Jackson, Shirley / Gruppe, Marc – Spuk in Hill House (Gruselkabinett 8 & 9)

_Ein Großvater unter den Geisterhäusern._

Shirley Jacksons „Spuk in Hill House“ hat seit seinem Erscheinen 1959 schon einige Wiedergeburten hinter sich gebracht, unter anderem die beiden Verfilmungen „Bis das Blut gefriert“ (1963) und „Das Geisterschloss“ (1999). 2005 also hat sich [Titania Medien]http://www.titania-medien.de/ des Klassikers angenommen und ihn auf zwei CDs in ein melancholisch düsteres Klanggewand gehüllt.

Seinen Klassiker-Status hat „Spuk in Hill House“ nicht umsonst, finden sich doch darin all die Elemente, die noch heutzutage mannigfaltig variiert werden, um dem Gruselsüchtigen eine viktorianische Gänsehaut zu verpassen; Jacksons Roman ist geradezu ein Archetyp der Geisterhaus-Geschichte:

Hill House ist ein uraltes Herrenhaus, in dem sich nachts niemand aufzuhalten wagt; selbst die beiden Haushälter Dudley kehren vor Anbruch der Dämmerung in den Ort zurück, um den Spukerscheinungen des Gemäuers nicht ausgesetzt zu sein.

Das ist für Dr. John Montague ein gefundenes Fressen. Der Professor der Philosophie und Anthropologie ist brennend an der Erforschung übernatürlicher Phänomene interessiert, er erhofft sich von der psychischen Aktivität des Hauses Ergebnisse, die seinen zweifelnden Kollegen das Hohnlachen vom Gesicht wischen sollen. Zu diesem Zweck hat er zwei Versuchspersonen um sich geschart, die mit ihm die Nächte in Hill House verbringen sollen: Theodora, eine quirlige Exzentrikerin, die in dem Ruf steht, telepathische Fähigkeiten zu haben, und Eleanor Vance, eine sensible junge Frau, die mit Poltergeist-Phänomenen in Verbindung gebracht wird.

Mrs. Gloria Sanderson, die aktuelle Eigentümerin von Hill House, zeigt sich mit dem Vorhaben von Dr. Montague einverstanden, knüpft allerdings die Bedingung daran, dass ihr Neffe Luke ebenfalls in die Forschergruppe aufgenommen wird. Ein charmanter Tunichtgut sei er, erklärt sie dem Doktor, der mit sinnvoller Beschäftigung von seinem Dandy-Dasein abgebracht werden soll.

Als dann die erste Nacht heranbricht, haben sich zwischen den Teilnehmern bereits sympathische Bande geknüpft und das ist auch gut so: Schon jetzt beginnt sich unheimliches Leben in dem Haus zu regen …

_Ein Hauch von Moder._

Eine solche Story klingt heutzutage natürlich etwas staubig, aber andererseits auch nostalgisch und charmant. „Spuk in Hill House“ ist eine Wanderung in die Tiefe: Je tiefer die Forschungsgruppe in die Vergangenheit des Hauses taucht, desto tiefer taucht der Zuhörer in die Vergangenheit der Figuren. Besonders die verletzliche Seele von Eleanor Vance arbeitet sich schärfer heraus, ebenso wie die düsteren Seiten ihrer selbst. Aber auch die Beziehungen der Figuren untereinander differenzieren sich aus, sie entwickeln eine eigene Dynamik, die von den Phänomenen in Hill House vorangetrieben werden.

Das ist dann auch der entscheidende Unterschied zu Jan de Bonds Interpretation „Das Geisterschloss“: Auch wenn sich die Verfilmung ziemlich nah am Original hält, stehen dort die Geistererscheinungen von Hill House im Mittelpunkt; die Quelle dieser Erscheinungen wird ergründet, während die Figuren zwar wichtig sind, aber bei weitem nicht den Stellenwert einnehmen, wie sie es in dieser Hörspiel-Adaption tun.
Aus diesem Gruselgeschichten-Blickwinkel mag der Zuhörer dann vielleicht etwas enttäuscht sein, denn wo „Das Geisterschloss“ den Erscheinungen Namen gibt, bleiben die Ursachen in dieser Version verborgen; der Hörer muss sich mit den Spekulationen begnügen, die sich die Forschungsgruppe erarbeitet.

Über das Finale möchte ich hier natürlich nicht allzu viele Worte verlieren, aber so viel sei gesagt: Von der abgerundeten Konstruktion der 1999er Verfilmung ist es weit entfernt. Ob das nun gut oder schlecht ist, muss der geneigte Hörer entscheiden, beide Versionen befriedigen, wie ich finde, nicht völlig.

_Ohrenkino der Oberliga._

Tontechnisch haben |Titania Medien| hier eine exzellente Leistung vollbracht. Die Musik und die Sounds sorgen für genau die Atmosphäre, die diese Geschichte braucht: ruhig, düster und melancholisch. Man kann das Holz und das Kaminfeuer fast riechen, ständig entstehen Bilder im Kopf und das Echo der Hill House´schen Hallen scheint sich bis ins Wohnzimmer auszubreiten. Wer sich nicht auf mein Wort verlassen möchte, mag sich auf die Homepage von |Titania| begeben, dort nämlich gibt es eine Hörprobe zum kostenlosen Download.

Auch die Wahl der Sprecher ist hervorragend: |Titania Medien| haben für ihre Hörspiele hauptsächlich illustre Stimmen verpflichtet und diese zudem perfekt auf die zu sprechenden Figuren ausgewählt: Da haben wir die freche und selbstbewusste Theodora (Arianne Borbach, u. a. Sprecherin für Catherine Zeta Jones), die schüchterne Eleanor (Evelyn Maron, die u. a. Kim Basinger ihr hauchendes Organ leiht), den sympathisch eloquenten Luke (David Nathan, u.a. Johnny Depp & Christian Bale) oder Dr. John Montague (Christian Rode, u. a. Sean Connery), dessen herrlich knorriges Organ den weisen Wissenschaftler gibt, wie ihn wohl kaum ein anderer hinbekommen hätte.

Zwar kommt, wie gesagt, die Story mit einem Hauch von Gilb und einem schwächelnden Finale daher, aber diese professionelle Produktion lässt einen darüber locker hinweghören. „Spuk in Hill House“ lädt einfach dazu ein, sich behaglich in den Sessel fallen zu lassen, um sich durch eine ruhig erzählte Geschichte tragen zu lassen. Ein wunderbares Mittel gegen die schon jetzt aufkeimenden Ausläufer der Winter-Depression, und ein passender Zeitvertreib für verregnete Abende.
Das „Grusel Kabinett“ von Titania sollte man jedenfalls weiterhin im Auge behalten!

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_Das |Gruselkabinett| auf |Buchwurm.info|:_

[„Carmilla, der Vampir“ 993 (Gruselkabinett 1)
[„Das Amulett der Mumie“ 1148 (Gruselkabinett 2)
[„Die Familie des Vampirs“ 1026 (Gruselkabinett 3)
[„Das Phantom der Oper“ 1798 (Gruselkabinett 4)
[„Die Unschuldsengel“ 1383 (Gruselkabinett 5)
[„Das verfluchte Haus“ 1810 (Gruselkabinett 6)
[„Die Totenbraut“ 1854 (Gruselkabinett 7)
[„Spuk in Hill House“ 1866 (Gruselkabinett 8 & 9)
[„Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ 2349 (Gruselkabinett 10)
[„Untergang des Hauses Usher“ 2347 (Gruselkabinett 11)
[„Frankenstein. Teil 1 von 2“ 2960 (Gruselkabinett 12)
[„Frankenstein. Teil 2 von 2“ 2965 (Gruselkabinett 13)
[„Frankenstein. Teil 1 und 2“ 3132 (Gruselkabinett 12 & 13)
[„Die Blutbaronin“ 3032 (Gruselkabinett 14)
[„Der Freischütz“ 3038 (Gruselkabinett 15)
[„Dracula“ 3489 (Gruselkabinett 16-19)
[„Der Werwolf“ 4316 (Gruselkabinett 20)
[„Der Hexenfluch“ 4332 (Gruselkabinett 21)
[„Der fliegende Holländer“ 4358 (Gruselkabinett 22)
[„Die Bilder der Ahnen“ 4366 (Gruselkabinett 23)
[„Der Fall Charles Dexter Ward“ 4851 (Gruselkabinett 24/25)
[„Die liebende Tote“ 5021 (Gruselkabinett 26)
[„Der Leichendieb“ 5166 (Gruselkabinett 27)