Nicole Drawer – Das Messer in der Hand

Bei einer, die es wissen muss, liest man doch gleich um so lieber. Autorin Nicole Drawer war früher Oberkommissarin in Hamburg und hat unter anderem Psychologie studiert. Mit „Das Messer in der Hand“ erscheint bereits der zweite Band um die Polizeipsychologin Johanna Jensen, und auch dieses Mal ist für ein gewisses Maß an Spannung gesorgt.

Eines Nachts wird in Hamburg eine blutüberströmte Frau mit einem Messer in der Hand aufgegriffen. Nicht weit von ihr entfernt findet man die Leiche eines Privatdetektivs, doch Manuela Kranz ist verwirrt, leidet an einer retrograden Amnesie. Sie kann sich an nichts erinnern, doch trotzdem ist die Sachlage für die Polizei so gut wie klar. Alle Indizien sprechen dafür, dass Manuela, die Frau eines reichen Bauunternehmers, die Täterin ist. Doch Johanna glaubt an solch eine einfache Lösung nicht. Sie betreut die Frau und versucht ihr zu helfen, sich an besagte Nacht zu erinnern.

Johanna ist nicht alleine. Die Journalistin Andrea, die Manuela von früher kennt, ist ebenfalls von deren Unschuld überzeugt und ermittelt auf eigene Faust. Der Fall spitzt sich zu, als plötzlich das BKA sein Interesse an Manuela bekundet und sie in akuter Gefahr schwebt, aus Johannas Wirkungskreis gezogen zu werden. Johanna, die zum Ärger ihres Vorgesetzten eine Frau der Tat ist, beschließt zu handeln und Manuela vor ihren Häschern zu retten …

Der größte Pluspunkt von „Das Messer in der Hand“ ist Drawers nüchterner, schnörkelloser Schreibstil. Ihre ausführlichen Beschreibungen kommen ohne Wiederholungen aus und lassen die Bilder vor dem inneren Auge des Lesers erscheinen. Die Worte sind sicher und passend gewählt, der Lesefluss wird nie beeinträchtigt.

Ansonsten hat Nicole Drawers zweiter Roman nur wenig Neues zu bieten. Gut gemacht, aber weder originell noch besonders interessant. Eine Handlung, die sich um das Thema „Retrograde Amnesie“ dreht, ist nicht unbedingt neu. Viele Geschichten haben sich bereits damit beschäftigt, und Drawer schöpft das Potenzial, das der vorübergehende Gedächtnisverlust mit sich bringt, nicht völlig aus. Die Handlung hat zwar ein paar spannende Momente, doch die stellen keine Höhepunkte dar, sondern höchstens kleine Ausbuchtungen in der ansonsten leider recht geradlinigen Spannungskurve. Die Ereignisse wirken häufig sehr banal und können den Leser nicht fesseln, auch wenn es ihm gelingt, aufgrund der gut ausgearbeiteten Personen in die Geschehnisse hineinzuschlüpfen.

Johanna Jensen ist ein recht alltäglicher Charakter, der sich vor allem im Gespann mit Sven Diekmann, Johannas Vorgesetzten, hervortut. Sven und Johanna hatten bis vor kurzem eine Affäre und das Verhältnis zwischen ihnen ist entsprechend gespannt. Johanna neigt zu spontanen Einfällen, die ihren Chef in die Bredouille bringen, und die Autorin weiß diese Spannungen zwischen den beiden toll und vor allem sehr authentisch umzusetzen. Dabei merkt man, dass Sven Johanna zwar gerne die ganze Zeit anschreien würde, sie aber heimlich noch mag und sich seiner Gefühle für sie nicht wirklich bewusst ist. Dieser Zwiespalt gehört zu den großen Highlights des ansonsten eher ruhigen Buches.

Die zwischenmenschlichen Probleme können in einem Werk, das sich Kriminalroman nennt, allerdings keine Handlung ersetzen. Dementsprechend ist „Das Messer in der Hand“ eine Lektüre, die sich aufgrund des sauberen Schreibstils und der sympathischen Personen gut goutieren lässt, aber spannungstechnisch keine richtigen Höhepunkte zu bieten hat.

379 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3-426-63885-9
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