Umberto Eco – Das Foucaultsche Pendel

Umberto Eco (*05.01.1932), piemontesischer Professor der Semiotik, dürfte den meisten Lesern durch „Baudolino“ und „Der Name der Rose“ bekannt sein. Letzteres wurde bereits mit Sir Sean Connery, F. Murray Abraham und Christian Slater verfilmt, mit etwas anders gesetzten Schwerpunkten.

„Das Foucaultsche Pendel“ hat ebenfalls einen Bezug zum Mittelalter, allerdings ist es anders aufgebaut: Ein vermeintlicher Geheimplan zur Weltbeherrschung der Tempelritter wird hier von drei Mailänder Verlagslektoren in den Siebzigerjahren aufgedeckt – und nahezu alle bekannten Verschwörungstheorien in diesen ominösen, großen Geheimplan eingewoben.

Die Handlung

Casaubon, Belbo und Diotallevi haben eines gemeinsam: Sie sind Lektoren für den Verlag Garamond, und dürfen sich stets die abstrusesten Hirngespinste ihrer Autoren antun. So lästern und spötteln sie über deren Gedankengänge, bis eines schicksalhaften Tages der ehemalige Oberst Ardenti ihnen ein besonders interessantes Buch vorlegt: Von einer geheimen Verschwörung der Tempelritter, Verschwörers liebstem Kind, ist da die Rede, einem Geheimplan, der sich über Jahrhunderte erstecken soll… die Neugier ist geweckt, und dann geschieht das Unfassbare: Ardenti wird einen Tag, bevor er seine Erkenntnisse nochmals umfassend vorstellen darf, umgebracht!

Die Polizei untersucht den Fall, findet aber keine Spuren – die drei sind besorgt, gehen jedoch vorerst getrennte Wege: Casaubon z.B. vorerst nach Brasilien, Belbo bleibt in Italien. Alle drei machen weiter Erfahrungen mit Verschwörungen und okkulten Dingen, die sie bei ihrem Wiedersehen kombinieren.

Sie entdecken immer mehr Details, erschließen sich immer mehr Zusammenhänge: Alle 120 Jahre treffen sich die auf mehrere Gruppierungen verteilten Templer. Diese haben Rosenkreuzer, Freimaurer und andere Gruppierungen unterwandert. Es treffen sich stets nur die zwei Großmeister der jeweiligen Gruppe. Das Geheimnis der Templer basiert wahrscheinlich auf ihrer Beherrschung der tellurischen Ströme, ohne euch zuviel zu verraten, aber ihr Plan fußt darauf, dass sie erst in mehreren hundert Jahren die nötige Technologie zur Ausbeutung dieses Wissens besitzen werden. Doch leider gingen in Kalenderreformen und Kriegswirren einige Treffen ins Leere – und da der Plan so unsagbar geheim gehalten wurde, fehlen nun Bruchstücke, die wohl nicht mehr zu ersetzen sind. Und so trachten nun viele Organisationen danach, sich das Wissen der jeweils anderen Gruppen anzueignen.

Es wird auch für die drei Lektoren gefährlich: Ähnlich Ardenti sind auch sie ihres Lebens nicht mehr sicher… sie wissen oder vermuten zu viel.

_Story hui, Umsetzung pfui_

Zuerst das Positive: Die Story hat etwas für sich, wenn man sie so liest: Man weiß oft nicht: Ist das nun Realität, was sie sich dort zusammenschustern, oder sind sie auf dem Holzweg? Nebenher präsentiert Eco ein umfassendes Sammelsurium aller möglichen Sekten, Logen und Geheimbünde der letzten Jahrhunderte – und bringt sie in Zusammenhang. Teilweise genial!

Das ist auch die große Stärke des Buchs. Leider machen Ecos Schreibstil und seine übertriebene und langatmige Verzettelung in oft zuerst nur vermeintlich nebensächlichen Theorien das Ganze zu einem enormen Geduldsspiel.

Die ersten 110 Seiten sind eine pure Qual. Satzkonstruktionen, die sich über ein Dreiviertel der Seite erstrecken, sind keine Seltenheit. Vor allem, da hier noch kein Bezug zu der Geschichte hergestellt wird. So sind oft philosophische oder intellektuelle Betrachtungen zum Foucaultschen Pendel, alten Automobilen und Ähnlichem vorerst in den luftleeren Raum gestellt – mehrere hundert Seiten später greift Eco sie jedoch wieder auf.

Die drei Hauptfiguren stellen eigentlich nur die Verkörperung Ecos dar, sie legen uns in ihrer Dreieinigkeit seine Gedankenspielchen dar, einer der Lektoren stammt wie er aus dem Piemont, aus dem Dorf *** nahe San Davide – diese Information zur Lage des Ortes, den ich mühsam herausgeknobelt habe, der auch im Buch nur mit *** benannt wird, wird dem Leser kurz vor Ende gegeben.

Das führt aber auch dazu, dass ihr Leben und Charakter bis auf diverse Rückblenden in ihre Jugend, meistens nach ***, sich ihrer Darbringung von Verschwörungstheorien unterordnet.

Sobald Eco in Fahrt kommt, und erste Zusammenhänge ersichtlich werden, macht das Buch langsam Spaß. Doch die langatmige Verkuppelung aller möglichen Dinge zu einem dann doch eher simplen Grundgerüst ist verdammt zäh. Besonders wenn Eco zum gelegentlichen Rundumschlag ausholt und eine genau EINE GANZE Seite lange Auflistung aller bekannten Orden, Logen, okkulter Gruppierungen der letzten Jahrhunderte liefert. Warum eigentlich? Zuviel des Guten!

So muss man schon sehr konzentriert lesen, damit man den roten Faden und vor allem die Geduld nicht verliert. Meine Lieblingsbonmots, die etwas auflockern konnten, waren der Vergleich der Zahlenmystik einer Kiosk-Säule mit der großen Cheops-Pyramide und der Abstammung der SS von den Zwergen, sowie einiger piemontischer Lebensweisheiten Belbos.

Am Ende verwischt Fiktion mit Wirklichkeit, keiner weiß mehr, was ist wahr, was nimmt man nur als wahr an. Casaubon taucht unter, um sein Leben zu retten.

_Klingt besser, als es ist_

Rein von den schieren Details her müsste man von dem Buch begeistert sein, es klingt vielversprechend. Ich war es jedoch nicht, und kann es euch definitiv nicht empfehlen. Nach den ersten hundert Seiten war ich völlig gelangweilt und entsetzt über diesen furchtbaren Schreibstil, der einem in einer Tour lamentierenden Italiener zur Ehre gereichen würde, aber ohne Punkt, nur mit Komma. Durch die zahllosen Stränge der Handlung, deren Bedeutung sich oft erst in der Nachsicht offenbart, ist man oft erst viele hundert Seiten später in der Lage, Sinn und Zweck zu erkennen. Bis dahin ärgert man sich mit dem Buch ziemlich, es ist einfach viel zu weitschweifig und vernachlässigt die Story zugunsten zahlloser Litaneien ohne echten Bezug zu derselben. Das Ende erschien mir persönlich auch etwas unbefriedigend.

Es bleibt ein schwer zu lesendes und sehr anspruchsvolles Buch, da es auch vorteilhaft ist, neben Englisch auch Französisch, etwas Italienisch und Küchenlatein zu können. Hebräische und griechische Textpassagen sind zum Glück nur an den Kapitelanfängen zu finden. Desweiteren sollte man über viel Geduld verfügen.

Warum ich aber dieses Buch absolut nicht empfehle… mir gefällt Ecos Schreibstil, oder sagen wir mal die Übersetzung, absolut nicht. Ein spannender Thriller, der zugänglicher ist und die Phantasie mehr anregt als ein Eco’sches Pendel, dessen Schwingungen wir geradezu aufgezwungen bekommen, macht mehr Spaß, ein Thriller, bei dem man selbst etwas mitkombinieren und staunen kann. Und der Aha-Effekt geht beim Pendel leider ziemlich unter.

Da mir der große Genuss, der mir von vielen Rezensionen versprochen wurde, versagt blieb, habe ich Fakten und Aussagen auf historische und mathematische Korrektheit geprüft, zum Teil mit meiner Formelsammlung – das solltet ihr euch sparen, es fehlt bei Eco’s Aussagen oft an exakten Werten, aus denen man seine Ergebnisse berechnen könnte, aber das war wohl auch nicht der Sinn. Vielmehr eine Verirrung meinerseits in meiner Verzweiflung, die oft, manchmal auch nur scheinbar, zusammenhanglosen Gedankenspiele miteinander zu kombinieren.

Den Unterhaltungswert sehe ich zwiespältig, leichte Lektüre ist das nicht – aber wenn man sich die Mühe macht, bin ich mir sicher, dass nicht jeder die „Belohnung“ genießen kann. Ich war nicht allzu begeistert. Allzu oft habe ich mich in Ecos Gedankenlabyrinthen verirrt, genauso wie er bei der Story zugunsten von Nebenhandlungen den roten Faden verloren hat. Ein Künstler ist der, der es sich nicht beweisen muss. Eco hat seinem Buch dadurch eher geschadet.

Ich empfehle euch stattdessen etwas leichtere, aber schriftstellerisch bekömmlichere Verschwörungskost:

„Illuminati“
„Sakrileg“

Sondereinband: 848 Seiten
1. Auflage
Originaltitel: Il pendolo di Foucault
www.dtv.de
www.themodernword.com/eco