Kim Faber & Janni Pedersen – Winterland: Ein Fall für Juncker und Kristiansen (Juncker & Kristiansen, Band 1)

Terroristenhatz in der dänischen Provinz

Ein schrecklicher Mord erschüttert die verschlafene dänische Provinzstadt Sandsted: Ein Mann wird brutal erschlagen aufgefunden, seine Ehefrau ist verschwunden. Keiner hat etwas gesehen, es gibt keine Spuren, kein ersichtliches Motiv.

Martin Juncker, einer der besten Mordermittler Dänemarks, übernimmt den Fall. Wegen eines verhängnisvollen Fehlers aus Kopenhagen nach Sandsted versetzt, leitet er dort die kleine Polizeistation und kümmert sich darüber hinaus noch um seinen dementen Vater. Ein eher beschauliches Leben. Bis zu dem spektakulären Mordfall.

Junckers ehemalige Kollegin Signe Kristiansen arbeitet noch immer in Kopenhagen. Sie freut sich auf ein beschauliches Weihnachtsfest mit der Familie, als eine Bombe auf dem Weihnachtsmarkt in der Innenstadt explodiert. Signe steht an der Spitze der Jagd auf die Täter, doch alle Spuren verlaufen im Sand – bis ein anonymer Tipp den Fall in eine Richtung lenkt, die ihre schlimmsten Befürchtungen übersteigt. (Verlagsinfo)

Die Autoren

Kim Faber ist Architekt und Journalist bei »Politiken«, einer der größten dänischen Tageszeitungen.

Zusammen mit seiner Frau, der Journalistin Janni Pedersen, schrieb Kim Faber mit »Winterland« einen explosiven und packenden Kriminalroman über Terror, Gewalt, Trauer und Einsamkeit. Das Erstlingswerk des Autorenehepaars ist der Auftakt der Reihe um das dänische Ermittlerduo Martin Juncker und Signe Kristiansen, gefolgt von den Romanen »Todland« und »Blutland«, die ebenfalls die dänische Bestsellerliste im Sturm eroberten.

Janni Pedersen ist Moderatorin und Kriminalreporterin bei TV2, einem der meistgesehenen Fernsehsender Dänemarks. 2018 wurde sie als beste Nachrichtensprecherin des Jahres ausgezeichnet.

Zusammen mit ihrem Mann, dem Journalistin Kim Faber, schrieb Janni Pedersen mit »Winterland« einen explosiven und packenden Kriminalroman über Terror, Gewalt, Trauer und Einsamkeit. Das Erstlingswerk des Autorenehepaars ist der Auftakt der Reihe um das dänische Ermittlerduo Martin Juncker und Signe Kristiansen, gefolgt von den Romanen »Todland« und »Blutland«, die ebenfalls die dänische Bestsellerliste im Sturm eroberten.

Die Trilogie

1) Winterland
2) Todland
3) Blutland

Handlung

Kopenhagen

Signe Kristiansen von der Mordkommission Kopenhagen wird von ihrem Chef Erik Merlin in die Innenstadt der Hauptstadt gerufen. Dort soll eine Bombe explodiert sein. Signe weiß, dass sich ihre Schwester dort aufhält. Auf der Suche nach ihr besucht sie den Ort des Anschlags: Selbst nach dem Abtransport aller Opfer sieht der Weihnachtsmarkt aus wie ein blutiges Schlachtfeld.

Der Marktplatz liegt allerdings direkt vor dem Gerichtsgebäude, in dem zur Tatzeit eine Verhandlung gegen jene Bandenmitglieder stattfand, die die Kripo tags zuvor festgenommen hatte. Die Frage ist also: War das wirklich ein Akt des Terrorismus oder eine Eskalation des Bandenkriegs? Signe trifft einen Imam, und der vermittelt im muslimischen Problemviertel Mölnerparken in der Hauptstadt, um beispielsweise „Ehrenverbrechen“ vorzubeugen.

Der gesamte Komplex ist videoüberwacht, was sich als Glücksfall erweist. Signe bekommt vom Imam und aus der Videoauswertung einen Hinweis. Aber hat Fadi wirklich nur Blumenerde und Putzmittel gekauft – oder doch Aceton und Wasserstoffperoxid, also Stoffe, die man für den Bombenbau braucht? Erst am Abend bekommt Signe den erleichternden Anruf von ihrer Schwester: Ihre Familie sei wohlauf.

Dennoch bleibt eine quälende Frage, die keiner auch nur hören will: Wenn die Bombe von einem Lieferwagen direkt an einem der Stände des Weihnachtsmarkts abgestellt wurde, warum hat dann kein einziger der am Gerichtsgebäude so zahlreich postierten Polizisten mal nach hinten gesehen, um den Markt im Auge zu behalten? Schon der Zweifel an den braven Cops bringt Signe einen unfreiwilligen Urlaub daheim ein. Ihr Mann freut sich, auch wenn sie nicht mehr mit ihm schläft. Seitdem ein Kollege sie vergewaltigte, empfindet sie libidomäßig nichts mehr.

Sandsted

Martin „Juncker“ Junckersen, vormals Signes Mentor bei der Polizei, arbeitet jetzt als Ermittler für die Polizeistation des Provinzkaffs Sandsted. Es ist seine Heimatstadt, und hier wohnt noch sein Vater. Juncker ist nach einer Affäre mit der Strafverteidiger Rebecca Otzen, die anonym publik gemacht wurde, strafversetzt worden, obwohl er der beste Mordermittler des Landes ist. Aber nun hat er endlich Gelegenheit, sich um seinen dementen Vater zu kümmern, der eigentlich in ein Pflegeheim gehört, weil er unter Demenz leidet.

Frischlinge

Mit dem jütländischen Riesen Kristoffer Kirch und der relativ kleinen Nabiha palästinensischer Herkunft bekommt Juncker zwei Auszubildende zugeteilt. Nabiha Khalid, die aus dem Orientalenghetto Mölnerparken von Kopenhagen stammt, stellt sich gleich beim ersten Exkurs als großer Aktivposten heraus: Im Flüchtlings- bzw. Asylantenheim von Sandsted soll es die Vergewaltigung einer 17-jährigen Einheimischen gegeben haben. Zwei Minderjährige sind verdächtig, aber es steht Wort gegen Wort und Beweise fehlen. Nabiha zeigt den Syrern, Libanesen und Tunesiern, wer hier das Sagen hat. Sie erkennt jede obszöne arabische Geste, im Gegensatz zu Kristoffer, obwohl der angeblich 2011 in Afghanistan kämpfte.

Die Leiche

Ein Hilfsersuchen kommt von der Zentrale: Sie sollen mal nachschauen, warum draußen am Stadtrand die Hunde dauernd heulen. Draußen am Waldrand angekommen, erspähen sie auf einem Gehöft tatsächlich zwei Dobermänner in deren Zwinger, aber von Menschen keine Spur. Die Nachbarin, die das gemeldet hat, lässt sich auch nicht blicken. Es ist Juncker, der die Leiche eines Mannes findet, der hier gewohnt hat. Bent Larsen wurde der Schädel eingeschlagen, während er an einen Stuhl gefesselt war. Von seiner Ehefrau Annette fehlt jede Spur. Die Hunde sind am Verhungern, was die Vermutung nahelegt, dass der Mord bereits vor drei oder vier Tagen stattfand.

Leiche Nr. 2

Auf jeden Fall braucht Juncker, der auf Bitten der Zentrale die Ermittlung übernehmen soll, jetzt die professionelle Spurensicherung und den Rechtsmediziner Markman. Der ist ein alter Bekannter. Für ihn sieht der Tod Larsens durch ein Wasserrohr fast wie eine Hinrichtung aus, jedenfalls nicht wie eine Tat im Affekt. Tags darauf findet die Streifenpolizei den verschwundenen Wagen, und in dessen Kofferraum wird Juncker fündig: Annette Larsen liegt gefesselt und mit beinahe unkenntlich gemachtem Gesicht mausetot im Auto. Damit ist die Zahl der Verdächtigen im Fall Larsen auf exakt null gesunken.

Von seinem Nachbarn, dem Dorflehrer Jens Rasmussen, einem Stadtrat der Dänischen Volkspartei, erfährt Juncker, dass Bent Larsen vor einiger Zeit aus der nationalistischen DVP ausgeschlossen worden sei, weil seine Ansichten viel zu rechtsradikal war. Larsen verlangte sogar ethnische Säuberung, er war der reinste Nazi. Rasmussens Tochter ist hingegen mit einem iranischen Flüchtling verheiratet, der als Ingenieur arbeitet und der ihm seinen ersten Enkel geschenkt hat. Juncker ist erstaunt: Rasmussen ist ein Nationalist, der Iraner mag.

Der Brand

Am nächsten Tag brennt das Asylantenheim, aber nur der Flügel, in dem sich der Tunesier und zwei andere befanden. Juncker setzt Nabiha drauf an, doch von Kristoffer bekommt er – widerwillig – brisante Infos: Der Ex-Soldat hat einen jungen Afghanen in das Heim gehen sehen. Und er hatte ihn als Sohn eines Stammesfürsten mit Verbindungen zu den Taliban erkannt, den er und seine Truppe in Afghanistan ausgeflogen hatten, damit sein von einer Mine zerfetztes Bein behandelt werden konnte. Aber was will ein den Taliban nahestehender Afghanistan mitten in der dänischen Provinz, fragt sich Juncker. Er glaubt nicht an Zufälle.

Sichtung

Der Geheimdienst PET informiert Signe, dass auf den Ü-Videos der Innenstadt ein alter Bekannter erkannt worden sei: Simon Spangstrup, ein ehemaliger IS-Kämpfer, betritt eine Moschee. Er weiß genau, wo die Ü-Kamera montiert ist, und zeigt ihr den islamischen Zeigefinger (anstelle des westlichen Stinkefingers). Signe ist bestürzt: Der Typ ist schon mindestens eine Woche im Land! Ist er auch der Bombenleger vom Marktplatz? Da fällt Signe ein, dass ein solcher Kapuzenmann ihre Tochter Anna angesprochen hat: Anna solle ihr, Signe, einen schönen Gruß ausrichten.

Als Signe wieder den muslimischen Imam trifft, erzählt er ihr, dass er Spangstrup gekannt hat. Der ließ sich damals in Kopenhagen und vor allem in London von einem Hassprediger radikalisieren und ging in den Irak oder nach Syrien. Offenbar ist er jetzt zurück und fährt den Wagen der Witwe seines Anwerbers. Signes Chef Erik Merlin entscheidet, Spangstrup suchen zu lassen. Die erste Anlaufstelle ist natürlich die Wohnung von Spangstrups Frau im gleichen Stadtteil Nörrebro, wo auch der Imam sein geistliches Werk verrichtet. Bei der Beschattung merkt Signe schnell, dass die Witwe selbst beschattet wird – und sich mit dem Imam trifft.

Eine Mitarbeiterin des PET entdeckt auf den Ü-Videos von der Autobahn das Auto, das Spangstrup und Co. nach dem Anschlag benutzt haben, doch diesmal überspringt sie eine Lücke in der Kette der Kameras und stößt auf diejenige Autobahnausfahrt, die Spangstrup damals genommen hat: Es ist die Ausfahrt, die nach Sandsted führt…

Mein Eindruck

Was also zunächst nach zwei getrennten Ermittlungen aussieht, bekommt etwa bei Seite 360 die überfällige Verbindung: „Sandsted? Heilige Scheiße, da war doch was…“, murmelt Signe: In Sandsted befindet sich Juncker – und die Terroristen um Spangstrup. Folgerichtig findet in Sandsted der Showdown statt. Aber so einfach darf die Handlung nicht endet. Die Autoren fahren einen ausgewachsenen Schneesturm auf, der das Durchkommen erschwert und erklärt, warum keine Verstärkung aus der Hauptstadt kommt. Jedenfalls nicht rechtzeitig, um eine kitzlige Lage zu verhindern. Um Haaresbreite stirbt Signe den Heldinnentod.

Aber diese fesselnde Szene ist auch Anlass, gehörig an der Plausibilität des Geschehens zu zweifeln. Spangstrup hat sich Signe geschnappt. Doch mit einem Kunstschuss, der eines Wilhelm Tell würdig gewesen wäre, streckt ein Polizist Spangstrup nieder. Wie ihm dieser Treffer mitten im Schneegestöber gelingen konnte, ist mir ein Rätsel. Signe hat indes ein ganz anderes Problem: Nun verdankt sie ausgerechnet ihrem Vergewaltiger ihr Leben. Sie ist wie zerrissen.

Terrorismus

Den Autorengespann gelingt, die Empathie des Lesers zu erlangen, indem es die Lebensumstände und Seelenlagen der beiden Hauptfiguren Juncker und Signe Kristiansen auslotet, ausbreitet und einer kritischen Entscheidung zuführt. Das Finale wird doppelt herbeigeführt, einmal für Signe, einmal für Juncker. Dies alles erfolgt vor dem leider sehr plausibel gewordenen Terroranschlag in Kopenhagen. Parallelen zu den Anschlägen in Oslo (Brejvik), Paris (Club Bataclan etc.) und Stockholm (Fußgängerzone) werden mit Fug und Recht herbeizitiert.

Rassismus

Gegen die vielen Migranten alias Flüchtlinge, die nach dem Arabischen Frühling 2010/11 nach Dänemark eingewandert sind, hat sich sofort nationalistischer Widerstand formiert. Das ist ja in deutschen Landen nicht anders. Die Autoren verstehen es, sowohl die muslimische Bevölkerung in Kopenhagen und Sandsted, als auch die Nationalisten an beiden Orten eingehend zu schildern. Dass Sandsted zunächst unbedeutend wirkt, liegt nur an seinem Dorfcharakter. Das macht die Bedrohung durch Rassistenten wie Bent Larsen und IS-terroristen wie Spangstrup nicht weniger relevant.

Eine eingehendere Schilderung von nationalistischen Terroristen findet man in Pascal Engmans Thriller „Der Patriot“ (siehe meinen Bericht).

Der Maulwurf

Dass die Mordkommission unter Erik Winter, allerdings von einem Maulwurf unterwandert sein muss, wird zunehmend deutlicher. Wer könnte es sein, fragt sich nicht nur Signe Kristiansen. Ihr Chef Erik Winter wendet sich bei rätselhaften Fragen immer von ihr und dem großen Außenfenster zu. Will er sein gesicht verbergen oder noch etwas anderes? Am Schluss dieses Auftaktbandes ist jedenfalls klar, dass Signe und Juncker noch einiges aufzuarbeiten haben, bevor nichts mehr „faul im Staate Dänemark“ ist.

Die Übersetzung

S. 49: „die Pflastersteine sind wie Duploklötze herausgerissen“: Wohl eher wie Legosteine.

S. 110: „von Porträts der Opfern“: Das letzte N ist überflüssig.

S. 177: „aber sie [hat] keine Lust…“: Das Wörtchen „hat“ ist hier nicht ganz unwichtig, glänzt aber durch Abwesenheit.

S. 226: „ein afrikanischer Elefantenbüffel“: Entweder ist ein Büffel oder ein Elefant gemeint, aber nicht beides. Elefantenbüffel gibt es meines Wissens nicht. Vermutlich sollte es besser „Elefantenbulle“ heißen.

S. 239: Hier wurde bei der Korrektur verschlimmbessert: „oder ob sie [die] ernsthaft die Absicht haben…“: Am besten streicht man das erste Wörtchen „die“.

S. 479: „das Eisen aus dem Feuer holen lassen sollen“. Im Deutschen lautet die Redewendung „die KASTANIEN aus dem Feuer holen“.

S. 577: „Haben Sie von dir auch verlangt, das Handy abzugeben? Und den Pin?“ Mit „Pin“ ist keine Nadel oder Stift gemeint, sondern „die PIN“, also die Personal Identification Number“.

Unterm Strich

Dies ist der Auftaktband zu einer dänischen Kripo-Trilogie. Sie ist meist plausibel, spannend und anrührend erzählt, so dass der Leser, wenn er sich auf die Schilderung einlässt – was beileibe nicht bei jedem der Fall ist – gut unterhalten wird. Die Themen Terrorismus, Rassismus, sexuelle Gewalt und Altersdemenz werden verwendet, um eine unsichere Situation im Übergang zu schildern. Verunsicherung, Angst und Gewalt herrschen vor, doch es gibt auch Lichtblicke.

Der muslimische Imam in Kopenhagen versorgt Signe mit Informationen aus der muslimischen Community, und eine muslimische Polizistin liefert Juncker in Sandsted wertvolle Einblicke. Ihr neuer Kollege Kristoffer macht einen Fehler, indem er seine Erkenntnis nicht sofort weitergibt, und zahlt dafür einen hohen Preis. Die Botschaft ist klar: Nur Vertrauen und Zusammenarbeit können den allgemeinen Zusammenbruch durch Chaos und gewalt, also Terror, aufhalten.

Das ist eine sympathische Botschaft, der man sich gerne anschließt. Allerdings haben auch die „Guten“ in der Polizeitruppe einen Verräter in den eigenen Reihen. Einen abtrünnigen Geheimdienstler, der sich an Signe gewandt hat, ereilt die Strafe auf dem Fuß. Wie lange hat Signe noch zu leben? Die Antwort erhalten wir hoffentlich schon im Folgeband „Todland“.

Taschenbuch: 560 Seiten
Originaltitel: Vinterland,
Aus dem Dänischen von Franziska Hüther.
ISBN-13: 9783764507244

https://www.penguinrandomhouse.de/Verlag/Blanvalet/1000.rhd

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