Åsa Larsson – Der schwarze Steg

Mit ihren bisherigen beiden Krimis hat die Schwedin Åsa Larsson ein wirklich gutes Händchen bewiesen. Für ihr Debüt „Sonnensturm“ gab es 2003 den Preis als bestes schwedisches Krimidebüt. Für den Nachfolger „Weiße Nacht“  bekam sie den Schwedischen Krimipreis 2004. Dass man von ihrem dritten Roman „Der schwarze Steg“ folgerichtig einiges erwarten darf, liegt somit auf der Hand.

Wie schon die beiden Vorgängerromane dreht sich auch „Der schwarze Steg“ um die Erlebnisse der eigensinnigen Rechtsanwältin Rebecka Martinsson. In den ersten beiden Romanen hatte sie einiges einzustecken, wurde unfreiwillig in Kriminalfälle verwickelt, die ihre Psyche nachhaltig aus dem Gleichgewicht gebracht haben. Und so hat Rebecka erst einmal eine ganze Menge zu verdauen. Sie ist inzwischen zurück nach Kiruna gezogen und hat ihre Arbeit als Wirtschaftsanwältin bei einer renommierten Stockholmer Kanzlei an den Nagel gehängt.

Stattdessen versucht sie als Stellvertretende Staatsanwältin in Kiruna den Weg zurück in ein alltägliches Leben zu finden, während sie allein im abgeschiedenen Haus ihrer verstorbenen Großmutter lebt. Ihr neues Leben läuft ruhig und beschaulich ab. Sie stürzt sich in die Arbeit, während ihr Privatleben, milde formuliert, auf Sparflamme brennt. Doch mit der Ruhe ist es vorbei, als ganz in der Nähe eine Frauenleiche gefunden wird. Die Tote ist Inna Wattrang, eine der leitenden Angestellten von Kallis Mining, einer ortsansässigen Grubengesellschaft, die vor allem international operiert.

Da niemand zu sagen vermag, ob Inna Wattrang Opfer eines Beziehungsdramas wurde oder ob ihr Tod etwas mit ihrem Posten bei Kallis Mining zu tun hat, ermitteln die Kommissare Anna-Maria Mella und Sven-Erik Stålnacke in alle Richtungen. Oberstaatsanwalt Alf Björnfot zieht auch schon bald Wirtschaftsexpertin Rebecka Martinsson zu den Ermittlungen hinzu, damit sie die Geschäfte von Kallis Mining einmal genau unter die Lupe nimmt.

Mauri Kallis ist mit seiner Grubengesellschaft dank seines guten Händchens im Spekulieren schnell zu internationalem Ruhm gekommen. Bei einem Projekt von Kallis Mining in Uganda deuten sich bei den Ermittlungen einige dubiose Verwicklungen an, die auch mit politischen Ränkespielen und Insiderhandel einherzugehen scheinen. Musste Inna Wattrang deswegen sterben?

Auch mit ihrem dritten Krimi bleibt Åsa Larsson ihrem Stil treu. Wieder einmal zeichnet sich ihr Roman durch eine subtile Spannung, einfühlsam skizzierte Figuren und eine wunderbare, ebenso klare wie eindringliche Sprache aus. Wieder agieren Figuren im Mittelpunkt, die man schon in den ersten beiden Romanen ins Herz geschlossen hat, insbesondere Rebecka Martinsson und Anna-Maria Mella. Rebecka ist nun ganz offiziell Teil der Ermittlungen, tritt dabei aber im Laufe des Falls etwas in den Hintergrund. Im Finale ist es dann eher Anna-Maria Mella, die im Mittelpunkt der Handlung steht.

Gerade als Hörbuch ist dieser Larsson-Roman etwas gewöhnungsbedürftig. Åsa Larsson hat auch in den beiden Vorgängerromanen schon sehr viel Gewicht auf die Figurenskizzierung gelegt und die Protagonisten mit all ihren Facetten dargestellt. Das ist auch diesmal wieder der Fall, und dafür durchkämmt sie in zahlreichen Rückblenden immer wieder die Vergangenheit ihrer Figuren, teils bis in Kindheits- und Jugendtage. Zusammen mit den häufigen Perspektivenwechsel macht das gerade den Hörbuchgenuss etwas gewöhnungsbedürftig. Man braucht eine ganze Weile, bis man so richtig in den Plot eintauchen kann, bis man erfasst hat, worauf das Ganze überhaupt hinauszulaufen scheint.

Viel Spannung wird in diesen Rückblenden nicht aufgebaut. Es stehen eben die Figuren und ihre Verknüpfungen untereinander im Mittelpunkt. Fast unmerklich beginnt Åsa Larsson dann im Laufe der Geschichte an der Spannungsschraube zu drehen. Plötzlich offenbart sich ein spannender Kriminalfall, der noch Deutungen in unterschiedliche Richtungen zulässt. Doch ganz langsam nähern sich die Ermittler der Wahrheit, und als sich diese ihnen dann im vollen Umfang präsentiert, gipfelt die Geschichte noch in einen höchst spannenden Showdown.

Åsa Larsson hat ein Talent dafür, den Leser, ohne dass er es großartig merkt, um den Finger zu wickeln. Auch in „Der schwarze Steg“ spielt sie dieses Talent wieder aus und liefert dabei wieder einmal einen beeindruckend vielschichtigen und tiefsinnigen Krimi ab. Larssons Krimis sind auch immer in gewissem Umfang Spiegel der Gesellschaft. Gekonnt zeigt Åsa Larsson menschliche Abgründe auf. Sie schaut hinter die Fassaden und vermittelt das Bild, das sich dort abzeichnet, dank ihrer klaren, fast schon kühlen, aber stets überaus treffenden Sprache, eindrucksvoll und plastisch.

Ein wenig erinnern die Krimis von Åsa Larsson an jene von Camilla Läckberg. Auch sie ist eine Meisterin eindrucksvoller Figurenskizzierungen, zeichnet düstere menschliche Abgründe und verpackt dies in einem Plot voller subtiler Spannung. Sowohl Larssons als auch Lächbergs Krimis brauchen kaum Action. Figuren und Geschichten sind stets reizvoll und spannend genug, den Leser hervorragend zu unterhalten.

Die Hörbuchfassung von Hörbuch Hamburg wird wie schon zuvor „Weiße Nacht“ wieder einmal sehr schön von Nina Petri gelesen. Schade nur, dass die Hörbuchfassung werneut gekürzt wurde, denn so hat man das Gefühl, dass Rebecka Martinsson am Ende etwas zu kurz kommt. Ob das tatsächlich an der bearbeiteten Hörbuchfassung liegt, müsste ein Vergleich mit der Buchvorlage zeigen.

Bleibt unterm Strich ein positiver Eindruck zurück, wenngleich die beiden Vorgängerromane sicherlich noch einen Tick besser sind. Bei „Der schwarze Steg“ braucht es eine recht lange Einlese- bzw. Einhörzeit, bis man Figuren und Plot im Geiste sortiert hat. Ist die Szenerie aber erst einmal aufgebaut, so kommt auch der Spannungsbogen rasch in Fahrt und gipfelt in einem überaus spannenden Showdown. Åsa Larsson überzeugt wieder mal in ganz besonderer Weise mit ihren einfühlsam skizzierten Figuren und ihrer schönen klaren Sprache, und so darf man sich schon mal auf die drei weiteren geplanten Krimis mit Rebecka Martinsson freuen.

5 CDs
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