiedlich groß, was damit zusammenhängt, dass manche Gebiete in Yspahan für den Handel lukrativer sind, es jedoch auch schwieriger ist, dort seinen Basar zu errichten.

Um dies zu ermitteln, bemüht man das Würfeltableau, welches jeweils im ersten Zug jeder Runde verwendet wird. Die Spieler würfeln mit neun bis zwölf Würfeln und sortieren anschließend die einzelnen Würfel nach Augensumme. Das heißt, dass beispielsweise alle 3er, alle 5er, etc. zusammengelegt werden. Das Würfeltableau zeigt nun am untersten Rand ein Kamel, am obersten Rand ein Feld für Gold und dazwischen jeweils Flächen mit den Symbolen der einzelnen Stadtviertel. Nach dem Würfeln wird nun der kleinste Zahlenwert nach unten (also zu den Kamelen), der größte nach oben (zum Gold) und anschließend von unten an aufsteigend die übrigen Werten platziert. Dies bedeutet, dass möglicherweise manche Stadtviertel gar nicht abgedeckt werden, wenn zum Beispiel nicht alle Zahlen von eins bis sechs erwürfelt werden.

Das Würfeltableau offiert den Spielern nun verschiedene Möglichkeit; pro Runde bzw. pro Tag darf beginnend mit dem Startspieler jeder einen Satz Würfel von einem dieser sechs Felder wegnehmen und die dort angebotene Aktion ausführen. Entscheidet er sich für eines der Stadtviertel, kann er nun dort abhängig von der Anzahl der dort entnommenen Würfel Gebäude errichten. Außerdem bietet sich die Möglichkeit, eine Karte zu ziehen oder den Aufseher zu verrücken. Auf den Kamel- und Goldfeldern darf man indes so viele Kamele/Gold entnehmen, wie Würfel abgelegt wurden. Damit ist also klar, dass die Wahrscheinlichkeit, lukrative Stadtviertel zu besetzen, verhältnismäßig gering ist, und daher auch die dort zu erzielenden Punkte entsprechend viel höher sind.

Das zweite Tableau zeigt eine Kamel-Karawane mit verschiedenen Waren. Diese Karawane ist genau dann relevant, wenn der Aufseher zugeschlagen und seine Pflicht in einem der Stadtviertel abgeleistet hat. Jedes Mal nämlich, wenn der Aufseher an einer Gebäudegruppe anhält, muss der betroffene Spieler einen seiner Gebäudesteine entfernen, es sei denn, er besitzt ein Kamel und kann dieses stattdessen entrichten. Für diesen Fall wird nun das Kamel abgegeben und ein Gebäudestein auf den Anfang der Karawane gesetzt. Hierfür gibt es individuell auch Siegpunkte. Es ist auch möglich, dass eine Kartenaktion diese Alternative anbietet, was insofern vorteilhaft ist, dass man kein Kamel abgeben muss. Siegpunkte in der Karawane sind besonders wertvoll, da sie auch in jeder Wertung noch einmal abgerechnet und teilweise sogar verdoppelt und verdreifacht werden.

Als Letztes wären da noch die Spielertafeln, auf denen verschiedene Extraaktionen abgebildet sind, die man käuflich durch die Entrichtung von Gold und Kamelen erwerben kann. So besteht beispielsweise die Möglichkeit, sich mit zusätzlichen Kamelen und Extra-Gold zu versorgen, den Aufseher etwas freizügiger zu verschieben, zusätzliche Karten bei einer Karawanen-Aktion zu nehmen, Bonus-Punkte in den Wertungen abzukassieren oder effizienter beim Ausbau des Basars zu agieren. Alles hat jedoch seinen Preis und ist erst nach und nach möglich. Allerdings sollte man hier nicht geizen, da es ab der dritten gekauften Zusatzaktion weitere Siegpunkte gibt.

_Spielvorbereitung_

Vor jeder Partie werden die Tableaus und das Spielbrett auf dem Tisch ausgelegt. Der Aufseher steht an der Mitte der Straßenkreuzung, die Tages- und Wochenmarker werden jeweils auf das Feld mit der 1 gestellt. Würfel, Kamele und Gold werden bereitgelegt, wobei jeder Spieler ein Startkapital von zwei Goldmünzen erhält. Außerdem bekommt jeder die Gebäudesteine und die Spielertafel in der ausgewählten Farbe. Anschließend wird der älteste Spieler zum Startspieler gekürt und darf mit dem ersten Tag beginnen.

_Spielablauf_

Wie bereits angesprochen, verläuft das Spiel über drei Wochen, in denen jener einzelne Tag nach einem vorgegebenen Schema ausgespielt wird.
Zunächst entscheidet der Spieler, mit wie vielen Würfeln er agieren möchte. Neun weiße Basiswürfel werden jedes Mal verwendet; es besteht jedoch die Möglichkeit, sich mit einer Goldmünze einen weiteren gelben Würfel zusätzlich zu beschaffen. Insgesamt stehen hier bis zu drei gelbe Zusatzwürfel zur Verfügung, die auch nur für den Startspieler gelten und nach dessen Aktion aus dem Spiel gehen.

Nun wird gewürfelt bzw. anschließend die einzelnen Werte sortiert auf dem Würfel-Tableau verteilt. Alle Würfel mit dem niedrigsten Wert gehen in das untere Kamel-Feld, die Würfel mit dem höchsten Wert werden auf das Gold-Feld gelegt, die übrigen Werte werden von unten aufsteigend auf die Felder der einzelnen Stadtviertel gelegt.

Jetzt beginnt der aktive Teil des Spiels: Der Startspieler wählt ein Feld auf dem Würfeltableau und führt eine der drei dort aufgeführten Aktionen durch. Man darf entweder den Aufseher verschieben (und zwar um die zahl der Würfelaugen) und so möglicherweise einen Gebäudestein eines oder zweier Gegner entfernen (sofern diese sich nicht mit einem Kamel verteidigen können), eine Karte vom Nachziehstapel ziehen oder aber in dem Stadtviertel, in dem man die Würfel auf dem Tableau entnommen hat, so viele Gebäude errichten, wie Würfel vorhanden sind. Allerdings gibt es hier bestimmte Bauregeln. Die einzelnen Basare sind farblich getrennt, und man muss immer zuerst einen Basar komplett errichten, bevor man mit dem nächsten beginnt. Wer allerdings ein Gebäude erbaut hat, kann aus dem zugehörigen Basar auch nicht mehr verdrängt werden, es sei denn, der Aufseher wird dort vorstellig. Man sollte des weiteren abwägen, welchen der Basare man nun baut und erweitert, da am Ende nur komplette Basare gewertet werden und man nicht immer abschätzen kann, ob man in diesem Stadtviertel innerhalb der laufenden Woche noch einmal bauen kann. Wer sich indes für die Gold- oder Kamel-Felder entscheidet, kann statt der Bauaktion entsprechend Kamele oder Gold an sich nehmen.

Diejenigen Spieler, die nun eine Karte gezogen haben, können diese jederzeit während des Spiels ausspielen und sich hierdurch individuelle Vorteile verschaffen. In bestimmten Fällen muss man sogar eine Karte ziehen, weil keine weiteren Würfelgruppen mehr verfügbar sind.

Unterdessen kann man auch die Gebäude auf der Spielertafel jederzeit erbauen, sobald man die nötigen Materialien, sprich Gold und Kamele, zum Ausbau besitzt. Um den Bau zu markieren, setzt man auf die jeweiligen Gebäude einen Stein und darf nun die Zusatzaktionen immer nutzen, wenn sie gefragt sind.

Sobald jeder Spieler eine Würfelgruppe entnommen hat und die entsprechende Aktion durchgeführt wurde, endet ein Tag; der Marker wird um ein Feld nach vorne geschoben, die Startspieler-Figur an den linken Nachbarn übergeben und das Spiel nach dem gleichen Muster fortgesetzt.

_Die Wertungen_

Nach jeder abgeschlossenen Woche kommt es zu einer Zwischenwertung. Die Spieler erhalten nun für alle komplett errichteten Basare die zugehörige Punktzahl (und eventuell zwei Zusatzpunkte wenn sie den Markt auf ihrer Spielertafel fertiggestellt haben). Außerdem wird die Karawane gewertet. Je nachdem, in welcher Reihe der Karawane man eigene Steine platziert hat, wird die resultierende Punktzahl sogar verdoppelt oder verdreifacht.

Anschließend werden die Gebäudesteine wieder vom Stadtplan entfernt. Eine neue Woche beginnt, und alle Spieler haben nun wieder die Möglichkeit, auf den freigewordenen Basaren von Yspahan ihre Gebäudesteine unterzubringen.

Nach der dritten Woche erfolgt die Schlusswertung. Erneut werden Karawane und Stadtviertel gewertet; hinzu kommt nun aber noch die Wertung auf der Spielertafel. Die Summe aller Siegpunkte wird schließlich auf der Leiste am Rand des Spielplans markiert. Derjenige mit den meisten Punkten hat das Spiel gewonnen.

_Persönlicher Eindruck_

Zum vierten Male wurden |Ystari| nun mit einem neuen Strategiewerk vorstellig, und zum vierten Mal kann man kein anderes Resümee ziehen, als dass der französische Qualitäts-Verlag mal wieder einen echten Kracher auf das Publikum losgelassen hat. In „Yspahan“ ist die strategische Komponente zwar nicht ganz so ausgeprägt wie bei seinen direkten Vorgängern, jedoch lässt sich dies durch die enorme Spielvielfalt locker wieder ausgleichen und lässt dem Faktor Glück nur recht wenige durchschlagende Möglichkeiten.

Der gesamte Spielablauf ist dabei fast schon revolutionär; ein prinzipiell simpler, doch letztendlich innovativer Mechanismus entscheidet bereits vor der eigentlichen Aktion über den weiteren Verlauf des Spiels und markiert das einzige glückliche Element des Spiels. Nun mag jeder denken, dass die Würfelei ausschließlich auf Glück basiert, jedoch lässt sich hierzu sagen, dass nicht automatisch derjenige, der den Wurf ausführt und nun auch als Erster entscheiden darf, dringend einen Vorteil hat. Letztendlich muss er doch nach seinen Möglichkeiten handeln und überlegen, inwiefern er etwas riskiert, wo er am besten ausbaut oder ob er doch lieber auf lukrative Gebäude verzichtet, um lieber eine ganze Reihe Kamele oder Gold einzustreichen. Oft ist die Entscheidungsfindung nämlich ein verzwicktes, weil spielentscheidendes Unterfangen, bei dem man nie so recht sagen kann, ob man nun tatsächlich den richtigen Schritt gewählt hat. Die größte Auswahl bedeutet nämlich nicht zwangsläufig auch die größte Kontrolle – und das wird man im Laufe der 21 Spieltage immer wieder erfahren. Um dem übrigens ein wenig entgegenzuwirken, hat man die einzelnen Aktionskarten teilweise mit unheimlich wertvollen Handlungsalternativen ausgestattet. Zusätzliche Siegpunkte im Tausch gegen Gold und Kamele zum Beispiel können kurz vor Schluss ein wertvolles Überraschungselement sein, um das Blatt urplötzlich und unverhofft für die Kontrahenten zu wenden. Des Weiteren kommt man hier manchmal kostengünstig an wertvolle Materialien, kann beim Ausbau der Gebäude Kosten sparen oder freizügig in einem der Stadtviertel Gebäudesteine einsetzen, obwohl die üblichen Voraussetzungen gar nicht geschaffen sind. Daher sollte man mit dem Begriff ‚Glück‘ im Zusammenhang mit der Würfelaktion immer vorsichtig umgehen.

Davon abgesehen ist die Vielschichtigkeit von „Yspahan“ der wesentliche Garant für den lang anhaltenden Spielspaß. Das Spiel verfügt über eine unheimliche Tiefe, lässt durch den schier unbegrenzten Aktionsradius keine durchschaubaren Spielverlauf zu und ermöglicht selbst den vermeintlich schwächer positionierten Spielern kurz vor Schluss noch die Chance, eine komplette Wende herbeizurufen und den gesamten Verlauf auf den Kopf zustellen. Nicht selten ist es vorgekommen, dass einzelne Aktionskarten eine sichere Führung noch zerstört haben. Damit inbegriffen sind auch die zahlreichen Strategien, die in Pauchons angehendem Klassiker zum Sieg führen können. Dabei setzt das Spiel in jeder Runde auf Individualität und Schlagfertigkeit; Pläne müssen kurzfristig über den Haufen geworfen werden, neue Situationen fordern eine zielgerichtete Reaktion, und während man noch frustriert seinen Mitspielern dabei zusieht, wie sie einem die besten Aktionen vor der Nase wegschnappen, sucht man bereits nach geschickten Auswegen, um demnächst selber den ersten Schritt machen zu können.

Insgesamt ist „Yspahan“ ein durchweg begeisternder Titel und zu Recht auch ein Anwärter auf die „Spiel des Jahres“-Auszeichnung gewesen. In Sachen Langzeitspaß und Abwechslungsreichtum deckt sich das Spiel weitestgehend mit den übrigen ‚Kollegen‘ aus dem Hause |Ystari| und setzt in Sachen Spielmechanismus sogar völlig neue Akzente. Für Tüftler, Taktik- und Strategieliebhaber hat Sébastien Pauchon hier ein echtes Highlight konzipiert, welches in keiner, aber wirklich keiner gut sortierten Strategiespielesammlung fehlen sollte!

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