Kristen Britain – Grüner Reiter (Reiter – Zyklus Band 1)

Kristen Britain gehört zu denen, die bereits als Kind zu schreiben anfingen. Ihr erstes Buch, eine Cartoon-Sammlung, veröffentlichte sie mit dreizehn Jahren. „Grüner Reiter“ ist ihr erster Roman. Ansonsten arbeitet sie in diversen US-Nationalparks als Rangerin.

Handlung

Karigan ist abgehauen. Der Rektor hat sie vom Unterricht suspendiert, weil sie sich mit einem Mitschüler duelliert hat. Jetzt ist sie auf dem Weg nach Hause. Sie will sowieso lieber Abenteuer erleben als lernen.

Sie bekommt ihr Abenteuer, und schneller als ihr lieb ist. Plötzlich taucht aus dem Gebüsch ein Reiter in grünem Mantel auf, der sozusagen gerade vom Pferd fällt. Aus seinem Rücken ragen zwei schwarze Pfeile. Erstaunlicherweise lebt der Reiter noch, und er will offenbar auf keinen Fall sterben, bevor Karigan ihm versprochen hat, die Botschaft in seinem Beutel dem König zu überbringen. Weil es ihm so furchtbar wichtig zu sein scheint, sagt Karigan zu, der Bote stirbt.
Karigan macht sich auf den Weg zur Hauptstadt, ohne zu wissen, dass sie Verfolger hat. Und nicht nur einen…

Sie entkommt ihren Verfolgern. Aber nur durch die Hilfe ihres geerbten Pferdes, das einen sehr eigenwilligen Charakter hat, und durch die Hilfe zweier alter Damen, die mitten im Urwald wohnen. Und nur vorläufig. Sie wird noch viele Gefahren zu überstehen haben, wie gefährliche Monster, feindliche Soldaten, böse Magier. Noch öfter wird sie deshalb auf die Hilfe anderer angewiesen sein, um ihr Ziel zu erreichen. Und als sie es erreicht, ist sie trotzdem noch lange nicht am Ziel…

Mein Eindruck

Kristen Britain hat einen erstaunlichen Debütroman vorgelegt. Die Geschichte vom bösen Zauberer, der die Welt bedroht, ist ja nun wahrhaftig nicht mehr neu. Aber die Autorin hat es verstanden, sie in ein wirklich neues Kleid zu verpacken, und das ist bei den Bergen an Fantasy, die existieren, inzwischen durchaus eine Kunst.

Mit Beschreibungen der Schauplätze ist sie eher geizig, lediglich das Haus der beiden alten Damen wird etwas genauer beschrieben, wobei bei genauem Hinsehen auch weniger auf das Haus als auf die magischen Artefakte in der Bücherei eingegangen wird.

Das Hauptaugenmerk liegt auf Personen und Handlung. Die Personen sind alle sehr lebendig, gut gezeichnet und wirken echt. Das gilt nicht nur für die burschikose Karigan – die zwar eine sehr gute Reiterin ist, sich aber trotzdem erst mit ihrem Pferd zusammenraufen muss, die zwar das Überleben in der Wildnis in groben Zügen gelernt hat, sich aber trotzdem immer wieder mal für ihre eigene Dummheit ohrfeigen könnte -, sondern auch für alle anderen.

Zum Beispiel für die beiden alten Damen, die in einem Haus mit dem wunderlichen Namen „Siebenschlot“ wohnen, als Spitznamen „Lorbeere“ und „Steinbeere“ tragen und von lauter unsichtbaren Dienstboten bedient werden, weil ihrem gelehrten Vater einst ein Unfall mit einer offenen Dose Bannsprüche passiert ist.

Oder für die energische Laren Mebstone, die bei allen Schwierigkeiten, die ihre Grünen Reiter, die Boten des Königs, ohnehin schon bei ihrer Berufsausübung haben, auch noch gegen einen unverdient schlechten Ruf ihrer Truppe ankämpfen muss.

Oder auch für die Söldnerin Jendara, die unter anderem versucht, Karigan am Überbringen der Botschaft zu hindern, und auch als ihr das misslingt, einfach nicht locker lassen will.

Auch sind die Charaktere breit gefächert, sie reichen von schrullig liebenswert über rücksichtslos ehrgeizig bis zu blind idealistisch, von sachlich kompetent über treu und verantwortungsbewusst bis selbstsüchtig, beleidigt hin zu despotisch und größenwahnsinnig.

Seit „Der Herr der Ringe“ neu verfilmt wurde, wird auf einmal jegliche Fantasy damit verglichen. Ich finde das eigentlich lästig. In diesem Fall ist allerdings die Darstellung der Eletier auffällig durch Tolkiens Elben inspiriert, und auch das Monster, gegen das Karigan kämpfen muss, weist leichte Parallelen zu den Spinnen im Hobbit auf. Im Übrigen aber ist die Geschichte erfreulich eigenständig und unverbraucht.

Was mir an dem Roman mindestens ebenso gefallen hat wie die handelnden Personen, war der Ideenreichtum der Autorin in Sachen… ich nenne es einmal „Kleinigkeiten“.

Dazu gehören in diesem Fall der Lorbeerzweig und die Steinbeerenblüte, die Karigan von den beiden alten Damen geschenkt bekommt, die Darstellung und die Handlung, die mit dem Mondstein zusammenhängt, die Idee der Brosche, die die grünen Reiter tragen, die Wirkung der schwarzen Pfeile, aber auch die Beschreibung, wie der große Nordwall zu Fall gebracht wurde, sowie die Idee des Spiels „Intrige“, das in der Entscheidungsszene am Ende eine wichtige Rolle spielt. Sie alle geben der Geschichte Flair und Stimmung und machen Britains Welt zu einer, die es sonst nirgends gibt.

Zudem hat die Autorin es verstanden, den Spannungsbogen fast die ganze Zeit über straff zu halten, und das ohne übermäßig brutale oder blutige Szenen. Karigan gerät einfach nur von einer Gefahr in die nächste, die alle ungemein fesselnd beschrieben sind, so dass man fast froh ist, dass es in Siebenschlot oder in der Herberge der Grünen Reiter mal vorrübergehend etwas ruhiger zugeht. Aber auch bei diesen ruhigeren Passagen wird es einem nicht langweilig, weil alles so lebendig und gut erzählt ist.

Als Karigan dann mitten im Buch überraschend schnell die Hauptstadt erreicht, war mein erster erstaunter Gedanke: „Was, schon da? Kann da jetzt noch viel kommen?“

Es kam noch eine ganze Menge. Die Ruhe ist trügerisch, und kaum hat man sich daran gewöhnt, dass die Action nachgelassen hat, zieht die Autorin die Schraube nochmal ganz gehörig an, so dass der zweite Spannungsbogen sogar ein Stück über dem ersten liegt.

Das hat seine Ursache unter anderem auch in dem eher knappen, präzisen Sprachstil, der auf Ausschmückung und blumige Beschreibungen fast völlig verzichtet.

Unterm Strich

Das Buch wird eigentlich als abgeschlossen bezeichnet, hat aber die angenehme Eigenschaft, nicht alles endgültig zu beantworten. Das betrifft weniger die Handlung, die wirklich in sich abgeschlossen ist, als vielmehr die Personen. So fragt man sich zum Beispiel, ob Karigan schließlich und endlich doch noch eine Grüne Reiterin wird, und was wohl aus Lorilie Dorran, der Revolutionärin, geworden ist. Und aus Mel… So lässt das Buch Raum genug, trotz einer abgeschlossenen Handlung den Faden für sich selber noch ein wenig weiterzuspinnen.

Natürlich lässt dieser Raum genauso eine Fortsetzung zu. Eigentlich halte ich nicht viel von der Methode, auf jeden Erfolg eine Fortsetzung draufzusetzen. Meistens kommen Enttäschungen nach. Entgegen meiner ursprünglichen Erwartung wurde nun auch zu diesem Buch im August letzten Jahres unter dem Titel „First Rider’s Call“ eine Fortsetzung veröffentlicht. Auf Deutsch trägt das Buch den Titel „Spiegel des Mondes“, ist aber noch nicht erschienen.

Taschenbuch: 576 Seiten
ISBN-13: 9783426702383

https://www.droemer-knaur.de

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