Derek Landy – Skulduggery Pleasant: Der Gentleman mit der Feuerhand (Band 1)

Froh-Leichnam

Die zwölfjährige Stephanie Edgley erbt unerwartet das Haus ihres jüngst verstorbenen Onkels Gordon. Dem Vernehmen nach handelte es sich um einen Herzinfarkt, dem der irische Journalist und Autor schräger Mystery-Geschichten, plötzlich und unerwartet erlag. Schon bei der Beerdigung fällt dem Mädel die seltsam vermummte Gestalt im feinen Designer-Zwirn auf, der trotz sommerlicher Temperaturen, den unteren Teil seines Gesichts mit einem Schal verdeckt, den Rest erledigt eine große Sonnenbrille nebst breitkrempigem Hut. Der seltsame Kauz namens Skulduggery Pleasant ist auch kurz auf der Testamentseröffnung zugegen, wo er auch etwas erbt – zwar nur in immaterieller Form, nämlich warme (und nichtsdestotrotz rätselhafter) Worte, aber immerhin. Den größten Batzen vermacht Gordon Edgley, wie gesagt, seiner Lieblingsnichte. Die verbringt gezwungenermaßen eine Nacht allein in ihrem neuen Besitz und wird dort von einem Unbekannten bedrängt sie hereinzulassen und ihm irgendeinen ominösen Schlüssel zu geben. Als dieser sich ob der Weigerung dann gewaltsam Zutritt zum Haus verschafft, tritt Mr. Pleasant als Retter in der Not auf. Der taffe „Detektiv“ ist nicht nur ein alter sowie enger Freund Gordons der u. a. schicke Feuerbälle quasi aus dem Handgelenk schleudern kann, er hat darüber hinaus ein Riesen-Ego und ein höchst loses Mundwerk. Ach ja, er ist übrigens ein lebendiges Skelett.

Eindrücke

Die Rezension basiert hauptsächlich auf der englischen Originalfassung und der 3. deutschen Auflage 2013. Die Grundidee klingt schon mal ansprechend und versprach schon anno 2007 ein Riesenerfolg zu werden – dem war auch so. 2008 gewann das Buch den „Red House Children’s Book Award“ als „Overall Winner“. Die Presse, sowie die Leser, feierten Skulduggery bereits groß als Nachfolger zu „Harry Potter“. Zugegeben, auch bei SP ist jede Menge Magie im Spiel, doch von dem berühmten Zauberlehrling ist das wandelnde Skelett doch recht weit entfernt. Und das gilt sowohl stilistisch als auch storytechnisch. Vielmehr erinnert der Aufbau an eine Mischung aus „Shadowrun“ und der altehrwürdigen „World of Darkness“-Romanreihe, welche seit den Neunzigern begleitend zu damals beliebten Rollenspielen wie u.a. „Vampire – The Masquerade“, „Mage – The Oblivion“ oder auch „Werewolf – The Apocalypse“ erschien. Der Aufbau der im geheimen agierenden Magier-Gesellschaft, welche parallel zu der der Sterblichen existiert, ist zumindest ziemlich ähnlich zu der im WoD-Universum. Trolle, Vampire und andere magische Gestalten geben sich ebenfalls ein Stelldichein. Die Geschichte spielt übrigens weder in Amerika noch (hauptsächlich) in England, sondern in Irland. Genauer gesagt in Dublin und Umgebung.

Inzwischen hat es die Serie zu diversen Fortsetzungen und bislang einem Spin-Off mit Tanith Low – einer der Hauptfiguren, die in diesem ersten Band bereits vorgestellt werden – gebracht. Den Erfolg und seine Beliebtheit bezieht SD sicherlich durch seine knackigen und witzigen Dialoge, weniger wegen seiner ausgefeilten Storyline, wiewohl manche Ideen sicher nicht schlecht sind. Allein Skulduggery als solches ist eine der originelleren und zwischendrin immer wieder für einen Lacher gut. Da gibt es aber auch so einige Ecken an denen definitiv Verbesserungspotential herrscht. So monieren einige Kritiker, dass Stephanie sich alles andere als altersgerecht verhält. Dem muss man zustimmen. Für eine Zwölfjährige geht sie tatsächlich nicht durch – zwischen sechzehn und achtzehn, das wäre ein realistischeres Alter für sie. Hinzu kommt die recht flache Struktur von Plot die sich teils auch bis in die Figurengestaltung hinein fortsetzt. Großteils ist der Ablauf schlichtweg überraschungsfrei und geht zu glatt über die Bühne. Nun mag man mit dem Argument „Kinderbuch“ kommen, doch angesichts der recht düsteren und gar nicht gewaltfreien Atmosphäre, läuft dieses recht zielgerecht ins Leere. Das Buch ist definitiv für ältere Leser.

Kommen wir zur deutschen Übersetzung. Wie das oft so ist, lautet die generelle Empfehlung sich die originale Fassung rein zu schrauben, sofern man des Englischen einigermaßen mächtig ist. Wenn nicht: Learning by Doing. Belohnt wird man dabei mit einer wesentlich schlüssigeren Atmosphäre. Insbesondere bei den Namen ist die deutsche Version nicht empfehlenswert, zumal dort recht inkonsequent vorgegangen wird. Skulduggery Pleasant bleibt ebenso unangetastet wie China Sorrow oder Tanith Low, dafür wird aus Ghastly Bespoke „Grässlich Schneider“ und als Stephanie Valkyrie Cain zu ihren Kampfnamen wählt, verhunzt die Übersetzung dies zu „Walküre Unruh“. Ugh! Das tut weh. Ganz konform geht der Rezensent auch nicht mit „Gründerväter“ für „Ancients“ (hier wäre vielleicht „Altvorderen“ angemessener) sowie einiger anderer nicht ganz glücklich gewählter Begriffe. Beispiele seien hier stellvertretend „Alchimisten“ (für „Adepts“, was man getrost auch hätte beibehalten können) oder auch „Elementezauberer“ (für das wesentlich griffigere „Elementals“). Merke: Man muss nicht alles übersetzen. Nö, wirklich nicht. Manchmal leisten auch einmalig erklärende Fußnoten wunderbare Dienste.

Fazit

Das Detektiv-Skelett im Nadelstreifenranzug ist eine verdammt coole Socke und mit seinen flotten Sprüchen für sich genommen eine klasse Idee und auch der Roman drumherum nicht gerade langweilig. Oberflächlich betrachtet jedenfalls. Es geht recht actionreich zur Sache – für ein ausgewiesenes Kinderbuch vielleicht sogar etwas zu deftig. Allerdings bleibt die Story insgesamt leider ein wenig hinter ihren Möglichkeiten zurück, weil höchst berechenbar und ohne großartige Wendungen, welche alles noch einmal richtig heraus- und/oder herumreißen würden. Der Bösewicht und seine Motivation sind fast sofort benannt und daran ändert sich – trotz seiner vergleichsweise deutlich zur Schau gestellten Brutalität – auch nichts. Bei alledem sind Landys Figuren grundsätzlich ziemlich stereotyp, speziell aber Stephanies Eltern. Im Falle von Stephanie selbst obendrein auch noch unrealistisch. Keine Zwölfjährige (Stichwort: Pubertät) verhält sich dermaßen abgebrüht angesichts einer komplett neuen und verflucht gefährlichen Welt. Unterm Strich macht die Lektüre aber dennoch Spaß (und Appetit auf die Fortsetzungen), denn unterhaltsam ist sie allemal. Der knöcherne Rezensentendaumen kann tatsächlich eine knappe 4-Stern-Wertung signalisieren – Für die deutsche Übersetzung gibt es allerdings satten Abzug wegen manch vermeidbarer Unzulänglichkeit.

Taschenbuch ca. 380/350 Seiten (D/E)
OT: „Skulduggery Pleasant (Book 1)“
Autor: Derek Landy
Logo/Illustration: Tom Percival
© 2007 – HarperCollins, London
ISBN 9780007241620 (englische Originalausgabe)
Deutsche Fassung: „SP – Der Gentleman mit der Feuerhand (Band 1)“
Übersetzung: Ursula Höfker
© 2009 – Loewe-Verlag, Bindlach
ISBN 9783785572689

www.loewe-verlag.de

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