Ildikó von Kürthy – Neuland

Schon in ihrem Buch „Unter dem Herzen“ ließ uns Bestsellerautorin Ildikó von Kürthy teilhaben an ihren persönlichen Gedanken, an ihrer Schwangerschaft, ihren Sorgen, Nöten und ein Stück weit auch an ihrem Privatleben. In ihrem neuesten Werk geht sie noch ein Stück weiter – in „Neuland“ erzählt von Kürthy über das Jahr ihrer „Selbstfindung“ und dabei scheut sie sich auch nicht, bittere Wahrheiten aufzudecken und schonungslos offen von ihren Fehlern, Gedanken und zum Teil auch Niederlagen zu erzählen.

Ein neues Jahr

Alles beginnt mit guten Neujahrsvorsätzen: Ein Jahr lang will Ildikó von Kürthy auf Alkohol, weißen Zucker, Kohlenhydrate nach 18 Uhr, neue Anziehsachen und Einkäufe bei Internetgroßhändlern verzichten und stattdessen einen schlanken Sommer erleben – als Blondine. Kurz: Sie will ihr Leben umkrempeln. Aber schon die Liste der radikalen Vorhaben macht deutlich, dass das gar nicht so einfach ist.

Am 2. Januar beginnt sie den Tag mit ihrer ersten Meditation (ein weiterer guter Vorsatz), doch die Entspannung will sich nicht so recht einstellen, stattdessen denkt sie an duftende Kipferl, die sie nun nicht mehr essen darf, an Bundespräsidenten, die unaufgeräumten Zimmer ihrer Söhne oder an ihre Wimpern. Aber auch andere Vorsätze lassen sich schwierig an, weißer Zucker lauert überall und wird etwas inkonsequent durch andere Arten von Zucker oder Süßstoffen ersetzt, und auf Partys verabschiedet sich die früher so lebenslustige Ildikó von Kürthy nun immer vollkommen nüchtern von Freunden, die ein Gläschen nach dem anderen leeren.

Schonungslos offen erzählt uns Ildikó von Kürthy, dass sie 10 kg zu viel am Leibe trägt und ihr Kleiderschrank voller Anziehsachen ist, in die sie vermutlich nie wieder reinschrumpfen wird. Sie gibt offen zu, dass sie allerhöchstens vier Sit ups schafft oder dass auch sie die berühmten 90 Zentimeter-Modelmaße besitzt – nur eben leider nicht an Brust und Hüfte.

Ja, was die lebenslustige Autorin uns hier schildet, ist einem selbst nicht unbekannt. Zwar ist sie noch ein paar Jährchen älter als ich selbst, aber auch mit Ende 30 kann man viele ihrer Gedanken nachvollziehen, kennt viele ihrer Probleme und hat auch selbst häufiger den Gedanken, ob man an seinem Leben etwas verändern sollte. Aber so radikal, wie Ildikó von Kürthy dies vorhat, möchte man es selbst vermutlich nicht haben.

Fast fasten

Zu ihrer Entschlackungskur gehört auch eine ganz richtige, und so gibt Ildikó von Kürthy für eine Fastenkur mehr Geld aus als andere für den Luxus-All-inclusive-Urlaub. Hier schlagen nämlich anderthalb Kartoffeln mit über 700 Euro zu Buche. Sie entschlackt, im Kloster schweigt sie und probiert sich an innerer Einkehr, später erlebt sie ein Survivaltraining mit Outdoorcamping (scheitert aber kläglich). Doch eines der größten Abenteuer dürfte wohl das Erblonden sind, das über mehrere Bleichvorgänge, zig Haarkuren und eine nervenaufreibende Haarverlängerung führt. Als langhaarige Blondine (inzwischen auch sichtlich erschlankt) zieht von Kürthy erstmals Männerblicke auf sich und fragt sich, wie viel Geld sie als Blondine hätte sparen können, schließlich hätte sie in der Disco ihre Getränke dann nicht selbst zahlen müssen.

Doch je weiter das Jahr voranschreitet, umso stärker werden ihre Zweifel, hat sie die richtigen Entscheidungen getroffen? Bedeuten all diese Einschränkungen den richtigen Weg? Und vor allem: Ist es IHR Weg? Ihr Fazit verrät Ildikó von Kürthy bereits auf dem Buchdeckel: „Wie ich mich selber suchte und jemand ganz anderen fand“…

Neues Land betreten

Schon seit ihrem Debütroman „Mondscheintarif“ zähle ich mich zu Ildikó von Kürthys treuen Fans. Ihren Büchern fiebere ich schon lange vor Erscheinungstermin ungeduldig entgegen, und sobald mich ihr neuestes Werk erreicht, lese ich es aus, bevor es noch den Duft neuer Bücher verlieren kann. Ja, ich bin süchtig nach ihren Büchern. Nicht ganz so glücklich war ich mit ihrem ersten „Sachbuch“ über ihre Schwangerschaft, weil sie dort Ansichten vertrat, die nicht die meinen waren. Doch mit „Neuland“ ist „meine“ Ildikó von Kürthy zurück: die lustige Autorin mit dem Wortwitz, die weibliche Schwächen und Fehler so sympathisch und herzerfrischend auf den Punkt bringt. Ich weiß gar nicht, wie oft ich beim Lesen ihres Buches herzhaft lachen musste, wie oft ich mich an mich selbst erinnert fühlte und wie oft die Autorin mich auch zum Nachdenken gebracht hat – sollte ich nicht auch meinen Kleiderschrank einmal radikal entmisten und mein Leben entrümpeln?

„Neuland“ ist etwas ganz Besonderes – ein kleiner Schatz in Buchform, der sich an eine ziemlich spezielle Zielgruppe wendet: Frauen zwischen Mitte 30 und Mitte 40, die den ersten Lebensabschnitt hinter sich haben, womöglich eine Familie gegründet und sich im eigenen Heim eingerichtet haben. Die schon etwas erreicht haben und sich fragen, ob das alles war oder ob es nicht an der Zeit wäre, andere Wege einzuschlagen. Genau diese Frauen werden sich hier wiedererkennen, mit Ildikó von Kürthy zusammen lachen, ihr vieles nachfühlen und mit ihr trauern, sie bedauern, sich am Ende aber auch mit ihr freuen, wenn sie IHREN Weg gefunden hat.

Seite für Seite präsentiert uns die talentierte Autorin ihren Wortwitz und ihr Talent, gerade peinliche Szenen in die größten Lacher zu verwandeln. Hat man in ihren anderen Büchern meist über (und mit) Romanfiguren gelacht, so verbündet man sich nun mit der Autorin selbst. Von mir kann es nichts anderes geben als volle fünf Sterne!

Gebundene Ausgabe: 400 Seiten
ISBN-13: 978-3805250863
www.rowohlt.de/verlage/wunderlich

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