Asher, Neal – Drache von Samarkand, Der

Im Jahr 2432 hat sich die Menschheit über die ganze Galaxis ausgebreitet. Die Regierungsgewalt liegt bei einem riesigen Netzwerk künstlicher Intelligenz, „Earth Central“ genannt. Entfernungen spielen kaum noch eine Rolle, denn mit Hilfe der so genannten „Runcible“-Stationen kann man sich in Sekundenbruchteilen von Planet zu Planet beamen. Runcible-Stationen werden ebenfalls von künstlichen Intelligenzen betrieben und gelten als absolut zuverlässig. Bis auf dem Planeten Samarkand ein Runcible in einem gewaltigen Feuerball vergeht, tausende von Menschen tötet und den terrageformten Planeten in eine lebensfeindliche Wüstenei zurückverwandelt.

Ein Fall für ECS (Earth Central Security). Diese schickt ihren besten Agenten, Ian Cormac, ins Gefecht. Der seit Jahrzehnten mit der KI vernetzte Cormac muss diesen Einsatz ohne Direktlink zu Earth Central bestreiten: Bei seinem letzten Einsatz zeigten sich Schwächen seinerseits, mit „normalen“ Menschen umzugehen. Deshalb musste er die Schwester des Separatisten Arian Pelter töten, die ihn entlarven konnte.

Während Cormac auf Samarkand auf die exotische, außerirdische Lebensform „Drache“ stößt, hetzt Pelter ihm mit dem Söldner Stanton und dem irren Androiden Mr. Crane hinterher …

_Der Autor_

Neal Asher wurde 1961 in Essex geboren. Seine Homepage gibt sich recht zurückhaltend mit persönlichen Daten. Bereits im Alter von 17 Jahren veröffentlichte er mehrere Fantasy-Geschichten, außerdem einige Drehbücher für in Deutschland unbekannte TV-Serien (u. a. „Trines“). „Der Drache von Samarkand“ (Gridlinked) erschien im Jahre 2001 und stellt sein erstes größeres Werk im Bereich der Science-Fiction dar. Im so genannten „Polis“-Universum sind auch die Romane [„Skinner – Der blaue Tod“ 291 und „Das Erbe Dschainas“ angesiedelt, deren Hauptakteure stets ECS-Agenten sind. Cormac hat erst im „Erbe“ seinen nächsten Auftritt, auf „Skinners“ Wasserwelt Spatterjay vertritt ihn Agent Keech.

_Science-Fiction, Agententhriller … oder eine Mogelpackung?_

Ian Cormac ist ein Bond-Verschnitt erster Güte: Ausgestattet mit einem Arsenal exotischer Waffen, z. B. einem Wurfstern mit KI, macht er von seiner Lizenz zum Töten ausgiebig Gebrauch.

Asher zeichnet ein komplexes Universum, mit allem, was die Science-Fiction zu bieten hat: Von der Serie „Stargate“ und Simmons‘ „Hyperion“ inspirierten Teleport-Toren und künstlichen Intelligenzen bis hin zu Golems genannten Androiden. Inklusive eines vermeintlich komplexen Helden, der, nach Jahren von der |Earth-Central|-KI getrennt, nun wohl gewaltigen persönlichen Problemen gegenübersteht, sowie einer absolutig fremdartigen, mysteriösen, ja geradezu gigantischen außerirdischen Lebensform namens „Drache“. An und für sich klingt das alles nicht schlecht, eher vielversprechend. Genauso wie der Klappentext:

|Abwechslungsreich und farbenfroh, für alle Freunde von Peter F. Hamilton.|

Ich möchte dem heftigst widersprechen: Massenweise Ideen anderer Autoren zu übernehmen, garantiert keinen guten Roman. Denn leider ist der Ozean an Ideen, den Asher angezapft hat, bei ihm zwar umfassend, aber so oberflächlich, dass er weniger Tiefgang als eine Pfütze hat.

So ist Ian Cormac von Anfang bis Ende eher unpersönlich, kein starker Heldencharakter oder Antiheld – eher ein Langweiler. Wie der Rest seiner Antagonisten auch. Die angepriesene High-Tech-Waffenspielerei beschränkt sich auf seinen KI-gesteuerten Shuriken. Dann gibt es noch den „Golem“ Mr. Crane, der ein wenig an den „Beißer“ aus diversen James-Bond-Filmen erinnert. Er ist zwar ein Stereotyp, aber er hat mehr Charakter als die lauen Opfer und Nebencharaktere, die blass in der Bedeutungslosigkeit versinken.

Schleierhaft ist mir die Titelgebung des Romans: Der erwähnte Drache taucht mitten in einer kleinen Privatfehde zwischen dem Separatisten Pelter und Cormac, den dieser seit Jahren erfolgreich bekämpft, auf. Das Schlimme ist: Diese kleine Fehde macht den Hauptteil der Handlung aus!

Und leider … ist sie unglaublich langweilig. Angerissen, aber nie zuende gebracht – das zeichnet alle Handlungsstränge dieses Buches aus. Cormac war lange mit der KI vernetzt – aha, jetzt hat er wohl Probleme ohne diese. Pustekuchen – keinerlei Konflikt. Genauso fallengelassen wie ein wenig Licht ins Dunkel der Motivation des Drachen zu bringen, der wohl ein wenig Grauen ob des Unbekannten in die Handlung bringen sollte. Ansonsten rüsten sich alle Protagonisten gerne genetisch oder technologisch auf. Aber auch hier beschränkt sich Asher auf die rein physischen Resultate, ohne näher ins Detail zu gehen. Die künstlichen Intelligenzen werden auch nicht gerade berauschend in der Art körperloser Stimmen aus dem Off beschrieben, Kontakt per Funk oder Vernetzung in der Regel – wenn Simmons, Asimov und andere Autoren über KIs schreiben, wird wesentlich mehr geboten.

Ein weiterer Schwachpunkt ist die Übersetzung, die für ein und dieselbe Technik, die „Runcible“ genannten Teleporttore à la Stargate, einen Mix aus Deutsch und Englisch („Runcible“ meets „Zinklöffel“ – wie bitte?) bietet, auch die Namensgebung kann abschrecken. Anglophoner geht es nicht: Arian Pelter, Horace Blegg, Mr. Crane … es fehlt nur der so beliebte und für Engländer anscheinend wohlklingende Name Artemis für einen Mann, dann würde ich schreiend davonrennen. Desweiteren gibt es noch das krude übersetzte „‚Wie es aussieht‘ von Gordon“ …

Was das ist? Zu Beginn jedes Kapitels gibt es eine kleine Einleitung mit Infos zu Geschichte und Technik, eben „Gordon“ oder das „Quittenhandbuch“. An und für sich eine gute Idee, aber meistens ohne Bezug zur aktuellen Handlung und ohne dem vielfältigen Universum ein wenig mehr Tiefe zu verleihen. Ob es am Autor liegt oder am Übersetzer, sei dahingestellt: Sprachlich ist der Roman ein plattes Machwerk. Die Handlung ebenso. Mischen wir den irreführenden Klappentext hinsichtlich der fremdartigen Alien-KI Drache hinzu, haben wir eine literarische Katastrophe: Wer hat den Drachen erbaut, und zu welchem Zweck? Ist er nicht vielmehr ein Lebewesen denn eine KI? Dies wird nie geklärt, anscheinend auch nicht in den zwei folgenden Romanen.

Eine reine Nebenhandlung, die Interesse auf die uninteressante Haupthandlung lenken soll. Wer einen Roman zum Thema KI oder außerirdische Intelligenz erwartet, wird hier ganz klar irregeführt. Dieser Roman ist zu allem Überfluss auf jedem Gebiet, das er anschneidet und fallen lässt, leider nur mäßig bis unterdurchschnittlich.

_Der seichte SciFi-Bruder von James Bond_

Man darf Cormac weder mit James Bond vergleichen, noch anspruchsvolle Science-Fiction erwarten. Andererseits bieten selbst Heftserien wie Perry Rhodan markigere Charaktere, im vorliegenden Buch wird leider nur zwischen blass und stereotyp abgewechselt.

Obwohl es oft blutig zugeht und die Zahl der Todesopfer bemerkenswert hoch ist, die Cormacs Fehde mit Pelter fordert, für einen Actionroman wird zu wenig Finesse geboten. Oberflächliche, unausgegorene Handlungsstränge gibt es dafür zuhauf – die Vergleiche mit Hamilton sind sehr schmeichelhaft, an den |sense of wonder| eines Armageddon-Zyklus oder die Krimis der Mindstar-Reihe kommt dieser Roman bei weitem nicht heran.

Alleine Earth Central, die Regierungs-KI, hätte so viele Möglichkeiten geboten… hätte man daraus nicht zwangsweise etwas machen müssen? Eine KI zum Guten oder Bösen? Fehlanzeige. Gemäß dem scheinbaren Motto des Romans eingeführt und dann sofort wieder fallengelassen worden wie eine heiße Kartoffel.

Neal Asher hätte einen großartigen Mix aus Science-Fiction, Action und Agententhriller schaffen können. Diese Vielfalt hat einen gewissen Reiz. Leider kann der „Drache“ weder einzeln noch in Kombination der Genres das Mittelmaß überbieten.

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