Thomas Finn – Der Funke des Chronos

Handlung

1842 in Hamburg: Polizeiaktuar Kettenburg arbeitet daran, eine grauenerregende Mordserie zu lösen, die schon sieben Menschen das Leben gekostet hat. Das Perverse daran ist, dass den Opfern voher bei lebendigem Leibe der Schädel aufgesägt wurde. Die letzte Leiche wurde auf einem Leiterwagen gefunden. Der Mörder scheint wohl bei der Beseitigung der Leiche gestört worden zu sein …

2006 in Hamburg: Tobias ist Student der Medizin und trainiert derzeit für die Landesmeisterschaften im Fechten. Da ihn seine Freundin gerade verlassen hat und es auf Weihnachten zugeht, das er als Waise jetzt wohl alleine feiern muss, ist seine Stimmung auf dem Nullpunkt. Als er zu Hause ankommt, wartet ein Päckchen mit einem merkwürdigen Inhalt auf ihn: ein seltsamer Stab und eine Botschaft. Er soll in einen Uhrmacherladen in die ABC-Straße in Hamburg kommen. Der alte Uhrmacher, der ihm das „Geschenk“ hat zukommen lassen, eröffnet ihm, dass der Stab eine wichtige Komponente für eine Zeitmaschine ist. Doch die Ereignisse überschlagen sich, und Tobias ist gezwungen, die Zeitmaschine zu benutzen, will er nicht als Mörder verdächtigt werden.

Er landet im Jahre 1842, nur wenige Tage vor dem Großen Brand in Hamburg. Auch hier wird er schnell in eine spektakuläre Mordserie verwickelt, und auch die Freimaurer haben ihre Finger im Spiel …

Der Autor

Thomas Finn wurde 1967 in Chicago geboren. Er war Chefredakteur eines großen Phantastik-Magazins sowie Lektor und Dramaturg in einem Drehbuch- und Theaterverlag. Bereits seit sechzehn Jahren lebt und arbeitet der preisgekrönte Roman-, Drehbuch- und Theaterautor in Hamburg. Bekannt wurde er besonders wegen seiner Gezeitenwelt-Romane sowie einiger Rollenspiel-Publikationen für die Spiele „Das Schwarze Auge“ und „Plüsch, Power und Plunder“.

Mein Eindruck

Auf den ersten Blick bietet „Der Funke des Chronos“ nichts wirklich Neues: Zeitreisen wurden seit H.G. Wells‘ „Die Zeitmaschine“ schon oft thematisiert, und spätestens seit Dan Browns „Illuminati“ stehen Geheimgesellschaften thematisch in jeder zweiten Buchsammlung. Wenn man ihn aber so kategorisiert, tut man Thomas Finn Unrecht, denn der Roman ist wirklich klasse! „Der Funke des Chronos“ beinhaltet zwar die oben aufgeführten Themen, doch sind sie nur der Rahmen für den eigentlichen Star dieses Buches: das Hamburg von 1842.

In liebevoller Recherchearbeit hat Finn das alte Hamburg, dessen Stadtkern beim Großen Brand fast völlig zerstört wurde, in seinem Buch rekonstruiert und zur Bühne seines Thrillers gemacht. Und das mit starkem athmosphärischem Geschick. Man vermeint in der Tat, man wandle durch das Hamburg der Biedermeierzeit, denn die Gerüche der verschmutzen Fleete und Straßen werden ebenso beschrieben wie die damalige Mode und Architektur. Obwohl oder gerade weil er nichts schön färbt, ist es eine Freude, durch Tobias‘ Augen und somit die Augen eines modernen Menschen die alte Hansestadt zu durchstreifen und sich Sehenswürdigkeiten vorzustellen, die seit über 150 Jahren nicht mehr existieren.

Ein weiteres Schmankerl ist das Auftauchen verschiedener berühmter Personen der Historie wie Heinrich Heine, dessen Onkel Salomon, oder ein gewisser Johannes Brahms. Ob allerdings Ersterer wirklich so ein Tausendsassa war, darf getrost bezweifelt werden, allerdings ist er wirklich charmant dargestellt.

Überhaupt versteht es Finn, seinen Figuren etwas Unverkennbares mitzugeben. Dabei entfernt er sich wohltuend von den gängigen Stereotypen. So ist etwa der Nachtwächter Borchert eher von grobschlächtiger Erscheinung, spricht tiefstes Hamburger-Platt, ist aber beileibe nicht auf den Kopf gefallen. Tatsächlich ist es alleine die Figur des Borchert schon wert, dieses Buch zu lesen. Die verschiedenen Dialekte – sei es nun ein französischer Einschub bei Heinrich Heine, das Jiddische bei Salomon Heine oder das allgegenwärtige Hamburger Platt – verleihen einerseits den Figuren einen individuellen Charakter und lassen andererseits die Szenerie authentischer wirken. Auch sind einige äußerst amüsante und witzige Momente in diesem Roman enthalten, besonders dann, wenn die Kinderbande und deren Anführer Friedrich auftaucht.

Dass Finn mit Kettenburg und Tobias zwei sehr unterschiedliche Protagonisten verwendet, hat den Vorteil, dass sich der Leser bei den Kapiteln mit Kettenburg ganz dem Kriminalfall und bei den anderen mit den geschichtlichen Aspekten des Romans befassen kann. So wird erreicht, dass sich der Roman extrem kurzweilig und spannend liest, zumal die beiden die meiste Zeit Gegenspieler sind, obwohl sie eigentlich die gleichen Ziele haben.

Die Handlung ist typischerweise sehr abwechslungsreich, mit einigen Zeitparadoxen und unerwarteten Wendungen gespickt, ohne dabei unglaubwürdig zu werden. Der Umstand, dass viele Ereignisse, die vor oder während des Brandes beschrieben werden, wirklich überliefert sind, verleiht den Darstellungen eine gewisse Tiefe.

Positiv hervorheben möchte ich auch noch die liebvolle Aufmachung der gebundenen Ausgabe. Hier hat sich der |Piper|-Verlag ordentlich ins Zeug gelegt: ein stimmungsvoll gestalteter Umschlag mit dem brennenden Hamburg im Hintergrund, ein Lesebändchen und gutes Papier zeugen von hoher Qualität. Hinzu kommen noch eine anschauliche Karte von Hamburg aus dem Jahre 1842 auf der ersten und eine Karte des Brandes auf der letzten Seite des Buches. Eine gewisse Detailverliebtheit zeigt sich auch darin, dass die einzelnen Kapitel ganz klassisch mit Überschriften versehen sind, und der jeweilige Ort, das Datum und die Zeit angegeben werden.

Fazit

„Der Funke des Chronos“ ist ein rundum gelungenes Buch mit einer Mischung aus historischem Roman, Zeitreiseabenteuer, Krimi und Thriller. Der Roman ist spannend, hat einige überraschende Wendungen und jede Menge Flair. So ist er uneingeschränkt empfehlenswert und ein Pflichtkauf für historisch Interessierte und Freunde des Krimi- und Thriller-Genres. Ganz nebenbei ist er dank seiner Aufmachung auch noch eine Zierde für ein jedes Bücherregal.

Hardcover: 418 Seiten
www.piper.de
www.thomas-finn.de