Fabio Genovesi – Vom Mut, das Glück zu suchen

Fabio ist 24 Jahre alt und hat große Pläne für den Sommer 1998: Er möchte nach Sevilla und mit seinen Freunden dort die Nächte durchfeiern. Und er möchte dort endlich seine Unschuld verlieren. Er packt bereits seinen Koffer und hat schon das Päckchen Kondome besorgt, als er wichtige Post bekommt: Statt Partynächten in Sevilla wird er als Kriegsdienstverweigerer in die Apuanischen Alpen geschickt, um dort als Erzieher zu arbeiten.

Dort angekommen stellt er aber fest, dass es in dem Kloster keine Kinder mehr gibt, die er erziehen könnte. Stattdessen gibt es einen alten, grummeligen Direktor, der sein Bett nicht mehr verlässt und den Fabio fortan einmal wöchentlich waschen muss. Nur langsam kommen die beiden ins Gespräch – und hierbei hilft Marco Pantani, der 1998 nicht nur den Giro d’Italia gewonnen hat, sondern auch die Tour de France. Während Fabio und der alte Priester am Fernseher den einzelnen Etappen gespannt zuschauen, kommen sie ins Gespräch und versuchen, den Sinn des Lebens zu ergründen.

Schicksal oder Zufall?

„Vom Mut, das Glück zu suchen“ heißt das Buch, und was es damit auf sich hat, wird zunächst nicht klar. Im Zentrum der Geschichte steht Fabio, der eigentlich Jura studiert, aber nicht etwa, weil es sein innigster Wunsch ist, Anwalt zu werden. Stattdessen erfüllt er damit den Lebenswunsch eines Mädchens, das bei einem schlimmen Unglück ihr Leben verloren hat. Und weil Fabio denkt, dass er an ihrer Stelle hätte sterben sollen, versucht er im Gegenzug, ihren Lebenstraum zu erfüllen. Doch eigentlich liegt im Jura nicht. Seinen Eltern erzählt er, dass er bereits seine Abschlussarbeit schreibt. Dabei hat er nur wenige Prüfungen absolviert und bestanden.

Doch was möchte er stattdessen im Leben erreichen? Diese Frage stellt er sich gar nicht – erst, nachdem er im Fernsehen verfolgt hat, wie der italienische Radfahrer Pantani im Sommer 1998 das schier Unmögliche geschafft hat – nämlich zwei der großen Radrundfahren zu gewinnen. Und dabei hatte Pantani einen so schweren Unfall gehabt, dass niemand ihm zugetraut hatte, dass er überhaupt jemals wieder ein Rad besteigen kann.

1998 tritt er an gegen den großen Favoriten Jan Ullrich, der 97 die Tour de France überragend gewonnen hatte und im Zeitfahren wie eine Maschine wirkt, gegen die Pantani – nur ausgestattet mit seinem charakteristischen Kopftuch – nicht mithalten kann. Doch dann kommen die Berge und Pantani schafft das Unmögliche.

Genau dieses Unmögliche möchte auch Fabio schaffen, nämlich seinem Leben einen Sinn geben.

Zwei Geschichten in einer

Wie der Zufall es will, habe ich kürzlich zwei verschiedene Dokumentationen über Jan Ullrich gesehen und habe die Tour de France 1998 selbst live am Fernseher erlebt – natürlich mit anderem Blickwinkel, da ich nicht zu Pantani gehalten habe, sondern zu Jan Ullrich. Daher fand ich die sehr langen und ausführlichen Passagen über Marco Pantani ausgesprochen spannend – zumal ich weiß, wie es mit Pantanis Karriere und Leben nach diesen Erfolgen weitergegangen ist. Von der großen Erfüllung seines Glücks kann ja eigentlich nicht die Rede sein. Daher fand ich es schon etwas kurios, dass der Autor ausgerechnet Pantani als Heldenfigur herangezogen hat, um Fabio zu zeigen, dass man seinen Traum auch dann erfüllen kann, wenn niemand daran glaubt. Außer vielleicht man selbst. Erst als Pantani das Unmögliche möglich gemacht hatte, traut sich auch Fabio, seinem Leben die entscheidende Wende zu geben.

Angesichts der langen Ausführungen über Pantani rückt die Geschichte um Fabio in seinem Alpenkloster immer wieder in den Hintergrund, sodass sich der Fokus des Romans deutlich verschiebt. Ich fand das irritierend, aber immerhin insofern interessant, dass ich Pantanis Lebensgeschichte deutlich spannende finde und fand als Fabios eigenes Schicksal. Doch ich könnte mir vorstellen, dass viele Leser es auch mehr als nur irritierend finden, dass sich das vorliegende Buch in einen „Radfahr-Roman“ wandelt.

Von rosa und gelben Trikots

Ich muss gestehen, dass ich mit dem Buch nicht so recht warm geworden bin. Ich habe es schnell durchgelesen, weil mich die Passagen über die Radrennen bei Laune gehalten haben. Aber eigentlich war es mir am Ende ziemlich egal, was aus Fabio wird. Ich bin an ihn als unzufriedenen jungen Mann nicht herangekommen. Ich habe seine Beweggründe nicht verstanden und hätte ihn manchmal gern geschüttelt und ihm zurufen wollen, dass er endlich anfangen soll, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen – mit 24 wäre es ja längst an der Zeit dazu.

Die Wendung in Fabios Leben und im Buch kommt spät und nicht weiter überraschend, man nimmt sie beim Leben zur Kenntnis, aber kann das alles nicht wirklich nachempfinden.

Gebundene Ausgabe: 384 Seiten
ISBN-13: 978-3328603153
www.penguin.de

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