Parker, Robert B. – Looking for Rachel Wallace – Ein Spenser-Krimi

_Viele heiße Eisen: Entführung einer lesbischen Feministin _

Rachel Wallace ist eine militante Feministin. Ihr neuestes Buch schlägt wie eine Bombe ein, denn es prangert Missstände in der Gleichberechtigung an und nennt die dafür Verantwortlichen beim Namen. Als ihr anonyme Anrufer mit Mord drohen, engagiert Rachels Verlag den Privatdetektiv Spenser als ihren Bodyguard. Doch auch Rachel ist explosiv. Im falschen Moment geht sie vor Wut hoch und entlässt Spenser. Darauf haben ihre Feinde nur gewartet. Jetzt haben sie freie Bahn.

Deutsche Übersetzungstitel: „Bodyguard für eine Bombe“, 1981 bei Ullstein.

_Der Autor_

Der US-Autor Robert B. Parker, geboren 1932, gehörte zu den Topverdienern im Krimigeschäft, aber auch zu den fleißigsten Autoren – er hat bis zu seinem unerwarteten Tod im Januar 2010 über 50 Romane veröffentlicht. Am bekanntesten sind neben der „Spenser“-Reihe wohl seine etwa acht Jesse-Stone-Krimis, denn deren Verfilmung mit Tom Selleck in der Titelrolle wird gerade vom ZDF gezeigt. Der ehemalige Professor für Amerikanische Literatur Robert B. Parker lebte mit seiner Frau Joan in Boston, Massachusetts, und dort oder in der Nähe spielen viele seiner Krimis.

Außerdem schrieb Parker ein Sequel zu Raymond Chandlers verfilmtem Klassiker „The Big Sleep“ (mit Bogart und Bacall) und mit „Poodle Springs“ einen unvollendeten „Chandler“-Krimi zu Ende. „Gunman’s Rhapsody“ ist seine Nacherzählung der Schießerei am O.K. Corral mit Wyatt Earp und Doc Holliday, ein klassischer Western.

_Handlung_

Die radikalfeministische Autorin Rachel Wallace hat wegen ihres neuen Buches „Tyranny“ ernstzunehmende Drohungen von Unbekannt bekommen. Sie prangert darin nämlich eklatante Fälle von Ungleichbehandlung von Frauen im Allgemeinen und von homosexuellen Frauen im Besonderen an. Ihr Verlag und dessen Lektor engagieren Privatdetektiv Spenser, um Rachel vor Angriffen zu schützen.

|Attacken|

Das erweist sich auch bald als nötig. Als sie in einer Bostoner Bibliothek einen Vortrag halten will, versperren Demonstranten den Zugang. Mit Hilfe von ein, zwei Polizisten und einem Fausthieb Spenser ist der Weg schnell freigeschafft, auch wenn Rachel in keinster Weise den „unfriedlichen Einsatz männlicher Gewaltbereitschaft“ unterstützt. Spenser aber merkt sich ein Gesicht unter den Demonstranten. Er wird es wiedersehen.

In einer Buchhandlung, wo sie signiert, wird Rachel mit einer Torte beworfen, doch Spenser schaltet die beiden Studenten sofort aus. Auch das gegen Rachel gegen den Strich. Abends zieht sie sich mit ihrer lesbischen Freundin Julia Wells auf ihr Hotelzimmer im „Ritz“ zurück. Spenser kooperiert mit dem Hotelsicherheitschef, damit ihr nichts passiert. Wenn schon, denn schon.

Als sie von einem anderen Termin zurückkehren, muss Spenser, der Fahrer, schnellstens reagieren: Zwei Autos wollen ihn einklemmen und rammen! Rachel muss sich auf dem Boden ganz klein machen. Puh, Schwein gehabt, nix passiert. Als der schlagkräftige Spenser die Cafeteria einer Versicherungsgesellschaft zerlegt und somit ein weiteres Mal „überreagiert“, feuert sie ihn kurzerhand. Wenige Tage später ruft ihn der Verlag erneut an: Rachel Wallace ist spurlos verschwunden.

|Die Suche|

Nun fühlt sich Spenser in seiner Berufsehre angegriffen. Dass Rachel eine Zicke ist, ist ihr gutes Recht – siehe den Verfassungsartikel über die freie Meinungsäußerung. Aber dass sie wegen dieser Meinung mundtot gemacht werden soll, geht ihm heftig gegen den Strich. Allerdings macht er einen verhängnisvollen Fehler: Gegenüber Kripochef Martin Quirk erwähnt er Julie Wells nicht. Aus Pietät und Feingefühl?

Spenser sucht im Ku Klux Klan ebenso nach Frauenfeinden wie unter jenen Demonstranten vor der Bibliotheken. Unter Letzteren stößt er auf ein ganzes Netzwerk von konservativen Aktivisten und Kommunistenhassern, die über all ihre Finger drin und Kontakte in einflussreichen Kreisen haben: viel Geld und nichts zu tun. Als aber die wahre Identität von Julie Wells zum Vorschein kommt, könnte sich Spenser glatt in den Hintern beißen – hat er etwa eine Wölfin zu seinem Schäfchen gelassen?

_Mein Eindruck_

Der Mittelteil des Romans folgt dem üblichen Muster einer Ermittlung à la Spenser: Sie geht in alle Richtungen und wirkt daher ein wenig ziellos. Das liegt allerdings in der Natur der Sache. Aus den Hinweisen ergibt sich ein schwerer Verdacht, dem Spenser natürlich nachgehen muss. Der Haken dabei: Die mutmaßlichen Entführer sind eine sehr einflussreiche Familie plus ihr schießwütiger Gorilla, mit dem Spenser bereits Bekanntschaft gemacht hat.

Doch mit der Hilfe von Julia Wells, die völlig verängstigt ist und um ihre Geliebte Rachel bangt, erhält Spenser eine exzellente Ortsbeschreibung. Doch das Schicksal scheint sich gegen ihn verschworen zu haben – der zweite Haken: Ein regelrechter Blizzard legt jeglichen Verkehr in und um Boston lahm. Doch im Koreakrieg hat der Privatdetektiv gelernt, wie man lange Fußmärsche von mehreren Meilen bewältigt – und auch den schlimmsten Schneesturm übersteht. Nach einer kuscheligen Nacht mit seiner sexy Freundin Susan Silverman kann’s gestärkt an Leib und Seele losgehen. Sollte er nicht mehr lebend zurückkehren, so seine letzte Bitte, werde sich sein Kumpel Hawk um sie kümmern.

|Eine Ritterfigur|

Susan ist es auch, die mehrmals betont, dass Spenser sich wie ein Ritter verhalte, der wehrlosen Opfern beistehen müsse, weil es sein Ehrenkodex verlangt. Susan nennt ihn „Lancelot“, und Rachel lacht natürlich verächtlich über solche Klischees der Männlichkeit. Doch als sie und Julie Wells sich ohne jede Hilfe einer Welt gegenübersehen, die lesbische Frauen, aus ganzem Herzen ablehnen, ja, sogar verabscheuen, da gibt es nur noch einen, an den sie sich wenden können: Eben Spenser.

|Heiße Eisen|

Wieder mal packt der Autor mehrere Eisen an, die anno 1980, als Ronald Reagan zum US-Präsidenten gewählt wurde und das konservative Amerika die Oberhand (zurück-) gewann, ziemlich heiß waren: Homosexualität, Feminismus und arbeitsrechtliche Gleichberechtigung und Gleichstellung bei den Löhnen und Aufstiegschancen.

Tatsächlich sind hierzulande (und in USA) gerade mal Feministinnen und Homosexuelle akzeptiert worden, aber bei den wirtschaftlichen Bedingungen hinken die Deutschen zahlreichen anderen Ländern in Europa weit hinterher. Frauen bekommen im Schnitt 25% weniger lohnen, und von einer Frauenquote können die meisten Betriebe hierzulande nur träumen.

|Der Ritter weint|

Ich hätte nie gedacht, dass ich mal bei Parker lesen würde, dass Spenser weint. Das tut er aber, als er Rachel endlich findet und aus ihrem Gefängnis befreit. Weint er vor Erleichterung – oder aus Mitgefühl? Wir erfahren es nicht. Aber der Eindruck, den seine Tränen bei Rachel hinterlassen, ist sehr tief.

Bevor Spenser jedoch mit Rachel abhauen kann, muss er noch ihre Entführer überwinden. Ein explosiver Showdown ist die Konsequenz dieser Auseinandersetzung. Tatsächlich stellt sich jetzt heraus, dass die Entführung einen sehr persönlichen Hintergrund hat: Rachel soll für die „moralische und sittliche Verderbnis“, die sie über Julie Wells gebracht habe, büßen. Dass ihre Entführer sie als Zeugin nicht am Leben lassen können, ist ihr leider nur allzu klar.

Zu seinem Erstaunen findet Spenser in einem der eintreffenden Polizisten einen jungen Mann (war beim Militär), der ebenfalls das Opfer Rachel über die Belange der Bürokratie und Hierarchie stellt – er fährt Spenser und Rachel nach Hause, wo schon Susan wartet. Solche Selbstlosigkeit ist sicherlich rar.

_Unterm Strich_

Nach dem absehbaren Aufeinandertreffen der extrem unterschiedlichen Ansichten von Spenser und der Feministin kommt nach ihrem Verschwinden erst der Fall so richtig in Gang. Wo sind Rachel und ihre rätselhafte Geliebte abgeblieben? Dass das friedliche Boston, das „Athen Amerikas“, über eine rege Ku-Klux-Klan-Gemeinde ebenso verfügt wie über erzkonservative Kommunisten- und Feministenfresser, hätte Spenser – und wir erst recht – nicht ohne Weiteres erwartet.

Doch Spenser lässt sich davon nicht abbringen, denn er sieht es als seine Pflicht an, die Scharte, die er durch seine Vernachlässigung Rachels verursacht hat, wieder auszuwetzen. Folglich lässt er nichts unversucht und schüttelt eine ganze Menge Köpfe, ob nicht doch ein Hinweis herausfällt, wo sich Rachel aufhält. Spenser Fäuste fliegen immer wieder recht wirkungsvoll, und nur einmal muss er eine Niederlage einstecken. Der gewalttätige Höhepunkt des Buches und die emotionalen Szenen danach haben mich mit diesem konventionellen und ziellos wirkenden Mittelteil vollauf versöhnt.

|Taschenbuch: 224 Seiten
ISBN-13: 978-0440153160|
[Verlagshomepage]http://bantam-dell.atrandom.com

_Robert B. Parker bei |Buchwurm.info|:_
[„Der stille Schüler“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4066
[„Gunman’s Rapsody“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6836

„Cole & Hitch“:

1) „Appaloosa“ (2005)
2) „Resolution“ (2008)
3) „Brimstone“ (2009)
4) „Blue-Eyed Devil“ (2010)

„Jesse Stone“-Krimis:

1) [„Night Passage“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6811
2) [„Trouble in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6816
3) [„Death in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6815
4) [„Stone Cold“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6810
5) [„Sea Change“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6812
6) [„High Profile“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6813
7) [„Stranger in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6814
8) [„Night and Day“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6873
9) „Split Image“

Die „Sunny Randall“-Reihe:

1) [„Family Honor“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6831
2) [„Perish Twice“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6832
3) [„Shrink Rap“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6833
4) [„Melancholy Baby“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6834
5) [„Blue Screen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6835
6) [„Spare Change“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6852

Unter anderem in der „Spenser“-Reihe, die 39 Romane umfasst, erschienen:

[„The Godwulf Manuscript“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6921
[„Paper Doll“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6818
[„Stardust“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6819
[„Potshot“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6821
[„Walking Shadow“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6820
[„Widow’s Walk“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6826
[„Chasing the Bear“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6837
[„Hundred Dollar Baby“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6838
[„Taming a Sea-Horse“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6839
[„Bad Business“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6840
[„Back Story“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6842
[„Painted Ladies“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6843
[„Cold Service“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6844
[„The Professional“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6866
[„Playmates“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6867
[„Thin Air“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6872
[„Small Vices“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6829
[„Promised Land“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6923
[„Mortal Stakes“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6922
[„God Save The Child“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6951
[„Ceremony“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6952
[„The Judas Goat“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6953

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