Bichebois, Manuel (Autor) / Poli, Didier (Zeichner) – Kind des Blitzes 2: Wo sich die Winde kreuzen

Band 1: [„Blutsteine“ 5557

_Story_

Algärd und seine Armee stürmen Laiths Heimatdorf und machen den versteckten Ort der wäldlichen Idylle mit einem Schlag dem Erdboden gleich. Nur knapp gelingt es dem kaum akzeptierten Jungen mit den besonderen Fähigkeiten, vor der brutalen Hand seiner Jäger zu fliehen, allerdings kann er die Schuldgefühle seiner neuen, ermordeten Familie gegenüber in der Folgezeit nicht mehr abschalten. Laith macht sich für das Attentat verantwortlich und wird zunehmend verbitterter, bekommt jedoch die Chance, einen Teilschaden wieder gutzumachen, als es ihm gelingt, die ebenfalls geflohenen Kinder, seine alten Freunde, mit einem Luftschiff zu retten. Und auch Algärd bekommt seine gerechte Strafe, als die Hoheit von Medillum über sein menschenverachtendes Treiben informiert wird und ihn infolge dessen vor ein Kriegsgericht stellen möchte.

Doch das Chaos will nicht enden: Eine weiterer Anfalls Laiths bringt das Luftschiff zum Absturz und versetzt ihn für Wochen in Bewusstlosigkeit. Und während die Kinder an einem fremden Ort langsam wieder zu sich kommen und die Vergangenheit verarbeiten, schmiedet der angeklagte Heeresführer bereits wieder Pläne, wie er seiner Verurteilung aus dem Weg gehen kann …

_Persönlicher Eindruck_

In der zweiten Episode von Manuel Bichebois‘ erfolgreichem Comic-Debüt „Kind des Blitzes“ geht es gleich noch eine ganze Spur turbulenter zu als noch im vielversprechenden Auftaktband. Die Geschichte wird zunehmend düsterer und gewinnt vor allem an Tragik, im Zuge dessen aber auch an kleinen Grausamkeiten. Mit dem Angriff auf das Dorf im Wald ändert sich nicht nur die Ausgangslage für die Story, sondern auch der gesamte Background der Charaktere und letzten Endes natürlich auch derjenige des Protagonisten Laith. Der heranwachsende Jugendliche spürt langsam eine Art Hass in sich aufkeimen, der von ständigen Selbstzweifeln genährt wird und ihn als Person auffällig verändert.

Allerdings lässt der Plot vorerst kaum Freiräume für drastische Charakterentwicklungen, da das Tempo nach wie vor übermäßig hoch ist und der Autor geradezu von Schauplatz zu Schauplatz rast, um nur die wichtigsten Inhalte unterzubringen. Zwischenzeitlich stellt sich daher dann doch mal die Frage, ob Bichebois die Handlung nicht besser auf vier Episoden angesetzt hätte. Immerhin durchlebt Laith hier nicht nur kleine Abenteuer, sondern permanent brisante, lebensgefährliche Gefechte.

Mit etwas Distanz wird man jedoch feststellen, dass der neue Stern am französischen Comic-Autoren-Himmel wieder alles richtig gemacht hat, da sich die durch die kurze Hektik bedingten Ungereimtheiten schnell in Luft auflösen und die Story schlicht und einfach diesen rasenden Fortschritt braucht, um den hohen Level zu halten. Dies zeigt sich eben gerade in jenen Szenen, in denen potenziell mal ein paar Atempausen möglich wären bzw. die mit etwas mehr Dialog und weniger Action gefüllt sind. Auch wenn hier der Tiefgang definitiv nicht vermisst wird, wartet man regelrecht darauf, dass sich die Ereignisse weiter in Bewegung setzen und Laith und seine unzähligen Gegenspieler wieder hervortreten, um ihre Pläne zu forcieren.

Unterstützt wird das Ganze von der zunehmend finsteren Atmosphäre, die sich erneut sehr stark in den Illustrationen widerspiegelt, aber auch in den schicksalhaften Momenten der Story reflektiert ist. Entscheidende Todesfälle, Vergeltungsakte und eine allgemeine Verbitterung markieren ihren Pfad durch die Geschichte und manifestieren sich in dieser zweiten Ausgabe sehr deutlich als prägendes Element. Die Geschichte profitiert hiervon insofern, als wirklich jeder Schritt absolut authentisch wirkt und man zu keiner Zeit an der Glaubwürdigkeit von Personen und Plot zweifeln muss – und auch das ist für eine Fantasy-Darbietung durchaus beachtlich.

Ein letztes entscheidendes Merkmal, welches schließlich auch „Wo sich die Winde kreuzen“ zu seiner Besonderheit verhilft, ist die Unberechenbarkeit in allen Perspektiven. Natürlich ist hiermit in erster Linie die Handlung gemeint, doch auch im Bereich der Zeichnungen geht Didier Poli den ideenreichen Weg seines Texters mit und wandelt das illustrierte Gesamtbild chamäleonid immer wieder der Stimmung der Story entsprechend. Ähnlich wie auch schon im Debüt-Band kann man daher nur staunen, wie viel Input in und zwischen den Bildern untergebracht wird und wie die vielen Inhalte miteinander verschmelzen. Hier und dort mag es vielleicht etwas zu schnell vorangehen, doch was die generelle Entwicklung von „Kind des Blitzes“ anbelangt, bleibt auch beim mittleren Part nur ein Fazit: Dieser Comic ist ein kleines Meisterwerk!

|Originaltitel: L’enfant de l’oracle – La croisée des vents
47 Farbseiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-940864-26-0|
http://www.splitter-verlag.de

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