Franckie Alarcon – Die Geheimnisse von Schokolade

Einen ziemlich großen gemeinsamen Nenner für eine Graphic Novel zu finden, der letztendlich auch Menschen anspricht, die sich ansonsten eher von illustrierten Geschichten fernhalten – ist das eigentlich möglich? Nun, definitiv, zumindest im Selbstverständnis des französischen Autors Franckie Alarcon. Als Gehilfe, Praktikant und großer Fan des heimischen Star-Chcolatiers Jacques Genin entschlüsselt er „Die Geheimnisse von Schokolade“ und stellt den hiesigen Comic-Markt mit einem sehr eigenwilligen Titel doch mal eben gewaltig auf den Kopf.

Inhalt

Franckie Alarcon ist in erster Linie Zeichner und Geschichtenerzähler, aber er ist auch ein echter Genussmensch. Als sich ihm die Gelegenheit bietet, die Schokoladenmanufaktur von Jacques Genin zu besichtigen und dem Großmeister der süßen Speisen über Monate hinweg über die Schultern zu schauen, willigt er selbstredend sofort ein. Doch Alarcon muss schnell feststellen, dass zur Produktion edler Leckereien mehr dazugehört als lediglich die Umsetzung von Formeln und Rezepten. An der Seite des Meisterchocolatiers erfährt er allerhand Geheimnisse, vor allem begründet in der Leidenschaft für das heute nicht mehr ganz so liebsame Handwerk, muss aber auch feststellen, welche Kniffe und Schwierigkeiten hinter der mannigfaltigen Welt der Veredelung von Kakao, Milch & Co. tatsächlich stecken. Als Genin ihn schließlich selber Hand anlegen lässt, gerät Alarcon mächtig ins Schwitzen – ebenso wie auf seinem Trip nach Südamerika, wo er die Herkunft der wichtigsten Zutaten noch einmal genauer unter die Lupe nimmt.

Mein Eindruck:

Ganz klar: „Die Geheimnisse von Schokolade“ ist ein echtes Liebhaberwerk, inspiriert von einem leideneschaftlichen Menschen und Künstler, ausgearbeitet aber eben auch von einem dualen Liebhaber, der seine Vorlieben für sein eigenes Handwerk ebenso einzusetzen weiß wie seine Begeisterung für das Thema, mit dem er sich in seinem aktuellen Titel beschäftigt. Zweifelsohne hätte sich Alarcon der Sache niemals so nähern können, wäre sein Gaumen nicht auch herausgefordert worden – und das ist er während seiner Zeit an Genin’s Seite definitiv. Der Chocolatier lässt seinen zeichnenden Schüler kräftig mit anpacken, lässt ihn probieren und experimentieren, stellt ihm aber auch keinen Freifahrtschein aus, die Zeit in der Manufaktur einem Jahrmarkt gleich lediglich dem Genuss zu widmen. Der Autor stellt sehr gut heraus, dass auch sein süßer Mentor Tag für Tag ein knallhartes Handwerk erledigt, das sicherlich von vielen Kunstgriffen geprägt wird, das gleichzeitig aber auch kein expressionistisches, sich täglich neu orientierendes Experiment ist. Definitiv ist „Die Geheimnisse von Schokolade“ ein lebendiger Tribut an einen der größten lebenden Männer dieses Faches, schlussendlich bleibt aber überdies auch eine Ode an die alltäglichen Herausforderungen, die auch ein Star wie Jacques Genin immer wieder zu bekämpfen hat – und diese Mixtur verleiht der Graphic Novel erst ihren Lebensgeist.

Umgekehrt nutzt Alarcon in der Funktion des Erzählers aber auch jede Gelegenheit, dem Leser ein Schmunzeln ins Gesicht zu treiben. Mit Humor, aber eben nicht in Gestalt von Karikaturen, beschreibt er seine ersten Gehversuche an der Seite seines zeitweiligen Kollegen, beklagt sein Scheitern bei vermeintlich leichten Rezepten, besingt aber auch seine Freude am Tun, seine Begeisterung für das, was mit wenigen gezielten Handgriffen geschieht und natürlich seine Euphorie bei der Verkostung derjenigen Produkte, an denen er selbst Hand angelegt hat. Dennoch ist „Die Geheimnisse von Schokolade“ alles andere als eine nüchterne Abfolge des gedanklichen Tagebuchs, das Alarcon bei seinem Aufenthalt in Genins Paradies verfasst hat. Die Story ist jederzeit lebhaft, und sei es nur durch die Einbeziehung einiger Rezepturen, die Alarcon hier Schritt für Schritt an die Leserschaft heranträgt. Und auch die Dokumentation seines Forscherdrangs, die Reise an die Ursprungsstätten von Schokolade bzw. deren Zutaten hat einen großen Anteil daran, dass die Liebe des Autors auch schnell zur Liebe des Lesers wird.

Nichtsdestotrotz mag „Die Geheimnisse von Schokolade“ ein eigenwilliger Titel bleiben, der unter klassischen Comic-Lesern womöglich den Beipackzettel ‚Special Interest‘ erfährt. Doch damit würde man Alarcon nicht gerecht werden. Nein, der Franzose vereint auf humorvolle, liebevolle und unnachahmlich schöne Art und Weise zwei zunächst ziemlich gegensätzliche Themenwelten zu einem sehr, sehr lesenswerten Sammelband, dessen einzelne Kapitel die Hingabe des Autors für das Zeichnen, das Erzählen und das Genießen geradezu perfekt kombinieren.

Der Autor

Franckie Alarcon, geboren 1974 in Brest, studierte Grafikdesign und arbeitete zunächst in der Werbung. Heute lebt und arbeitet er als Illustrator und Comiczeichner in Paris.

Fazit:

Schokolade ist vielleicht nicht gerade ein Mysterium, sie birgt aber doch einige Geheimnisse, aufgrund derer sich die Spreu vom Weizen trennt. Alarcons sympathischer, illustrierter Blick hinter die Kulissen verrät einige davon. Und dies wohlgemerkt in einer Präsentation, die einerseits erfrischend anders ist, die andererseits aber auch ganz klar ihresgleichen sucht. Kurzum: Eine tolle Graphic Novel, die der Franzose hier erschaffen hat!

Hardcover: 112 Seiten
ISBN-13: 978-3551763075

www.carlsen.de

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)