Bridges, Bill / Chillot, Rick / Cliffe, Ken / Lee, Mike – Welt der Dunkelheit, Die (Grundregelwerk)

|Jeden Menschen beschleicht zumindest einmal im Leben das Gefühl, irgend etwas stimme nicht mit der Welt und es sei nicht alles so, wie es auf den ersten Blick erscheine.

Man versucht, uns glauben zu machen, die mittelalterlichen Vorstellungen von Monstern und Magie seien nicht mehr als primitiver Aberglaube. Heute ist unser Denken doch viel zu aufgeklärt, als daß wir noch an derlei Unfug glauben könnten – zumindest bilden wir uns das gerne ein. Doch nachts, wenn die Schatten undurchdringlicher werden und der Wind durch die Bäume pfeift, dann schaudern wir und denken an die alten Wahrheiten – die Wahrheiten unserer Ahnen, die allen Grund hatten, die Dunkelheit zu fürchten.

Am besten schließt man die Augen und redet sich ein, dort draußen sei nichts, was sich nicht logisch erklären ließe. Denn wenn wir die Wesen da draußen nicht sehen, dann sehen sie uns vielleicht auch nicht.

Doch nur weil wir so tun, als gäbe es sie nicht, werden diese Wesen nicht verschwinden. Es macht es ihnen nur leichter, sich versteckt zu halten – und Raubtiere ziehen es vor, sich vor ihrer Beute zu verbergen, da sie sie doch nur allzu leicht verschrecken.

Es ist schwierig, an etwas zu glauben, das man nicht sehen kann.
Womöglich ist es ihnen aber auch recht so.

Willkommen in der Welt der Dunkelheit.|
(Auszug aus dem Regelwerk)

_Über die Welt der Dunkelheit_

Die Welt der Dunkelheit (WdD) von |Feder & Schwert| gleicht unserer Welt fast bis aufs Haar. Der Unterschied ist nur: Die Monster und Märchenfiguren wie Geister, Magier, Werwölfe und Vampire gibt es wirklich. Die Menschen glauben nicht an diese Geschöpfe, bzw. wollen nicht an sie glauben. So ergibt sich die Konstellation, dass die Wesen im Hintergrund verborgen bleiben.

Vampire leben unerkannt unter ihrer „Beute“ und Werwölfe machen nicht nur die Wälder unsicher. In der Welt der Dunkelheit kann sich der Spieler aussuchen, was er gerne verkörpern möchte. Er kann sowohl einen normalen Menschen spielen als auch übernatürliche Wesenheiten wie Vampire, Werwölfe oder Magier.

Im hier besprochenen „Die Welt der Dunkelheit – Grundregelwerk“ ist es erst mal vorgesehen, einen Menschen zu erschaffen. Wer ein übernatürliches Wesen spielen will, muss sich die Quellenbücher „Vampire: Requiem“, „Werwolf: Paria“ und „Magus: Erwachen“ zulegen. Allerdings sind diese Quellenbücher ohne das „Die Welt der Dunkelheit – Grundregelwerk“ nutzlos, da die grundlegenden Regeln nur hier stehen und in den anderen Veröffentlichungen die Veränderungen gegenüber den Menschen behandelt werden.

Die Grundstimmung des Spiels ist düster und bedrohlich. Es lauern nicht nur hinter jeder Ecke neue Schrecken, die Monster sind auch noch intelligent. Was bringt es schon, die Polizei auf ein Monster aufmerksam zu machen, wenn diese beim Monster auf der Lohnliste steht?

Die Reize liegen neben der ständigen Paranoia auch darin, dass das Spiel in unserer Welt angesiedelt ist. Die politischen Ereignisse stimmen überein, dieselben Kriege und Katastrophen geschehen. Nur stellt sich dauernd die Frage: Ist das der Gang der Natur oder helfen hinter den Kulissen die Monster nach? Ist der Bürgermeister meiner Stadt vielleicht nur der Handlanger eines mächtigen Vampirs? Oder warum sehe ich meinen merkwürdigen Nachbar immer nur, wenn die Sonne bereits untergegangen ist? Hat er vielleicht ungünstige Arbeitszeiten, oder hat er etwas mit dem Verschwinden meines geliebten Hundes zu tun?

Das Problem ist: Wenn man als Mensch zu viel über diese Wesen erfährt und Nachforschungen anstellt, läuft man Gefahr, sich von der Masse abzuheben und so den Blick der dunklen Wesenheiten auf sich zu richten. Und wenn das passiert ist, werden sie dich jagen! Mit gebleckten Zähnen, messerscharfen Klauen und magischen Kräften. Oder sie finden Gefallen an dir und verwandeln dich zu einem von ihnen …

Die WdD lebt von ihrem delikatem Horror (als Mensch) und der Faszination, selber diesen Horror (als Vampir, Werwolf, Magier) zu verkörpern.

_Aufmachung des Buches_

Der |Feder & Schwert| Verlag hat mal wieder ein topp gestyltes Produkt auf den Rollenspielmarkt geworfen. Von außen fällt es zunächst durch ein sehr edel gestaltetes Hardcover mit schöner Grafik und leicht hervorstehender Schrift ins Blickfeld. Trotzdem ist es ziemlich robust, gut verarbeitet und griffig. Die Gefahr, dass es nach oftmaligem Gebrauch zerfleddert, ist auf ein Geringstes minimiert. Aber auch zwischen den Buchdeckeln lässt die Qualität nicht nach. Wer ein trockenes Tabellenstöbern erwartet, hat sich geschnitten. Mit viel Detailverliebtheit sind Prologe und kleine Geschichten rund um die WdD in die Regeln eingearbeitet. Dies macht das lesen durchaus spannend, und eine interessante Lektüre lässt sich nun mal leichter lernen. So wird dem Einsteiger der Anfang im noch neuen Regelwerk erleichtert.

Auch mit der Grafik kann das „WdD – Grundregelwerk“ punkten. Ob Zeichnungen von Monstern oder mystische Fotomontagen, alles unterstützt die düstere Stimmung perfekt.

Also, in punkto Aufmachung und Qualität dürfte |Feder & Schwert| nur schwer das Wasser zu reichen sein. Super Qualität, so stellt man sich ein Regelwerk vor.

_Regeln_

Die Regeln sind nach dem altbewährten, wenn auch modifizierten |White Wolf|-System aufgebaut. Meistens werden Attribute und Fertigkeiten kombiniert und dann wird mit zehnseitigen Würfeln (W10) gewürfelt. Jeder Würfel der eine Acht oder höher zeigt, ist ein Erfolg. Natürlich gibt es verschiedene Attribute, neun an der Zahl, und jede Menge Fertigkeiten, aber letztlich läuft es meisten auf das Schema „Attribut plus Fertigkeit“ hinaus.

Wem Attribute und Fertigkeiten nichts sagen, hier eine kleine Einführung:

Attribute sind die Eigenschaften eines Charakters, wie z. B. die Körperkraft, die Gabe, andere zu manipulieren oder seine Entschlossenheit. Fertigkeiten hingegen sind die Werte, die in etwa seiner Ausbildung entsprechen, also Computer, Handwerk, Fahren, Kampffertigkeiten oder Umgangsformen.

Attribute haben Ausprägungen von eins (sehr schwach) bis fünf (unübertrefflich), Fertigkeiten von null (nicht gelernt) bis fünf (Koryphäe). Diese beiden werden dann kombiniert und schon haben wir die oben erwähnte Würfelanzahl für unsere Erfolgsprobe. Diese wird dann noch vom Spielleiter modifiziert, d. h. mit Boni oder Mali belegt, ja nach Schwierigkeit und äußeren Einflüssen.

Da das System in den Grundlagen relativ einfach zu erlernen und anzuwenden ist, ist es auch für Neueinsteiger und Anfänger geeignet. Wer noch Fragen bezüglich der Regeln und deren Auslegung hat kann die [Homepage]http://www.feder-und-schwert.com/ von |Feder & Schwert| besuchen. Dort kann man sich direkt mit den Fragen an die Profis wenden.

_Änderungen zum Vorgänger_ (für Spieler der alten |White Wolf|-Regelwerke)

Die Regeln wurden sinnvoll modifiziert. So ist das Kampfsystem einfacher. Zur Ermittlung von Angriff und Schaden ist nur noch ein Wurf erforderlich. Eingeführt wurde auch ein Wert, der sich Verteidigung nennt. Dieser Wert soll die natürlichen Abwehrreflexe im Nahkampf darstellen. Auch die Kampfsportarten und beidhändiges Kämpfen sind jetzt sinnvoller geregelt, indem man sich solche Befähigungen als Vorteile erkaufen muss.

Auch die alte Regel mit Wesen und Verhalten wurde, zum Glück, geändert. Wer jetzt Willenskraft wiedererhalten will, muss entsprechend seiner Tugend oder seines Lasters handeln. Diese Änderung erweitert den Rahmen für stimmungsvolles Rollenspiel beträchtlich. Nach der neuen Regel ist es jetzt nicht mehr möglich, sich mit Nachteilen zuzupflastern und dafür jede Menge Punkte für die Charaktererschaffung zu erhalten. Nachteile gibt es zwar immer noch, doch kommen diesen rein spielerische Aspekte zu, d. h. spiele ich meinen Nachteil gut aus, kann mir der Spielleiter am Ende mehr Erfahrungspunkte geben.

So wird dem „Powergaming“ vorgebeugt, denn wer seine Nachteile so gut ausspielt, dass er dafür zusätzliche Punkte erhalten würde, hat es nicht nötig, sich „hochzupowern“. Dadurch wird das Spielen auch wieder stimmungsvoller, denn der Vampir, der Angst vor Kreuzen hat, eine Phobie vor Kindern, eine gespaltene Persönlichkeit und nur von Nonnen mit silbergrau gefärbten Haaren trinkt, eignet sich nicht dazu, anspruchsvolles Rollenspiel zu betreiben.

Die gröbsten Schwächen der Vorgänger sind behoben. Beim ausgiebigen Studium der Regeln sind mir keine groben Fehler aufgefallen. Alles scheint mir relativ sinnvoll gelöst.

Natürlich wird wahrscheinlich jeder irgendeine Regel unsinnig finden, aber ohne das Diskutieren über Regelinhalte oder deren Auslegung macht das Rollenspiel doch nur halb so viel Spaß!

_Fazit_

Ich muss gestehen, dass ich dem neuen Regelwerk äußerst skeptisch gegenüberstand: Erst hatte ich mir die alten Ausgaben für teuer Geld angeschafft, und jetzt ändern die einfach die Regeln und die Welt im Allgemeinen! Doch ich muss sagen, „Die Welt der Dunkelheit – Grundregelwerk“ hat mich restlos überzeugt. Topp Präsentation, sinnvolle Regeländerungen und jetzt auch endlich der Ansatz, als Mensch zu beginnen, haben mich in der Tat für diese Neuausgabe eingenommen.

Dieses Spiel hat wirklich das Potenzial, ebensolcher Kult zu werden wie sein Vorgänger.