Schnell, Andreas – Heredium

_Überblick_

„Heredium“ ist eine Mischung aus Dark-Future und postapokalyptischem Setting. Ort der Handlung ist unsere Erde im Jahr 2200. Die Welt hat sich radikal gewandelt. Schuld daran sind zwei besondere Ereignisse: Zum einen die Erfindung eines neuartigen Luftfilters durch einen gewissen Liun Tse Naoh, welcher zwar die Luft der Erde beinahe von sämtlichen Schadstoffen reinigte, dafür allerdings Gase produzierte, die an der Tier und Pflanzenwelt irreparable Genveränderungen hervorrief, die so genannten Naoh-Mutationen. Beispiele hierfür sind riesige und hochgiftige Mammutbäume, die beinahe ganz Südamerika entvölkerten, oder auch Wölfe mit einer Schulterhöhe von 1,50 Metern und der Intelligenz von Walen oder Delphinen.

Die Natur ist dem Mensch also zu einer riesigen Gefahr erwachsen, erst recht, wenn man das zweite wichtige Ereignis bei „Heredium“ beachtet: Das Auseinanderbrechen des Mondes. Bei dem Versuch der Menschen, den Erdtrabanten zu besiedeln, hatte der Bau eines Geothermalkraftwerkes eine verheerende Explosion zur Folge, die das gesamte Leben auf dem Mond auslöschte, den Mond auseinanderbrach und die Erde für einige Jahre aus ihrer Umlaufbahn warf.

Dies hatte natürlich weitere verheerende Umweltkatastrophen zur Folge: Kontinente brachen auseinander, die Meere stiegen an und die Menschheit wurde auf ungefähr 60 Millionen Überlebende reduziert. Nun, nach einigen Jahren, ist die Erde zwar wieder zur Ruhe gekommen, doch die Welt von damals gibt es nicht mehr. Die modernen Kommunikationswege sind völlig zusammengebrochen und auch Flugverkehr gibt es nicht mehr. Die überlebenden Menschen kämpfen sowohl gegeneinander als auch gegen die immer gefährlicher werdende Natur. Fünf Völker haben sich hierbei eine Vormachtstellung gesichert:

|Hezekieliten|

Sie bevölkern die Küsten des ehemaligen Afrikas. In ihrem Blut leben Naniden, winzige Roboter, die ihnen eine große Macht über das ebenfalls nanidenverseuchte Meer ermöglichen. Natürlich wissen die Hezekieliten das nicht und beten ihren Propheten Hezekiel an, welcher ihnen ihrer Meinung nach die Macht über das Wasser verleiht. Sie lehnen die Technik ab, denn Hezekiel verbietet ihnen den Kontakt mit technischen Geräten.

|Debellatoren|

Die Debellatoren halten sich für die Weiterentwicklung der Menschheit, sind sie doch mit einer größeren Gehirnkapazität geboren worden und haben daher erstaunliche Psi-Kräfte entwickelt. Sie beherrschen hautsächlich das, was von Nordamerika noch übrig ist. Manche von ihnen sehen sich als die neuen Herrscher der Menschheit an, andere wünschen eine friedliche Koexistenz.

|Raging Bull|

Seefahrer, Plünderer, Piraten, Mutanten -´das sind alles Stichwörter, die auf die Raging Bull passen. Ihr primärer Lebensraum ist Australien, und so haben sich bei ihnen, auch wegen des großen Ozonlochs, verschiedene Mutationen gebildet. Das macht sie auffällig, ist ihnen in vieler Hinsicht aber auch nützlich. Sie beherrschen die Meere der postapokalyptischen Erde und sind sowohl Händler als auch Piraten und Söldner. Aber niemand außer den Hezekieliten möchte sich mit ihnen schlechtstellen, denn sie SIND der Handel in der Welt von „Heredium“.

|Die Nordallianz|

Die Hegemonialkirche hat die ehemaligen Völker Europas unter sich vereint und strebt nun mit aller Macht die Bekehrung der anderen Völker an. Ihr strikter Glaube an den einen Gott treibt sie voran, und wer nicht bekehrt wird, der wird vernichtet. Doch noch ist die Nordallianz ruhig, gilt es doch zunächst, Europa wieder eine Infrastruktur zu geben, damit der Glaube von der Hauptstadt Eden (das ehemalige Berlin) zu den Schäfchen gebracht werden kann. Dabei helfen ihnen ihre perfekte Organisation und ein technisches Wunderwerk namens Ektoware.

|Temora|

Temora liegt im heutigen Asien und stellt das technisch am weitesten entwickelte Volk der Welt. Mittelpunkt ist die riesige Kuppelstadt Hirohito-City, welche von den verschiedenen Familien regiert wird, die sich aus Mitgliedern der ehemaligen Yakuza und anderen asiatischen Mafiaorganisationen zusammensetzt. Überwacht werden die Bewohner vom Quanteninternet, welches sich „Eye“ nennt und jeden Bewohner per Chip jederzeit finden kann. Neben einer herausragenden Technik stehen den Bewohnern Temoras chemische Stimulanzien zur Verfügung, die ihnen übermenschliche Fähigkeiten verleihen.

_Das System_

Das grundlegende System von „Heredium“ ist erstaunlich einfach. Jeder Charakter besitzt sechs verschiedene Attribute (Kraft, Agilität, Psyche, Konstitution, Intelligenz und Ausstrahlung) mit einem Wert von eins bis vier (höhere Werte sind eine absolute Ausnahme). Die Fertigkeiten sind eingeteilt in Basis- und Spezialfertigkeiten. Diese unterscheiden sich insofern, als man auf ungelernte Basisfertigkeiten Proben ablegen darf, auf Spezialfertigkeiten aber nicht. Gemeinsam haben die beiden, dass sie einen Wert zwischen null und sechzehn aufweisen und jeweils einem Attribut zugeordnet sind. So bezieht sich die Fertigkeit Allgemeinbildung auf das Attribut Intelligenz. Wenn nun ein Wurf auf diese Fertigkeit verlangt wird, zieht man seinen Wert in dem dazugehörigen Attribut heran, würfelt eine entsprechende Anzahl an sechsseitigen Würfeln (bei einer Intelligenz von drei also drei Würfel) und addiert diese zum Grundwert der Fertigkeit.

Zudem verfügt jeder Charakter über eine bestimmte Anzahl an Aspektpunkten, die ihn von anderen Bewohnern der Welt unterscheiden. So kann man damit etwa bei einer Fertigkeitsprobe einen Würfel pro Aspektpunkt auf eine gewünschte Augenzahl drehen. Regeneriert werden sie dann durch gutes Rollenspiel, denn jeder Charakter sucht sich zu Beginn einen archetypischen Aspekt heraus, der die Figur am besten beschreibt. Das Kampfsystem ist ebenso einfach gestrickt, aber optional aufgebaut, das heißt, man kann es je nach Gutdünken komplizierter und damit auch realistischer machen.

_Die Charaktererschaffung_

Die Charaktere werden nach einem Punktekaufsystem erschaffen, so dass sie zu Beginn in etwa gleich stark sind. Von den Punkten werden dann die Attribute, die Fertigkeiten, die Vor- und Nachteile und die besonderen Kräfte gekauft. Neben den Professionen, welche die fünf verschiedenen Kulturen bieten und die dem Spieler gleich bestimmte Fertigkeiten, Kräfte, Vor-und Nachteile bringen, kann man seine Charaktere auch völlig frei gestalten, ohne sich an bestimmte Vorgaben zu halten (mal abgesehen von den Punktekosten natürlich). Dies macht die Charaktererschaffung sehr einfach und trotzdem individuell genug, um keine Spielgruppe aus reinen Stereotypen zu bekommen. Das Salz in der Suppe sind natürlich die verschiedenen Techlevel der fünf Kulturen und ihre individuellen Kräfte. Diese scheinen mir gut ausbalanciert zu sein, so dass wohl wirklich alle Anfangscharaktere ungefähr auf einem ähnlichen Machtniveau beginnen.

_Fazit:_

„Heredium“ überzeugt mit einer sehr gut ausgearbeitet Hintergrundstory und einem sehr einfachen, aber trotzdem funktionellem, Regelsystem. Somit dürfte es sich ganz sicher zusammen mit [„Engel“ 1876 an die Spitze der postapokalyptischen Rollenspielsysteme setzen.

|419 Seiten Hardcover mit Illustrationen
ISBN-13: 978-3-9811718-9-1|
http://www.heredium-rpg.de/
http://13mann.de/

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