Jonathan Carroll – Ein Kind am Himmel

Das Vermächtnis eines Horror-Regisseurs

Eine Geschichte von zwei Freunden, von denen der eine Selbstmord begeht. Dieser Horror-Regisseur hinterlässt ein Vermächtnis: Bilder von Dingen, die es nicht geben kann… Ein ungewöhnlich erzählter, verwirrender und darum umso stärker berührender Phantastik-Roman, der zu Carolls Wiener Sextett gehört (s.u.).

Der Autor

Jonathan Carroll, geboren 1949 ( oder ’45, je nach Quelle), unterrichtet in Wien an der American International School, u.a. Engl. Literatur und Creative Writing. Er war Buchrezensent und veröffentlichte 1980 seinen Erstlingsroman „Land des Lachens“, das binnen kurzem zu einem Untergrund-Kultbuch wurde.

Seither hat er sich durch zahlreiche phantastische Romane mit hintergründiger und herausfordernder Symbolik, die fast alle in der Gegenwart spielen, einen Namen gemacht. Einmal wurde er bei einer Lesung von „Laute Träume“ (Bones of the Moon, 1987) von einem wütenden Leser attackiert.

Weitere Romane sind „Wenn Engel Zähne zeigen“ (1994) und „Pauline umschwärmt“. Seine Stories sind in „Die panische Hand“ (bei Suhrkamp) gesammelt. Erst in den letzten Jahren hat sich Carroll mit „Pauline umschwärmt “ und „Marriage of Sticks“ dem unheimlichen Krimi zugewandt.

Das Sextett (veröffentlicht bei Suhrkamp):

1) Laute Träume (1987)
2) Schlaf in den Flammen (1988)
3) Ein Kind am Himmel (1989)
4) Vor dem Hundemuseum (1991; Insel-Verlag)
5) After Silence (1992)
6) Wenn Engel Zähne zeigen (1994, Europa-Verlag)
6.b) Schwarzer Cocktail (1990, bei Heyne)

Weitere Werke

Die panische Hand (Erzählungen)
Pauline, umschwärmt
Fieberglas
A marriage of sticks
The wooden sea
White apples
Glass Soup

Handlung

Die völlig non-lineare Handlung lässt sich wohl am besten in den Worten des Übersetzers Herbert Genzmers zusammenfassen: „Eine Geschichte von zwei Freunden. Beide sind Filmregisseure. Beide sind berühmt; der eine für Horrorfilme, der andere – einer der beiden Ich-Erzähler – für Kunstfilme. Welch ein Gegensatz! Der Regisseur des Horrors, Philip Strayhorn, begeht Selbstmord. Einen Tag davor ruft er seinen Freund an, Weber.

Videokassetten tauchen auf, auf denen er spricht, auf denen er Dinge zeigt, die es nicht geben kann. Der Inhalt dieser Kassetten beginnt zu wachsen, sie entwickeln Eigendynamik. Ein Suchmotiv taucht auf: Der lebende Regisseur jagt nach der Formel, die den letzten Horrorfilm des Toten – „Mitternacht tötet“ – erfolgreich abschließen kann…“

Der Übersetzer geht jedoch weder auf den phantastischen, halbsichtbaren Hausfreund ein noch auf den Engel, der als siebenjähriges, schwangeres Mädchen auftritt…

Eindruck

Zwei Regisseure treten in einen Dialog. Zwei Ich-Erzähler diskutieren Kunst, Filme, Hollywood, Ethik, Moral, Krankheit, Gesundheit, ihre Leben, Frauen. Aus dem Dialog zwischen dem lebenden und dem toten Regisseur entsteht ein Spannungsfeld, in dem sich eine Fülle von Ereignissen entfaltet. Aber die Geschichte bleibt nicht nur im Bereich des Phantastischen, sondern wird zu einer Kritik populärer Kunst und (post-)modernen Lebens und seiner Bedingungen allgemein.

Unterm Strich

Diesen und solcherlei irritierenden Erscheinungen mehr begegnet der Leser in diesem zutiefst weisen und humanen Roman, so dass man das Buch am Schluss zuklappt mit einem „Uff!“ und einem leisen, geistigen „Wow!“.

Für das Buch spricht: unterhaltsam, temporeich, ideenreich, stilistisch ungewöhnlich, kompetent übersetzt
Gegen das Buch spricht: Kontra: erfordert jede Menge Mitdenken und Aufgeschlossenheit für das Ungewöhnliche

Hardcover: 244 Seiten
Originaltitel: A Child Across the Sky, 1989
Aus dem Englischen von Herbert Genzmer
ISBN-13: 978-3518384695

www.Suhrkamp.de

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