Arne Dahl – Rosenrot. Ein A-Team-Krimi

Dag Lundmark war Leiter einer rasch und effektiv durchgeführten Razzia. Der illegale Einwanderer Winston Modisane musste dabei sterben – aber war der Tod des Südafrikaners wirklich unvermeidlich? Paul Hjelm und Kerstin Holm vom A-Team ermitteln in einem Fall, der mehr mit ihnen selbst zu tun hat, als sie wahrhaben wollen. (Verlagsinfo)

Der Autor

Arne Dahl, geboren 1963, ist das Pseudonym des schwedischen Krimiautors Jan Arnald, der für jene schwedische Akademie arbeitet, die alljährlich die Nobelpreise vergibt. Seine Romane um Inspektor Paul Hjelm werden laut Verlag von Publikum und Kritik begeistert aufgenommen. 2004 wurde er mit dem wichtigsten dänischen Krimipreis ausgezeichnet, dem „Pelle-Rosenkrantz-Preis“. Mehr Infos unter http://www.arnedahl.net

Die A-Team-Krimis in chronologischer Reihenfolge:

A-Gruppe-Reihe (Intercrime series)

01 Misterioso, 1999.
Misterioso, dt. von Maike Dörries, München: Piper 2003, ISBN 3-492-23992-7
(Handlungsbezogen ist Misterioso der erste Fall der A-Gruppe)

02 Ont blod, 1998.
Böses Blut, dt. von Wolfgang Butt, München: Piper 2004, ISBN 3-492-24285-5.

03 Upp till toppen av berget, 2000.
Falsche Opfer, dt. von Wolfgang Butt. Piper, München 2005, ISBN 3-492-27068-9.

04 Europa blues, 2001.
Tiefer Schmerz, dt. von Wolfgang Butt. Piper, München 2005, ISBN 3-492-04714-9.

05 De största vatten, 2002.
==> Rosenrot, dt. von Wolfgang Butt. Piper, München 2006, ISBN 3-492-04809-9.

06 En midsommarnattsdröm, 2003.
Ungeschoren, dt. von Wolfgang Butt. Piper, München 2007, ISBN 978-3-492-04878-1.

07 Dödsmässa, 2004.
Totenmesse, dt. von Wolfgang Butt. Piper, München 2009, ISBN 978-3-492-05018-0.

08 Mörkertal, 2005.
Dunkelziffer, dt. von Wolfgang Butt. Piper, München 2010, ISBN 978-3-492-05350-1.

09 Efterskalv, 2006.
Opferzahl, dt. von Wolfgang Butt. Piper, München 2011, ISBN 978-3-492-04968-9.

10 Himmelsöga, 2007.
Bußestunde, dt. von Wolfgang Butt. Piper, München 2013, ISBN 978-3-492-04969-6.

11 Elva, 2008. (eigenständiger Roman mit den Charakteren der Intercrime series)
Der elfte Gast, dt. von Wolfgang Butt. Piper, München 2015, ISBN 978-3-492-30760-4.

Opcop-Reihe

Viskleken, 2011.
Gier, dt. von Antje Rieck-Blankenburg. Piper, München 2012, ISBN 978-3-492-05305-1.

Hela havet stormar, 2012.
Zorn, dt. von Antje Rieck-Blankenburg. Piper, München 2013, ISBN 978-3-492-05306-8.

Blindbock, 2013.
Neid, dt. von Kerstin Schöps. Piper, München 2014, ISBN 978-3-492-05537-6.

Sista paret ut, 2014.
Hass, dt. von Kerstin Schöps. Piper, München 2015, ISBN 978-3-492-05538-3.

Sam-Berger- und Molly-Blom-Reihe

Utmarker. Albert Bonniers Förlag, Stockholm 2016, ISBN 978-91-0-015497-4
Sieben minus eins, dt. von Kerstin Schöps, München: Piper 2016, ISBN 978-3-492-05770-7.

Inland. Albert Bonniers Förlag, Stockholm 2017, ISBN 978-91-0-016225-2
Sechs mal zwei, dt. von Kerstin Schöps. Piper, München 2017, ISBN 978-3-492-05811-7.

Mittvatten. Albert Bonniers, Stockholm 2017, ISBN 978-91-0-016236-8
Fünf plus drei, dt. von Ursel Allenstein. Piper, München 2018, ISBN 978-3-492-05812-4.

Friheten. Albert Bonniers, Stockholm 2020, ISBN 978-91-0-018257-1
Vier durch vier, dt. von Wibke Kuhn. Piper, München 2020, ISBN 978-3-492-05928-2.

Andere

Das dritte Auge. Hörbuch auf CD, dt. von Gabriele Haefs. Der Hörverlag, München 2005, ISBN 3-89940-608-7.
Übermacht. in Över gränsen. Albert Bonniers Förlag, Stockholm 2006 (Über Grenzen: Kriminalgeschichten aus Schweden von Arne Dahl, Åsa Larsson, Håkan Nesser u. a., dt. von Gabriele Haefs und Christel Hildebrandt. btb, München 2007, ISBN 978-3-442-73645-4)

Als Jan Arnald

Chiosmassakern, Albert Bonniers Förlag 1990.
Nalkanden, Albert Bonniers Förlag 1992.
Genrernas tyranni, 1995.
3 variationer, 1996.
Klä i ord, Albert Bonniers Förlag 1997.
Barbarer, Albert Bonniers Förlag 2001.
Maria och Artur, 2006.

Maria und Artur: Roman einer Schriftstellerliebe. Aus dem Schwedischen von Wolfgang Butt. Piper Verlag, München 2008, ISBN 978-3-492-05108-8.

Intimus, 2010.
Der weiße Roman. Aus dem Schwedischen von Susanne Dahmann. Piper Verlag, München 2011, ISBN 978-3-492-05432-4.

(Quelle: Wikipedia.de)

Handlung

Der Fall A

Dies ist die Ausgangsszene. Eines Morgens dringen schwer bewaffnete schwedische Polizisten in die Wohngemeinschaft von fünf schwarzen Asylbewerbern, die abgeschoben werden sollen, ein. Sie können vier der fünf sofort am Boden festnageln, doch der fünfte Asylbewerber, Winston Modisane aus Südafrika, wird von Polizist Dag Lundmark – seine Kollegen nennen ihn Dagge – ins Schlafzimmer gedrängt, wo das Fenster immer offensteht. Kaum dreht sich Dagge um, ergreift Modisane die günstige Gelegenheit und steigt aus dem Fenster zur Brandleiter. Er erklimmt sie und steigt aufs Dach, um von dort den üblichen Fluchtweg ins Dachgeschoss zu nehmen. Doch heute ist die Tür seltsamerweise versperrt. Er gibt keinen Ausweg. Modisane dreht sich um und hält eine Computerdiskette hoch. Dann wird der unbewaffnete Mann mit einem einzigen Schuss hingerichtet.

Diese Aktion hat nicht nur ein Nachspiel, sondern eine ganze Menge. Paul Hjelm und Kerstin Holm sind Kriminalpolizisten in Stockholm. Als Angehörige der A-Gruppe zur Ermittlung in Verbrechen mit internationalem Charakter schalten sie sich ein. Und im Fall des erschossenen Asylbewerbers haben sie sich natürlich einzuschalten. Ihr Chef ist Jan-Olov Hultin, der sich wie ein Oberlehrer aufführt. Als er sie zu sich zitiert, steht bei ihm der Chef der Inneren Abteilung, Niklas Grundström. Die Dienstaufsicht? Haben sie etwas ausgefressen, fragen sich Hjelm und Holm, die früher mal ein intimes Verhältnis hatten.

Grundström sucht Nachwuchskommissare. Er will, dass sich Hjelm und Holm bewerben. Sie können sich bewähren, am besten sofort, indem sie den Fall Modisane übernehmen. Als Holm jedoch den Namen des Schützen hört, erstarrt sie: Dag Lundmark war bis vor sieben Jahren – von 1992 bis 1994 – ihr fester Freund. Doch sie trennte sich von ihm, woraufhin er dem Alkohol verfiel. Er musste eine Entziehungskur machen, aus der er erst vor zwei Monaten entlassen wurde. Die Polizei in einem Stadtteil nahm ihn wieder auf – mit den bekannten Folgen. Holm erklärt sich für befangen und lehnt den Auftrag ab.

Doch sie lässt sich breitschlagen, dass Befangenheit nicht gegeben sei, und geht mit Hjelm ins Vernehmungszimmer. Dort sitzt bereits Dag und begrüßt seine Ex mit zynisch-schmeichelnden Worten. Doch seine weiteren Worte sind seltsam. In der späteren Auswertung des Überwachungsvideos wird deutlich, dass er eigentlich gar nicht mit Holm und Hjelm redet, sondern mit den zwei Männern hinter dem Einwegspiegel: mit Hultin und Grundström. Wieso?

Seine Angaben müssen selbstverständlich überprüft und mit den Aussagen der vier anderen Polizisten verglichen werden. Also: Modisane flüchtete plötzlich und Lundmark folgte ihm bis aufs Dach des Hauses. Dort zog der Flüchtige eine Pistole Marke Weylander und zielte auf Lundmark. Dieser schoss sofort in Notwehr und traf Modisane tödlich. Saubere Sache.

Holm wendet ein: Aber gehörte die Weylander nicht möglicherweise Lundmark? Woher sollte der Südafrikaner eine so teure Pistole haben? Sie glaubt, Lundmark habe eine illegale Waffe in die Hand seines Opfers gelegt. Und überhaupt: Warum blieb Modisane denn stehen, statt zu flüchten? Doch Lundmark erinnert Kerstin lediglich an die Inschrift in ihrem Verlobungsring, denn sie immer noch trägt: Viele Wasser können die Liebe nicht löschen – ein Zitat aus dem Hohelied Salomos. Sie wird unsicher. Als Lundmark fragt, ob man ihn festhält oder ihn dem Staatsanwalt übergibt, verneint sie. Er kann gehen. Doch Lundmark taucht unter. Er hat noch viel vor …

Im Nachhinein entdecken die Ermittler des A-Teams, dass rein gar nichts an den Angaben zum Tathergang stimmt. Die Notwehr war kaltblütiger Mord, Lundmark handelte im Auftrag eines wichtigen Pharmaunternehmens, und die Asylbewerber sind natürlich auch keine. Zu Modisane erhalten Holm und Hjelm nicht einmal Lebensdaten. Ja, der Tipp für den Einsatz kam nicht einmal von der Migrationsbehörde, sondern von einem Tonband! Der Fall wird immer rätselhafter. Unterdessen wächst Kerstins Nervosität, und sie dreht manisch an ihrem Verlobungsring: Sie fühlt etwas wie ein Schwarzes Loch auf sich zukommen, gesteht sie Paul, und bittet ihn, sie in der Not keinesfalls im Stich zu lassen. Besorgt schwört er.

Der Fall B

Ein zweiter Fall scheint nichts mit Modisane und Lundmark zu tun zu haben. Im gleichen Stadtteil wird ein stinkender Einbrecher aufgegriffen. Björn Hagmann stinkt unverkennbar nach Leiche. Nach Zusicherung eines Schlupflochs führt er Arto Söderstedt und Viggo Norlander vom A-Team in die Wohnung von Ola Ragnarsson. Dort finden sie einen Abschiedsbrief vor, doch wie sich herausstellt, wurde der Mann vor zwei Wochen mit Rattengift ermordet. Sie flüchten vor dem Gestank und den wimmelnden Maden ins Freie. Der Einbrecher nutzt die einmalige Chance und verschwindet.

Der Fall C

In seinem Abschiedsbrief gibt sich Ragnarsson als Serienmörder aus. Er habe auf einem Acker in Schonen, Südschweden, seine Opfer vergraben. Die Beamten werden nach einigem Suchen fündig. In schwarzen Plastiksäcken finden sie die sterblichen Überreste eines lokalen Bauernpaars, das seit Wochen im Urlaub geglaubt wird. Doch wo ist ihr Adoptivsohn, der siebenjährige Anders Sjöberg?

Die drei Fälle

… hängen alle auf eine Weise miteinander zusammen, die sich die Ermittler der A-Gruppe nicht hätten träumen lassen. Kerstin Holm hat immer stärker das Gefühl, dass das Schwarze Loch kurz davor ist, sie zu verschlingen. Sie ahnt nicht, dass es nicht nur um sie geht, sondern um ihre gesamte Abteilung.

Mein Eindruck

Selten bin ich auf einen derart verzwickt ausgetüftelten Krimi gestoßen – allenfalls bei Meistern wie Michael Connelly. Drei scheinbar völlig verschiedene Fälle werden aufs Engste miteinander verknüpft und zu einem immer dichteren Geflecht von bösen Vorahnungen und unheilvollen Vorausverweisen verwoben – Kerstins „Schwarzes Loch“. Schon lange vor dem Finale ist mir daher angst und bange geworden, was da wohl auf Kerstin Holm zukommen könnte. Doch dann setzt der Autor noch einen drauf, indem er die Bedrohung auf die gesamte Belegschaft der A-Gruppe ausdehnt, inklusive der schwangeren Sara Svenhagen.

Anders als der Anfang vermuten lässt, geht es nicht um Asylbewerber und wie sie von skrupellosen Geschäftemachern ausgebeutet werden. Dieses Thema hat schon Ian Rankin in seinem Krimi „So soll er sterben“ (Fleshmarket Close) zur Genüge beackert, um nur ein Beispiel zu nennen. Ich hoffe, ich verrate nicht zu viel, wenn ich sage, dass zwei der Asylbewerber als Industriespione nach Schweden gekommen sind. Doch ihre Spionage dient einem guten und hehren Zweck: Sie wollen ein eigenes Anti-Aids-Medikament produzieren, einen HIV-Blocker. Damit soll die extrem hohe Infektionsrate in Südafrika gesenkt werden. Ob es ihnen wohl gelingt? Es wäre ihnen zu wünschen.

Dieses Vorhaben hat nur sehr am Rande mit dem zu tun, was Dag Lundmark mit seiner Ex Kerstin Holm und ihrem Team vorhat. Es ist ein Mittel zum Zweck, um sie in seine Falle zu locken. Doch halt! Wie konnte es überhaupt dazu kommen, dass Kerstin zu seinem Fall hinzugezogen wurde? Schuld daran ist nämlich Grundström. Und auf diesen hat es Lundmark möglicherweise abgesehen. Ich hätte erwartet, dass mindestens Grundström, wenn nicht sogar Hultin mordsmäßig Dreck am Stecken haben, wie man es zuweilen bei Rankin vorfindet. Doch leider läuft dieser Verdacht ins Leere. Diesen führungskritischen Ansatz fand ich ziemlich unbefriedigend umgesetzt. Nur einer in der polizeilichen Führungsetage findet den Tod, aber nicht in Stockholm.

|Ekel und Blut|

Bei ihren Ermittlungen stoßen Arto, Viggo, Jorge und Gunnar nicht nur auf halbflüssige Leichen, die vor Maden wimmeln. Auch Leichen in Plastiksäcken schrecken sie nicht so sehr, wie es ein abgeschlagener Kopf tut, der von der Türkante auf den werten Polizistenschädel kullert. Jorge hätte sich fast eingemacht, doch Gunnar kann ihn gerade noch beruhigen. Dieser Schädel blutet zwar, doch er beißt nicht.

|Botschaften|

Ganz im Gegenteil: Der Schädel trägt eine Botschaft – eine Zigarrenhülle steckt in der Kehle. Und wieder einmal hat der Killer, der sie an der Nase herumführt, ein Bibelzitat als Botschaft an seine Verfolger hinterlassen. Zum Glück gibt es ein paar Leute in der A-Gruppe, die genügend bibelfest sind, um die Hinweise zu entschlüsseln und auf die Psyche des Killers ein Licht zu werfen. Der Autor kann es sich nicht verkneifen, von einem netten, kleinen Bibelseminar zu sprechen.

|Humor|

Überhaupt macht er sich ein Späßchen daraus, wo immer nur möglich Aspekte des Humors und der Ironie aus seinen Szenen und Figurenbeschreibungen herauszukitzeln. Solche Humorblitze lockern die ansonsten recht düstere und beklommene Gefühlslandschaft der A-Truppe etwas auf. Im Finale legt der Autor einige makabre Aspekte an den Tag, und spätestens hier schlägt der Humor um in Bitterkeit . Das tut der Spannung aber keinen Abbruch, sondern hilft, den Leser abzulenken. Dann trifft ihn die Wucht der Bedrohung umso härter – genauso wie es den Helden der A-Gruppe ergeht.

Reichlich fragwürdig finde ich den Kniff des Autors, den Showdown mit dem Morgen des 11. September 2001 zeitlich zusammenfallen zu lassen. Die Bilder aus dem Fernseher sind so albtraumhaft, dass der Killer fragt: !Ist das echt?! Die gleiche Frage könnte man ihm stellen. Ob diese Verbindung im moralischen Sinne legitim ist, bezweifle ich. Aber die Parallele dürfte den Leser wie ein Tiefschlag treffen.

Unterm Strich

„Rosenrot“ ist ein sehr unterhaltsamer Krimi, der zwar realitätsnah erzählt wird, aber doch mit einer umso ausgetüftelteren Storyline bis zum Finale für Spannung sorgt. Splattereffekte haben ebenso ihren Platz wie der Psychohorror, der sich in Kerstin Holm entwickelt. Humoristisch-ironische Szenen sorgen für ein entspannendes Element.

Unbefriedigend sind lediglich die abgedroschenen Bibelzitate und die fehlende Darstellung der Schuld der Verantwortlichen. Auch die Parallele zum 11. September ist nicht ohne Weiteres hinzunehmen. Für mich steht jedoch fest, dass ich auch Dahls andere Krimis gerne lesen werde.

Der Autor bringt seinen Figuren spürbar Sympathie entgegen, und dieses Verständnis gilt auch für den oder die Schurken im Stück. Denn was ist es, was einen Menschen „böse“ macht? Es ist bei Dahl manchmal reine Ansichtssache. Und so kommen zwar Einbrecher recht ungeschoren davon, aber der Killer nicht. Es ist keine Schwarzweißwelt, die Dahl zeichnet, sondern eine mit vielen Grauzonen und fließenden Übergängen. Genau deshalb ist sie so interessant.

Taschenbuch: 399 Seiten
Originaltitel: De största vatten (2002)
Aus dem Schwedischen übersetzt von Wolfgang Butt
ISBN-13: 978-3492048095

http://www.piper.de