Doyle, Roddy – Mister Macks Missgeschicke

_Schnell und unterhaltsam wie eine Achterbahnfahrt_

Eine Säge, die aussieht wie eine Maschinenpistole, kann leicht zu Missverständnissen führen, gerade in diesen Tagen. Schon bald sieht sich Erfinder Mister Mack („Mister“ ist sein Vorname) unangenehmen Fragen seitens der Polizei ausgesetzt. Seine Söhne und ihr Hund Rover buddeln einen Tunnel unters Gefängnis, um ihn zu befreien. Doch was treibt Mrs. Mack unterdessen? Sie stellt einen Rekord auf. Für das Guinness-Buch. Wenn das mal gut geht.

_Der Autor_

Roddy Doyle, 1958 in Dublin geboren, ist wohl einer der bekanntesten Vertreter der neueren irischen Literatur. Für seinen Roman „Paddy Clarke Ha Ha Ha“ erhielt er den traditionsreichen (und gut dotierten) Booker Prize. Mit „Das große Giggler-Geheimnis“ und „Rover rettet Weihnachten“ gelang ihm auch als Kinderbuchautor ein erfolgreicher Start. Doyle lebt mit seiner Frau und drei Kindern in Irlands schöner Hauptstadt.

_Handlung_

Mister Mack, der brave Familienvater aus Dublin, verliert eines Tages seinen Job als Kekstester in der Keksfabrik. Die Leute wollen etwas anderes essen, sagt sein Boss: Knäckebrot. Er lässt sich etwas einfallen und versucht, sich als Erfinder durchzuschlagen. Nach ein paar Fehlschlägen scheint ihm mit der Vielzwecksäge der Durchbruch gelungen zu sein. Mit seiner Erfindung „bewaffnet“, begibt er sich stante pede zur Bank, um bei seinem Berater einen Kredit zu beantragen.

Die Schalterangestellte ist erstaunlich kooperativ, als er ihr seine Säge zeigt, und schon bald kann er mit seinem persönlichen Berater sprechen. Beim Gespräch stören lediglich die vielen Sirenen in dieser Gegend. Bei der praktischen Demonstration seiner Säge unterläuft Mister Mack leider ein kleiner Fehler. Offenbar muss er die Zielgenauigkeit der Säge noch feiner justieren. Da wird er festgenommen. Wegen Besitzes einer gefährlichen Waffe. Die Polizisten meinen, die Säge habe eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit einer Maschinenpistole, und was er davon halte? Leider haut die Demonstration der Harmlosigkeit seiner Säge nicht so ganz hin: Die Bank sieht relativ verwüstet aus. Mister Mack wird abgeführt.

|Unterdessen …|

Mrs. Mack hat wieder einmal beschlossen, ein Eintrag ins „Guinness-Buch der Rekorde“ würde ihrem Ego gut tun und hat sich auf den Weg gemacht, die Erde zu umrunden. Zu Fuß. Das Besondere daran: Sie hat davon niemandem außer ihrem Mann etwas gesagt – das ist ja das Geniale an diesem Rekordversuch. Allerdings findet sie es sonderbar, dass eine andere Frau, die sie China trifft, offenbar genau die gleiche Idee gehabt hat …

|Unterdessen …|

Die Gartenschnecken haben sich in einem Hinterhof versammelt, um die Weltrevolution zu starten. Doch jeder Anfang ist langsam.

|Unterdessen …|

… sucht die Waisenkinderfängerin Missis Meanie in Mister Macks verlassenem Heim nach den verlassenen Waisen. Töchterchen Kayla ist mit ihrer Freundin Victoria und ihrem Haushund Rover auf der Suche nach Mami ausgeflogen, aber die beiden Söhne Jimmy und Robbie sollten noch da sein. Allerdings sind sie gerade dabei, einen Tunnel von ihrem Heim zum Gefängnis zu graben, wo ihr Daddy einsitzt und sich zudringlichen Fragen der Polizisten und des Gefängniswärters ausgesetzt sieht. Er stellt sich dumm, was ihm nicht schwer fällt.

Ob das Abenteuer der Familie Mack noch gut ausgeht oder vorher die Schnecken die Weltherrschaft erringen, darf hier nicht verraten werden.

_Mein Eindruck_

Diese Geschichte erzählt sich der Erzähler nicht selbst, sondern jemandem, der immer sagt „Langweilig!“ und damit droht, etwas ganz Schreckliches zu tun (zum Beispiel nicht einzuschlafen und das ganze Haus zusammenzubrüllen). Also muss der Autor sich ziemlich abgefahrene und vor allem gewalttätige Dinge einfallen lassen. Bloß, damit seine Geschichte nicht LANGWEILIG wirkt. Auch dass die Szenerie sehr schnell hin und her wechselt – manchmal mitten im Absatz – hilft, die LANGEWEILE außen vor zu halten wie einen bösen Dämon zu Halloween.

Das Buch trägt im Original nicht umsonst den Titel „The meanwhile Adventures“, und „meanwhile“ heißt bekanntlich „unterdessen“. (Bin ich schnell genug? Ich will um Gottes willen nicht langweilen!) Daher auch die vielen „unterdessens“, aber das war wohl schon klar. Wir haben es also mit mindestens vier Handlungssträngen zu tun: Mister und Mrs. Mack, die Brüder, die Tochter. Huch, ich habe die Schnecken vergessen! Die Revolution marschiert voran, wenn auch im Schneckentempo.

|Schwierigkeiten|

Es hilft nicht wirklich, dass Kayla Mack immer nur „Wer bist duuuuuuuu?“ fragt und ihre Freundin Victoria immer nur „Batterien inklusive!“ ruft. Die kleinen Kinder scheinen in diesen Äußerungen einen Code versteckt zu haben, den zumindest ihre Eltern entschlüsseln können. Das lässt auf einen Fortschritt hoffen. Aber nicht für die Nerven.

Es hilft auch nicht wirklich, ständig mit Begriffen und Ausdrücken der irischen Alltagssprache – natürlich in Übersetzung – bombardiert zu werden, aber es macht die Geschichte ungemein interessant. Wer will, kann sie im angehängten Glossar nachschlagen, aber der Erzähler ist so freundlich, sie auch im Erzähltext zu erklären. Manchmal tragen auch die zahlreichen Illustration von Brian Ajhar zum unmittelbaren Verständnis dessen bei, was gemeint ist.

Wer kann sich schon unter „Unterbuxen“ etwas Konkretes vorstellen? (Es handelt sich um Unterhosen. „Kackbuxen“ erklärt sich daher fast von selbst.) Ein „Poscher“ ist das dazu passende menschliche Hinterteil. Nicht zu verwechseln mit „Puschen“ (Pantoffeln) oder gar „puschen“ (Pipi machen). Man sieht: Nichts Menschliches ist dem irischen Autor fremd und er mutet es seinen jungen Lesern ohne Weiteres zu.

|Die Wirkung|

Schon bald ist jeder Anflug oder gar Gedanke an die grässliche LANGEWEILE verflogen. So viel Positives lässt sich zumindest sagen. Wir können uns beinahe beruhigt zurücklehnen. Aber nur beinahe. Denn auch jede Hoffnung an VORHERSAGBARKEIT hat sich verflüchtigt oder Reißaus genommen. Nun ist es Zeit, entweder die eigenen Fingernägel zu vernichten (oder was noch davon übrig ist) oder wahlweise eine Packung Kartoffelchips. Eine Achterbahnfahrt könnte nicht unterhaltsamer sein.

_Unterm Strich_

Als Autor auf dem umkämpften Kinderbuchmarkt muss man sich heutzutage offenbar schon einiges einfallen lassen. Offensichtlich darf es auf gar keinen Fall LANGWEILIG sein, sondern muss mindestens so aufregend wie ein Nintendo-Spiel daherkommen. Das bedeutet, dass sich ältere Leser etwas umstellen müssen, was das Actiontempo angeht. Leider bleibt dabei jedwede Art von plausibler Entwicklung oder gar LOGIK auf der Strecke.

Bücher als Achterbahnfahrt? Das ist vermutlich günstiger als ein Ticket auf dem Jahrmarkt, aber es macht lange nicht so viel Spaß. Vielleicht sollten doch allmählich die Schnecken in die Puschen kommen und die Weltherrschaft antreten. Dann könnten wir alle wieder so gemütlich und gemächlich wie im frühen 19. Jahrhundert leben. Ich werde erst einmal mein SCHLEUDERTRAUMA auskurieren.

|Originaltitel: The Meanwhile Adventures, 2004
Aus dem Englischen von Andreas Steinhöfel, illustriert von Brian Ajhar|