Clay & Susan Griffith – Schattenprinz (Vampire Empire 1)

Vampire Empire:

Band 1: „Schattenprinz
Band 2: „Nachtzauber“ (13.08.2012)
Band 3: „The Kingmakers“ (angekündigt, noch ohne dt. Titel)

„Vampire Empire“ – ein Vampirroman mit Schlagreim im Titel; das entbehrt nicht einer gewissen (vermutlich unfreiwilligen) Komik und man fragt sich zwangsläufig, ob mit dem Roman des Autorenduos Susan und Clay Griffith ein neuer Tiefpunkt des Genres erreicht ist.

Zum Glück ist diese Sorge unbegründet. Ganz im Gegenteil: „Vampire Empire“ ist in einem schier unüberblickbaren Morast aus All Age Fantasy und Vampirromanzen nach Schema F endlich wieder ein lesenswertes Buch und ein wirklich viel versprechender Auftakt einer Romanreihe (in den USA erscheint gerade Band 3). Denn nicht nur kann das Ehepaar Griffith mitreißende Prosa schreiben, sie haben sich für ihren Serienauftakt „Schattenprinz“ auch ein spannendes Setting ausgedacht, das zwei momentan sehr beliebte Genres verbindet: Steampunk und Vampire.

Worum geht es also? Wir befinden uns in einer parallelen Realität, vermutlich irgendwann gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Die nördlichen Länder, gemeint ist hauptsächlich Europa, werden von Vampiren bevölkert, die die verbleibenden menschlichen Bewohner als Blutsklaven halten. Im Großen Morden, einem Krieg zwischen Vampiren und Menschen, hatten die Vampire die Oberhand gewinnen können, und so liegen nun die Wiegen der Zivilisation – London, Paris und andere Großstädte – in Schutt und Asche. Der Großteil der Menschen hat sich in den Süden zurückgezogen.

Die Wärme macht den Vampiren zu schaffen, und so ist man in Ägypten, Afrika oder Indien relativ sicher vor ihnen. Adele ist Prinzessin von Equatoria, einem neu errichten British Empire, das sich irgendwo in Ägypten befindet. Sie soll in Bälde den Amerikaner Senator Clark heiraten, um die beiden Reiche zu vereinen und für den bevorstehenden Krieg mit den Vampiren zu rüsten. Denn dass es einen neuerlichen Krieg geben wird, ist ziemlich klar: Die Menschen wollen ihre angestammten Gebiete zurückerobern und heimkehren. Doch dazu muss man erst diese verdammten Vampire loswerden.

All das erfährt der Leser schon auf den ersten Seiten des Romans. Die Autoren packen viel Exposition, viele neue Namen und komplizierte politische Verhältnisse in ihre ersten Kapitel. Für den Leser heißt es: Dranbleiben, auch wenn man anfangs Probleme hat, dieser Welt zu folgen. Das Sitzfleisch lohnt sich, nicht nur, weil das Universum der Griffiths ein interessantes ist, das sie detailreich und bunt gestalten. Zwar bleibt auch einiges unklar, zum Beispiel die Frage, woher die Vampire eigentlich kommen und was das Große Morden auslöste, doch die neuen Machtverhältnisse zwischen den Kontinenten bieten ein faszinierendes Spannungsfeld, auf dem die Charaktere agieren dürfen.

Genau, die Charaktere: Adele wurde bereits erwähnt. Mit ihrem Luftschiff soll sie in den Norden vordringen, um sich den dort verbleibenden Menschen zu zeigen und so deren Loyalität im bevorstehenden Krieg zu sichern. Ein sinnloser Plan, denn natürlich werden Adeles Soldaten von Vampiren aufgerieben und ihr Luftschiff zum Sinken gebracht. Bevor Adele jedoch in die Fänge der Kriegsführerin Flay fallen kann, wird sie vom geheimnisvollen Vampirjäger Greyfriar gerettet. Geschichten über dessen Heldentaten hatten sie bereits in Equatoria erreicht, doch hatte sie den Greyfriar für eine Erfindung gehalten.

Nun, da er sie vor den verfolgenden Vampiren schützt, ist er plötzlich ganz real und ganz Robin Hood – ein Mann mit Maske, Umhang und Schwert, der die Menschen beschützt und gegen eine vampirische Übermacht kämpft. Doch als Greyfriar sie allein lässt, um Hilfe zu organisieren, fällt sie doch noch in Flays Hände und landet als Gefangene der Vampire im Tower von London, wo der brutale Vampirprinz Cesare Informationen von ihr erpressen will. Dessen sanftmütigerer Bruder Gareth schnappt ihm die Gefangene jedoch vor der Nase weg und bringt sie nach Edinburgh, in sein Einflussgebiet. Er verspricht, sie aufs Festland zurückzubringen. Doch sagt er die Wahrheit? Und was ist mit Flay, die Adele immer noch verfolgt?

Der Plot ist actiongeladen, ohne je überfrachtet zu wirken. Die Hauptcharaktere sind zwar nicht übermäßig originell – offensichtlich haben die Autoren sich entschieden, der Zielgruppe etwas zu geben, womit sie sich identifizieren bzw. wofür sie schwärmen können -, doch sie agieren vor schillernden Kulissen. Die Steampunk-Elemente geben dem Roman Würze, die Beschreibungen der Luftschiffe sind ziemlich spektakulär und die wüsten Gegenden im Norden Europas reichlich deprimierend.

Dabei ist anzumerken, dass es dem Ehepaar Griffith gelungen ist, einen wirklich interessanten Vampirmythos aufzubauen. Denn ihre Vampire glitzern nicht, ja eigentlich eignen sie sich noch nicht einmal als romantische Helden. Stattdessen sind sie kaum mehr als Tiere – sie sind gut im Töten und im Überleben, weitere Talente sucht man bei ihnen vergebens. Sie haben kein Mitgefühl und keine Empathie. Sie haben kein Verständnis für Geschichte, für Kunst oder Kultur. Sie können in der Regel nicht lesen und sehen keinen Sinn in einem Buch oder einem Brief. Sie sind also grundlegend anders. Nicht nur teilen sie nicht die Interessen der Menschen, sie verstehen sie nicht einmal. Und so ist London verfallen, die meisten Bücher vernichtet und die Kunstschätze der Museen der Witterung ausgesetzt.

Warum Gareth, der Vampirprinz aus Schottland, in dessen Burg sich Hunderte Katzen tummeln und der stolz eine Bibliothek sein Eigen nennt (ungefähr ein Dutzend Bücher – aber jeder fängt mal klein an) jedoch so anders ist, darauf haben Susan und Clay Griffith in Schattenprinz noch keine Antwort. Auf jeden Fall ist es fast anrührend zu beobachten, wie Gareth versucht, ein Gedicht abzuschreiben und wie er sich ungläubig von Adele erklären lässt, wozu man überhaupt schreiben sollte. Dass Gareth einen Wendepunkt in der verzwickten Situation zwischen Menschen und Vampiren darstellt, wird schnell klar. Inwiefern die aufblühende Romanze zwischen ihm und Adele die Völker wieder vereinen kann, werden wohl nur die nachfolgenden Romane zeigen können. Und die erreichen hoffentlich auch bald den deutschen Markt!

Taschenbuch: 448 Seiten
Originaltitel: The Greyfriar – Vampire Empire Series Book 1
Übersetzung: Anita Nirschl
ISBN-13: 978-3453529168
www.heyne.de