Lawrence Watt-Evans – Das verhexte Schwert (Legend of Ethshar 1)


Fängt stark an, lässt dann stark nach

Dies ist der erste Band in Watt-Evans‘ fünfbändigem Zyklus um das Land Ethshar. Um den Besitz dieses Land, so zeigt sich, ringen seit ewigen Zeiten mehrere Mächte, die sich bekriegen. Der Kundschafter Valder gerät zwischen die Fronten und muss zahlreiche Abenteuer bestehen. Ob ihm das verhexte Schwert, das er „geschenkt“ bekommen hat, hilft oder nicht, muss sich noch herausstellen.

Der Autor

Der Amerikaner Lawrence Watt-Evans, 1954 geboren, begann schon mit 21 die ersten Stories zu veröffentlichen. Seine Romane – er schrieb nur wenige Stories – neigen oft dazu. Die Genre-Grenzen auszudehnen oder sogar zu überschreiten, so etwa in Richtung Science Fiction. Er begann mit Fantasy, und „Die Herren von Dûs“ war sein erster Zyklus. Eine weitere erwähnenswerte Fantasy-Sequenz dreht sich um Ethshar, doch nur deren erster Roman wurde bei uns unter dem unzutreffenden Titel „Das verhexte Schwert“ (The Misenchanted Sword = das falsch behexte Schwert, 1985) veröffentlicht.

Der Legend of Ethshar-Zyklus:

1) The Misenchanted Sword (1985; Das verhexte Schwert, 1989)
2) With a Single Spell (1987)
3) The Unwilling Warlord (1989)
4) Taking Flight (1993)
5) The Spell of the Black Dagger (1994)

Handlung

Valder, ein ethsharitischer Kundschafter hinter der gegnerischen Front der Nordländer, gerät in einen unwegsamen Sumpf, so dass ihm die verfolgenden Nordländer schon bald dicht auf den Fersen sind. Obwohl er gut mit Waffen ausgestattet und kerngesund ist, hat er nicht die Absicht, sich den Verfolgern zu stellen. Der Grund dafür sind die „Shatras“: halb Mensch, halb Dämon, sind sie für Normalsterbliche wie Valder unbesiegbar.

Zum Glück stößt er im Sumpf auf einen alten Mann in einer Hütte, der sich alsbald als Magier herausstellt. Die Verfolger brennen die Hütte und alle magischen Utensilien nieder, was die beiden Bewohner, die sich im Schilf versteckt haben, gar nicht lustig finden. Aufgrund eines Bluttäuschungstricks werden sie sogar für tot gehalten. Man kann gut verstehen, dass der Alte sauer ist auf Valder, denn der hat ja die Verfolger zu seiner Hütte geführt – und man sieht, wozu das geführt hat: verbrannte Trümmer.

Als Strafe lässt dieser namenlose Yoda-Typ seinen Besucher schwer schuften. Doch zum Dank für das gerettete Leben verwandelt der Alte Valders Schwert in eine Zauberwaffe. Der Haken dabei: Er verrät ihm nicht, wie der Zauber wirkt, sondern nur den neuen Namen des Schwert: Wirikidor. Das bedeutet „Totschläger von Kriegern“.

Was von magischen Waffen ohne Gebrauchsanweisung zu halten ist, erfährt Valder zu seinem Leidwesen auf dem langen Rückweg zu seiner Truppe. Hat er das Schwert erst einmal gezückt, lässt es sich nicht zurück in die Scheide stecken. Vielmehr klebt es förmlich an Valders Körper, obwohl keine sichtbaren Bande es halten. Allerdings verhindert dieser Umstand, dass er eine andere Waffe ordentlich bedienen kann, seine Hände bekommen Schwielen, und schlafen kann er mit dem Schwert in der Hand auch nur mit größter Vorsicht.

Was Wirikidor drauf hat, stellt es in den ersten Zweikämpfen unter Beweis: Ohne dass Valder es führen müsste, stößt es sofort auf die Kehle des feindlichen Krieges zu und tötet ihn. Danach lässt es sich ohne Weiteres in die Scheide zurückstecken. Valder ist leicht erschüttert: Waffen, die sich selbständig machen, behagen ihm nicht so recht. Recht hat er: Beim nächsten Kampf stehen ihm drei Kämpfer gegenüber, doch nachdem es den ersten niedergestreckt hat, scheinen Wirikidor die magischen Kräfte verlassen zu haben. Valder muss sich selbst wehren, streckt den zweiten nieder, so dass der dritte Reißaus nimmt. Na toll! Was soll er in der Schlacht mit einem Schwert anfangen, dessen Magie es bereits nach dem ersten Toten verlässt?

Es kommt aber noch schlimmer: Wirikidor „weigert sich“, auch gegen einen bösartigen Drachen vorzugehen, desgleichen gegen eine Frau, die Valder abwehrt. Offenbar taugt „Totschläger von Kriegern“ nur gegen Krieger. Nachdem er den Drachen durch das Truppenlager der Nordländer gelockt und ein entsprechendes Chaos ausgelöst hat, befindet sich Valder schon der Nähe seiner Freunde. Da bemerkt er zu seiner Besorgnis einen erbitterten Verfolger: einen „shatra“. Ob es Wirikidor auch mit Valders schrecklichstem Feind aufnehmen kann?

Mein Eindruck

Soweit also der amüsante Inhalt der ersten 90 Seiten – von 380. Der Autor führt seinen „Helden“ Valder, einen Otto Normalsoldaten, durch alle möglichen Gefahrensituationen, die stets mit einer Pointe und Erkenntnis enden. Was Valders Abenteuer für uns so interessant macht, ist das Experimentieren aus quasi wissenschaftlichem Interesse heraus, das Valder mit Wirikidor veranstaltet. Andererseits: Für ihn ist es lebenswichtig, vollständig über seine wichtigste Waffe im Bilde zu sein.

Ob ein echter Soldat aus einer Kultur, die auf der Stufe der römischen Antike steht, derart wissenschaftlich vorgegangen wäre, wage ich zu bezweifeln. Er hätte wohl erst einmal alle möglichen Götter angerufen und Opfer gebracht, ohne jedoch den Regeln der Logik zu folgen: Eliminierung von falsifizierten Möglichkeiten, Ausräumen von Zweifeln aus widersprüchlichen Ergebnissen und so weiter. Die Magier erscheinen gleichermaßen als Quasi-Wissenschaftler: Sie haben Wirikidors Geflecht aus magischen Bannsprüchen fein säuberlich analysiert. Das Ergebnis ist für Valder leider recht niederschmetternd.

Im Gegensatz zu Watt-Evans‘ Zyklus „Die Herren von Dûs“ besteht diesmal der Held nicht aus einem muskelbepackten Herkulesjünger mit einer Mission (Garth), sondern aus einem widerwilligen „Helden“, der stets übers Ohr gehauen wird und mit den Gefahren unbekannter Magie zu ringen hat. Dieser Kniff bricht die Fantasy-Tradition zwar auf ironische Weise, ändert aber nichts an der Tatsache, dass der Plot noch immer alten Genre-Schemata folgt. Insofern ist Watt-Evans immer noch Lichtjahre vom Einfallsreichtum eines Gene Wolfe entfernt, der in seinem „Buch der Neuen Sonne“ mit den Genregesetzen Katz und Maus spielte.


Ein Land in Fesseln

In diesem Startband der Serie wird allmählich klar, dass sich das scheinbar routinemäßig erfundene Fantasyland Ethshar, um das die Mächte endlos kämpfen, eigentlich in einem Zustand der sogenannte „Bondage“ befindet. Das hat nun nichts mit Fesseln und Sadomaso-Spielchen zu tun, sondern bezieht sich darauf, dass es sich um einen Zustand erzwungenen Stillstands handelt: Das Land ist wie in einer Falle gefangen an einem besonderen Ort, in einer bestimmten Zeit, einem physischen oder moralischen Zustand. Das gängige Bild dafür ist das Gefängnis. Tolkien betrachtete Fantasy als einen Versuch des Menschen, per Fantasie aus dem Gefängnis seiner Realität zu entfliehen….

Was kann hier also geschehen? Zunächst einmal muss es ein Unbehagen am Zustand dieser Welt geben und somit ein Bewusstsein dafür, dass man etwas dagegen tun sollte. Dieser Widerstand, der den Status Quo überwinden will, setzt einen Prozess der Veränderung in Gang. Doch angesichts der Tatsache, dass ein Fantasyland von A bis Z ein Ding der Erfindung ist, muss jede Sache etwas bedeuten. Ein ungewöhnlicher Nebel ist deshalb nicht Teil des normalen hinzunehmenden Wetters, sondern höchstwahrscheinlich ein Akteur.

Ein Held, der sich nicht wie einer verhält, steht für etwas anderes. Die Frage ist daher, für was er eintritt und ob es ihm der Autor erlaubt, Erfolg zu haben. Das ultimative Ziel des Helden ist meistens Freiheit, die er erst durch verschiedene Transformationen seiner selbst – darunter Liebe – erringen kann. Ein aktuelles Beispiel wäre Neo in „The Matrix 1-3“.

Der GI und die Magie

Valder verhält sich wie ein durchschnittlicher GI, der auf unbekanntem Terrain (Vietnam? Irak?) zwar mit menschlichen gegnern zurechtkommt, aber plötzlich mit einer Waffen-Technologie (= Magie), die für ihn zunächst unbegreiflich ist. Dies erinnert uns an das Clarke’sche Axiom, dass eine „genügend weit fortgeschrittene Technologie nicht von Magie zu unterscheiden ist“. Umgekehrt gedeutet, lässt sich die magie, mit der es Valder zu tun bekommt, als unbegreifliche Technologie deuten. Übertragen auf den GI könnte es sich um fortschrittliche Kampftechnologien wie etwa Infrarotsicht, Um-die-Ecke-schießende Gewehre, eingebaute Helmkameras, Nachtsichtgeräte usw. handeln, die vor rund 20 Jahren, als der Roman entstand, nur zum Teil erfunden waren.

Was aber für Valder im weiteren Handlungsverlauf viel wichtiger ist, besteht in den psychologischen Auswirkungen der Nutzung Wirikidors. Zum einen wird Valder zum Mörder wider Willen, zum anderen unsterblich. Dumm nur, als sich herausstellt, dass der Zeitraum dieser Unsterblichkeit auf ein Kontingent von 100 Schwertzückungen begrenzt ist! Jede Zückung erfordert ein Opfer, egal ob Feind oder Freund. Sein tolles neues Schwert erweist sich schon bald als guter Grund, Valder möglichst bald wieder in den Einsatz hinter den feindlichen Linien zu schicken. Möge er nie zurückkehren…

Unterm Strich

„Das verhexte Schwert“ entlockt dem Leser zunächst so manches Schmunzeln. Der Schlamassel, in den der brave Soldat Valder gerät, ist doch recht ungewöhnlich. Die humorvolle Seite, gepaart mit Action und Spannung, trägt den ersten Teil, also etwa 100 Seiten . Doch dann scheinen dem Autor die Ideen ausgegangen zu sein. Von Spannung und Kampf ist im Mittelteil des Buches kaum etwas zu finden. Erst ganz zum Schluss gelangt Valder zu so etwas wie persönlicher Erlösung, natürlich in der Liebe zu einer Magierin, die ihm hilft.

Insgesamt kann ich diesen Fantasyroman nur eingefleischten Freunden des Genres empfehlen. Allen anderen Lesern bietet er von allem zu wenig. Kein Wunder also, dass der Heyne-Verlag den Ethshar-Zyklus nach diesem schwachen Start nicht weiter verfolgt hat.

Taschenbuch: 382 Seiten
Originaltitel: The Misenchanted Sword, 1985
Aus dem US-Englischen übertragen von Joachim Pente
ISBN-13: 9783453031661

www.heyne.de

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