Die drei ??? und der schreiende Zug

Die Handlung:

Unheimlich! Schon lange ist es her, dass ein Zugunglück in Santa Carmela geschah. Zwei Züge stießen damals zusammen und viele Passagiere starben. Angeblich hören die Bewohner noch immer die Schreie der Opfer und das Quietschen der Bremsen. Die drei ??? treffen in Santa Carmela Zugführer Norwood. Und bald wird bei ihm eingebrochen! Die Leute im Dorf glauben dem alten Mann nicht. Die Detektive nehmen sich des Falls an und stoßen auf einen gemeinen Plan. Können sie Norwoods Unschuld beweisen? Ein unheimliches Abenteuer von M.V. Carey, übersetzt von Anja Herre, in der Nostalgie-Edition. (Verlagsinfo)

Mein Eindruck:

Das verschollene Manuskript:

Für den Nebenbei-Fan völlig unerwartet, von den Hardcore-Fans lange schon gewünscht ist er nun da, der verschollene Fall. Man weiß ja nicht, in wie vielen Schubladen noch weitere lagern, aber dieser hier hat es nun endlich in die heimischen Verkaufsregale geschafft.

Geschrieben von M. V. Carey, die für 15 klassische ???-Abenteuer wie den KARPATENHUND, den MAGISCHEN KREIS und den ZAUBERSPIEGEL verantwortlich war. Veröffentlicht wurde das Manuskript Ende der 1980er in den USA nicht mehr, da die Serie dort eingestellt wurde. Laut ihrer Lektorin sei die Geschichte aber zum einen eh unvollständig und außerdem nicht wirklich ein guter Roman gewesen.

Ob dem so ist, davon können sich die Fans nun selbst überzeugen, denn mit einigen Jahren Verspätung (eigentlich sollte der Roman schon vor zehn Jahren bei uns erscheinen) dürfen wir nun den Zug besteigen.

Das klassisch gestaltete Cover gefällt mir dabei sehr gut und erinnert mich irgendwie an den „seltsamen Wecker“. Klein erkennen wir dabei auch die Initialen „A.R.“, die natürlich (leider) nicht von Aiga Rasch stammen, sondern von Andreas Ruch, der einen wirklich tollen Job gemacht hat bei der Zeichnung.

Wie und warum bei der Übersetzung des Titels aus einem „Geisterzug“ ein „schreiender Zug“ wird und ob der vielleicht durch einen schreienden Nebel fährt, wird sich beim Lesen sicherlich erschließen.

Der Fall:

Los gehts mit einem Vorwort von Alfred Hitchcock, der zwar selbst meint, er würde nicht mehr verraten, als ers tut, dennoch aber für meinen Geschmack schon zu viel erzählt. Das hätte ich gern mit den ??? beim Lesen selbst herausgefunden.

Auch später gibt er nach (und einmal sogar mittendrin) den Kapiteln immer wieder Anmerkungen zum gerade Gelesenen zum Besten, die wohl der besseren Verarbeitung des Inhalts dienen sollen. Das gibts in den ???-Büchern schon ewig nicht mehr. Mutmaßlich, weil der Name „Alfred Hitchcock“ aus lizenztechnischen Gründen nicht mehr mit den ??? in Verbindung gebracht werden darf … oder weil er uns das eigentlich nicht erzählen müsste. Schließlich haben wir es grad selbst gelesen und stellen uns seine Fragen eh schon.

Für die Detektive gibts zu Anfang eine Begegnung mit einem Unsympathen, die den Leser überlegen lässt, ob es die jetzt storytechnisch gebraucht hätte oder ob sie nur dazu gedient hat, den unbedarften Lesern die Drei Fragezeichen vorzustellen.

Egal, weiter gehts mit dem Rad zum Geistertunnel, aus dem die Schreie von in ihm ums Leben gekommenen Menschen zu hören sind. Klingt ja genau nach einem Fall für Peter „den Schisser“ Shaw … nicht!

Vor Ort wird kräftig für ein Fest geprobt … die Pioneer Days … und wir erfahren mehr über den Zugunfall, bei dem Menschen ums Leben gekommen sind. Noch haben wir aber keine Ahnung, wieso jemand dieses Ereignis ausnutzen sollte, um die Bevölkerung vom Tunnel fernzuhalten. Selbst wenn während des Zusammenstoßes der Züge eine Diebesbeute verlorenen gegangen ist … das ist so lange her, dass die sicher schon lange gefunden wäre.

Und dennoch schafft es irgendjemand, sogar Justus Angst und Schrecken einzujagen und nicht nur Peter. Das ist schon eine Leistung!

Dann stimmt etwas mit dem Lokführer nicht … Sabotage oder Alterserscheinungen? … und einen Einbruch hats auch gegeben. Hängt das alles zusammen oder sind es nur zufällige Ereignisse? Der Glaube an einen Zufall wurde bei mir mit jeder Seite kleiner, zumal Justus, Peter und Bob die erste wichtige Entdeckung machen. Hier versucht doch jemand, den Lokführer zu diskreditieren. Steckt da dieser Mensch dahinter, der vergeblich versucht, ihm seinen Zug abzukaufen? Das wäre allerdings zu einfach, wenn das schon die Auflösung wäre.

Neue Verdächtige, seltsames Verhalten und jede Menge Recherche ist, was folgt. Wer hat denn nun von denen mit wem was vorgehabt? Und … hat das am Ende überhaupt irgendwas mit einem Zug zu tun?

Und am Schluss gibts noch ein Nachwort von Christian Rodenwald. Vermutlich, weil er zwei Sachbücher zum Thema „Die drei ???“ geschrieben hat und dazu eingeladen wurde. Lustigerweise steht da exakt das drin, was ich selbst auch vor dem Lesen bei Recherchen im Internet herausfinden konnte (und nicht mehr). Vielleicht hatten wir ja die gleichen Quellen gehabt oder er hatte Insiderinfos und die Infos im Netz stammen von ihm, wer weiß.

Die Autorin und der Illustrator:

Mary Virginia Carey (* 19. Mai 1925 in New Brighton, England; † 27. Mai 1994 in Kalifornien) war eine US-amerikanische Schriftstellerin. Bekannt wurde sie durch ihr Mitwirken an der Jugendbuchserie Die drei ???. (wikipedia.org)

Andreas Ruch ist Art Director in einer großen Werbeagentur, seit 2018 seinem „Die drei ???“-Fanprojekt verschrieben und ist nun auch als Autor für die Reihe. Seine innige Beziehung zu den Detektiven aus Rocky Beach begründet er mit drei Worten: Nostalgie. Erinnerungen. Fantasie. (Verlagsinfo)

Mein Fazit:

Ok, die Übersetzung des Titels ist seltsam, das Cover gefällt mir aber so gut, dass ich mir davon direkt ein Poster an die Wand hängen würde.

Die Meinung der Lektorin von Frau Carey hingegen teile ich. Sicher ist der Fall gegen Ende schon spannend … aber das ist eher ein „Ja, is‘ ja gut, jetzt sag endlich, wies war“ als ein „Ich kann gar nicht aufhören zu lesen, weils so spannend ist!“, wie es mir letztens bei der STADT AUS GOLD gegangen ist.

Klar fühlt sich das Abenteuer ein wenig altbacken an, aber clever durchdachte Krimis sind zeitlos. Der hier ist eher „geht so“ gut gealtert.

Dass wir diese Hitchcock-Einschübe nach den Kapiteln zu lesen bekommen, war auf der einen Seite natürlich ein ordentlicher Schuss Nostalgie, auf der anderen Seite hat mich das In-den-Fall-Reinsprechen recht schnell genervt, weils den Lesefluss unterbricht. Den Abschlussbesuch beim Regisseur zwecks Berichterstattung fand ich hingegen passend. Aber, wenn schon Retro-???, dann halt komplett.

Das Nachwort ist interessant und informativ, für alle, die keine Hardcore-Fans sind oder nicht selbst im Netz dazu recherchieren möchten.

Bei aller Nörgelei … vielleicht war auch einfach die Erwartungshaltung zu groß … würde ich mich auf eine Verhörspielung freuen.

Hardcover: 168 Seiten mit schwarzem Buchschnitt
Aus dem Amerikanischen übersetzt und bearbeitet von Anja Herre
Vom Verlag empfohlen ab 10 Jahren
1. Auflage, März 2024

www.kosmos.de

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