John Marrs – The One. Finde dein perfektes Match

Irr- und Abwege der Liebe im Internet

In der nahen Zukunft ist der Traum von der großen Liebe Wirklichkeit geworden. Dank der revolutionären Entschlüsselung eines bis dahin verborgenen genetischen Codes können die Menschen durch einen simplen Gentest ihren perfekten Partner finden. Das beschert der Welt Millionen glücklicher Paare und dem Online-Portal MatchyourDNA Milliarden auf dem Konto. Moment mal, Millionen glücklicher Paare? Nicht so ganz, denn auch Seelenverwandte haben Geheimnisse voreinander – und manche davon sind tödlicher als andere …(Verlagsinfo)

Der Roman ist inzwischen eine NETFLIX-Serie.

Der Autor

Der britische Autor John Marrs arbeitete über 20 Jahre lang für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften, u.a für den „Guardian online“. Mit dem Roman „The One“ gelang ihm in England der Durchbruch. Eine Verfilmung durch Netflix ist in Vorbereitung. Marrs lebt und arbeitet in London. Weitere Romane sind „The Passengers“ (2020) und „The Watchers“ (2021).

Handlung

Die nahe Zukunft in Großbritannien und anderswo. Seit kurzem ist es möglich, mithilfe eines DNS-Analyse den perfekten Partner zu finden. Anderthalb Menschen haben sich inzwischen bei MatchyourDNA testen lassen und suchen nun ihr perfektes Match. Die Adresse und sonstigen Daten kosten nur schlappe zehn Pfund. Allerdings hält die Suche nach Mister oder Miss Right einige Überraschungen bereit.

Jade und Kevin

Jade beispielsweise hat sich von ihren Freundinnen breitschlagen lassen, ihren Mr. Right ohne Vorwarnung persönlich zu besuchen – in Australien. Dafür hat zwar ihre Kreditkarte dran glauben müssen, aber wenigstens steht sie nun vor dem Outback-Farmhaus ihres Internetschwarms Kevin. Sicherheitshalber ruft sie ihn erstmal an.

Kevin meldet sich zwar wie gewohnt, sagt ihr aber, dass sie nicht hätte herkommen sollen. Das klingt nicht nach dem netten Kevin, den sie gewohnt ist. Frustriert fährt sie weg, nennt sich selbst eine dumme Gans und kehrt zur Farm zurück: Alles ist verdächtig still. Und der Typ, der ihr schließlich die Haustür öffnet, ist garantiert nicht Kevin. Was, zum Geier, ist hier los?

Sally und Nick

Nick und Sally sind seit drei Jahren zusammen und denken ans Heiraten, denn es hat ja bislang alles gut geklappt. Da kommt Sally auf die Schnapsidee, mal MatchyourDNA zu testen – für Nick. Nick macht gute Miene zum bösen Spiel und reicht eine Speichelprobe ein. Doch was er zu sehen bekommt, ist alles andere als sein „perfektes Match“: Es ist ein Mann aus Birmingham, der Physiotherapeut Alexander Landers Carmichael, 35. Wow, Nick ist also schwul! Nick findet das überhaupt nicht witzig.

Trotzdem lässt es Nick auf eine Begegnung mit Alex ankommen, nur um der Angabe des Dienstleisters auf den Grund zu gehen. Alles läuft ganz normal und nicht passiert, bis sich Nick sich zum Abschied noch einmal umdreht und dann wie elektrisiert zusammenfährt: Alex ist der für ihn bestimmte Partner – in jeder Hinsicht. Wie Sally wohl darauf reagieren wird?

Mandy und Richard

Mandy ist hingerissen von den Fotos, die Richard, ihr Match, auf Facebook eingestellt hat: so sexy! Nachdem sie ihre Hormone wieder unter Kontrolle gebracht hat, scrollt sie mutig als „Freund“ durch seine Messages. Sonderbar: Sie werden von Richards Schwester Chloe geschrieben. Und ganz am Schluss steht da was von „Gedenkgottesdienst“. Was zum Teufel?

Als Mandy uneingeladen zum Ort dieses Gedenkgottesdienstes fährt, erfährt sie, dass Richard erst vor kurzem bei einem Autounfall ums Leben gekommen sei. Eine Welt bricht zusammen. Sie gesellt sich uneingeladen zum Leichenschmaus und verbreitet Lügengeschichten über sich und Richard – bis Chloe sie zur Rede stellt. Sobald Mandy zerknirscht die karten auf den Tisch gelegt hat, wird sie auch von Chloes und Richards Mutter Patricia begrüßt.

Und die hat eine ganz spezielle Bitte an Mandy: Sie wünscht sich so sehnlich einen Enkel, und da Richards Sperma in der Samenbank eingefroren ist, könnte sie sich vorstellen, dass Mandy Richards Baby bekommt. Weil Mandy schon zwei Fehlgeburten hatte, sich aber ebenfalls ein Kind wünscht, lässt sie sich auf das Angebot ein. Doch kurz vor dem Ende ihrer Schwangerschaft, lernt sie Richards ANDERE Freundin Michelle kennen. Was die erzählt, lässt Mandy aus allen Wolken fallen…

Christopher und Amy

Leute auszuspionieren, ihre Gewohnheiten herauszufinden und sie dann abzupassen, ist mit modernen Handys ein Kinderspiel. Bereits einige Male hat Christopher zugeschlagen, so dass die Boulevardpresse ein großes Gezeter anstimmt. Macht nichts, denkt er: Ihr werdet mich nie finden, bis ich meine Quote von 30 Opfern erreicht habe.

Er nutzt nicht einmal MatchyourDNA, um sein nächstes Opfer auszuspähen und sich auf ein Date mit ihr zu treffen. Es kostet ihn starke Nerven, als sie enthüllt, dass sie Polizistin ist und ihn ziemlich genau durchschaut hat. Es kostet ihn einige Tropfen Schweiß zu überlegen, was darauf die angemessene Reaktion wäre. Er tut sie so, als wäre sie sein Match. Womit er nicht gerechnet hat, ist die Erkenntnis, dass er sich in Amy verliebt hat…

Ellie und Tim

Ellie ist Milliardärin, denn sie hat MatchYourDNA erfunden und zu einem Weltkonzern aufgebaut. Weil sie schlechte Erfahrungen mit Verehrern gemacht hat, lässt sie sich stets von ihrem Bodyguard Andrej und seinem Team bewachen. Als sie Kontakt zu ihrem eigenen Match Tim Leighton Buzzard aufnimmt, glaubt sie schon gar nicht mehr an die Liebe, doch Tim kann sie eines Besseren belehren. Eines Tages macht er ihr einen Heiratsantrag, und sie schwebt im siebten Himmel. Wr hätte das gedacht!

Doch sie lässt Tims Hintergrund routinemäßig durchchecken, und plötzlich meint ihre Personalchefin: „An Matthew Ward kann ich mich erinnern – und an seine merkwürdige Mutter.“ Ein falscher Name und dann noch eine wiederauferstandene Mutter? Dann ist dann doch etwas zuviel für die misstrauische Ellie. Als sie versucht, ihn aus ihrem Leben wieder auszuschließen, muss sie feststellen, dass er ihren Chef-Account dazu benutzt hat, ihre gesamte Firma zu infiltrieren, denn er ist ja IT-Experte. Hilflos muss sie mitansehen, wie er ihre – auch die gemeinsame – Zukunft zerstört und dann zum Gegenschlag ausholt. Höchste Zeit, Andrej einzuschalten…

Mein Eindruck

Schöne neue Welt des Internets und der „sozialen“ Medien und Netzwerke! Sie bringen jede Menge Menschen zusammen, doch wenn dann die virtuelle auf die reale Welt trifft, erweist sich das Web allzu häufig als Fake-Show, eine hohle Fassade, die ein Lügengebäude nach dem anderen enthüllt. Nicht immer verfährt der Autor mit seinen Figuren so schonend wie mit Jade oder Mandy, die doch immerhin halbwegs eine Zukunft genießen können. Etwas bizarrer fällt die Zukunft für Nick aus, der kurzerhand von Sally hinausgeworfen wird, da er ja nun offensichtlich schwul ist. Sie greift zu weiteren drastischen Maßnahmen…

Die Liebe eines Mörders

Schön spannend und höchst makaber entwickelt sich die Liebesgeschichte zwischen Christopher, dem Mörder, und Amy, der Polizistin. Wird sie ihm demnächst auf die Schliche kommen, lautet die Frage. Allerdings strapaziert der Autor die Gutgläubigkeit des Lesers gehörig, als Amy in Christophers Bibliothek reihenweise Bücher über die hohe Kunst des Serienmordes entdeckt und sich nichts Böses dabei denkt. Als sie dann auf die bittere Wahrheit stößt – der Schlüssel zu seinem Geheimnis war natürlich à la Poe in seiner Bibliothek versteckt – schreitet sie bis zur letzten Konsequenz zur Tat. Gerechtigkeit oder Liebe – sie muss sich entscheiden.

Ellie

Ellie, die Firmengründerin von MatchYourDNA, ist das genaue Gegenteil von Amy: sehr misstrauisch gegenüber ihrem vermeintlichen Match Tim, dem angeblich elternlosen IT-Experten. Anhand Ellies Untergang demonstriert der Autor, wie das Internet und verschiedene clevere Endgeräte dazu verwendet werden können, eine Firma zugrundezurichten. Das Motiv ist Rache bzw. Vergeltung.

Die Frage ist, wo in Wahrheit die Schuld liegt. Darf Tim alias Matthew Ward solchen Schaden anrichten? Er hat zwei Millionen Matches durcheinandergebracht, so dass es nun Fake-Matches gibt. Der Imageschaden, den Ellie erleidet, ist nichts im Vergleich mit dem Schaden den gutgläubige Kunden von MatchYourDNA erlitten haben. Hier hebt der Autor den Zeigefinger und mahnt etwas mehr Sorgfalt bei der Datenverwaltung an. Dass dies nichts hilft, belegt jeder neue Tag, an dem ein weiterer Mega-Datendiebstahl publik wird.

Sachkenntnis

Beeindruckt hat mich immer wieder die an den Tag gelegte Sachkenntnis. Wo andere AutorInnen halt machen, da geht der Autor noch einen Schritt weiter: Wie sich eine hochschwangere Frau wie Mandy fühlt, die eine weitere Fehlgeburt fürchtet. Wie ein IT-Experte nur wenig Mühe hat, ein ganzes Unternehmen zu infiltrieren und zu Fall zu bringen. Wie ein Serienmörder vorgeht, um seine jungen weibliche Opfer zu finden, zu stellen und zu beseitigen. Und wie es ist, mit einem schwulen Mann Liebe zu machen.

Das Konzept hinter MatchYourDNA ist kein Kokolores, sondern lässt sich von jedem anhand der Pheromone, die sein Partner oder gegenüber ständig verströmt, nachprüfen und nachvollziehen. Diese Duftstoffe sorgen für den Einschlag von „Amors Flammenpfeil“. Und sowiet bekannt haben besonders Frauen ein spezielles Organ in der Nase, das Jacobsonsche Organ, um zu erschnuppern, ob das Gegenüber die passenden Pheromone verströmt. Nur wenn sich diese von den eigenen genügend unterscheiden, erscheinen sie attraktiv. So sorgt Mutter Natur dafür, dass stets für eine ausreichende Durchmischung von Genen gesorgt ist – und dass Mänlein und Weiblein ständig fremdgehen.

In der Danksagung schickt der Autor entsprechende Grüße an ein Dutzend Leute, die das Manuskript geprüft, auf Plausibilität und Korrektheit abgeklopft und schließlich wieder in die Autorenwerkstatt geschickt haben. So arbeiten Profis, und der Journalist John Marrs ist zweifelloser ein kompetenter Profi.

Die Übersetzung

Die Übersetzung ist ausgezeichnet und stilistisch auf der Höhe der Zeit.

S. 101: „Gaffer-Tape“: Dieser englische Ausdruck wurde unerklärt eins-zu-eins übernommen. Es handelt sich wohl um sehr stabiles Isolierband.

S. 416: „…sahen zu, wie der Tag, an dem Alex aus Nicks Leben [enden] würde, immer näher rückte.“ Korrekt wäre nicht das Verb „enden“, sondern „scheiden“.

Unterm Strich

Ich habe nur wenige Wochen für das relativ umfangreiche Buch gebraucht. Aber ab der Hälfte beschleunigte sich mein Lesetempo merklich, denn das Schicksal der verschiedenen nimmt eine um die andere ziemlich schräge Wendung. Weil die 103 Kapitel alle ziemlich kurz sind, kommt es naturgemäß zu zahlreichen Cliffhangern. Der leser muss einfach weiterblättern, um herauszufinden, welche bizarre Wendung diese oder jene Figur als nächstes erlebt.

Die wichtigsten, aber unsympathischsten Figuren sind zweifellos Ellie, die Firmengründerin, und Christopher, der Serienmörder. Ihr Schicksal nimmt schließlich eine sehr gewalttätige Wendung, die man nicht jedem jugendlichen Leser zumuten möchte. Auf eine sehr ironische Weise erreicht Christopher seine Mordquote von dreißig, und Ellie legt die emotionalen Anlagen an den Tag, ebenfalls eine Mordserie zu starten.

Somit kommen mit diesen Schicksalsgeschichten nicht nur romantische Gemüter auf ihre Kosten, sondern auch solche, die mehr auf Spannung und Action Wert legen. Dass der Autor ein oder zwei Botschaften transportiert, während er den Leser nach besten Möglichkeiten in 103 Kapiteln unterhält, ist als seine Aufgabe anzusehen. Und diese Botschaften entdeckt man, wenn man zwischen den Zeilen liest. Kein Wunder, dass der Roman mittlerweile in der vierten Auflage gedruckt worden ist. Die Botschaft ist offenbar vernommen worden, aber die Unterhaltung, soviel ist klar, ist auch solide herbeigezaubert.

Taschenbuch: 496 Seiten
Originaltitel: The One, 2016
Aus dem Englischen von Felix Mayer.
ISBN-13: 9783453320611

www.heyne.de

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