Linus Geschke – Tannenstein

Der Wanderer dachte nicht mehr an das, was hinter ihm lag. Warum auch? Es war getan.

Ein abgeschiedener Ort nahe der tschechischen Grenze. Elf Tote an einem kalten Novemberabend. Ein Killer, der keine Spuren hinterlässt, und ein kriminell gewordener Ex- Polizist, der Rache will. Der Beginn einer gnadenlosen Hetzjagd, die dort endet, wo alles begann, Tannenstein. (Verlagsinfo)

Inhalt und Eindrücke:

Der kleine Ort Tannenstein südlich von Dresden könnte düsterer nicht sein – umgeben von tiefen Wäldern am Ende eines lang gezogenen Tals scheint hier die Zeit stehen geblieben und triste graue Hausfassaden wirken, als wäre das Ende der DDR bis hierhin noch nicht durchgedrungen.
Touristen verirren sich eher selten an diesen trostlosen Ort und Fremde fallen sofort auf.

Als es 2013 in der einzigen Dorfkneipe zu einem regelrechten Massaker kommt, bei dem ein Unbekannter elf Menschen erschießt und lediglich den Wirt am Leben lässt – ist sich dieser einzige Zeuge der Tat sofort sicher: der Killer hatte sich im Vorfeld schon eine Weile in Tannenstein aufgehalten, eine Hütte angemietet und wurde von den Dorfbewohnern misstrauisch beäugt. Sein Umherstreifen durch die nahen Wälder hatte ihm bereits den Spitznamen „Wanderer“ eingebracht. Abgesehen davon sprach er möglicherweise mit osteuropäischem Akzent und hatte sich nach der Tat sofort in unbekannte Richtung abgesetzt, aber das war dann auch schon nahezu alles, was Polizist Alexander Born und seine Kollegen von der eingerichteten Sonderkommission zu dem frühen Zeitpunkt ermitteln konnten.

Die Opfer – sieben Männer und vier Frauen aus Tannenstein, die gerade beim Stammtischabend des Kulturvereines in der Kneipe zusammen saßen, als der Abend diese nicht vorhersehbare Wendung nehmen sollte, bringen überdies genauso wenig den erhofften Ermittlungsansatz. Abgesehen vom gemeinsamen letzten Wohnort gibt es scheinbar Nichts, was auf ein Motiv hindeuten könnte.

Sicher aber ein Fall, den Ex-Polizist Born niemals vergessen wird. Obwohl er inzwischen in Haft sitzt, nachdem er selbst wegen verschiedener Drogendelikte auf Abwege geraten ist, lassen ihn die Ereignisse von damals nicht los. Was tatsächlich aber nicht so sehr an der Brutalität der Tat in Tannenstein liegt, sondern vielmehr daran, dass der Tod seiner früheren Freundin Lydia für ihn eng damit verknüpft ist.

Lydia Wollstedt war gerade dabei, auf eigene Faust Schlüsse aus dem Fall zu ziehen und berichtete ihrem Freund davon, als sie ihn ein letztes Mal im Gefängnis besuchte. Für die engagierte junge Polizistin gab es klar erkennbare Verbindungen zur sogenannten Russenmafia, sogar einige Namen hatte sie bereits herausgefunden. Dass ausgerechnet diese privaten Ermittlungen für Lydia zum tödlichen Verhängnis werden sollten, während ihr Freund in der Haftanstalt unfähig war, ihr auch nur ansatzweise zu helfen – Ex- Bulle Born kann es sich nicht verzeihen und der Schmerz sitzt tief. Gleich nach seiner Entlassung aus der JVA Tegel sinnt er auf Rache und versucht herauszufinden, was genau Lydia kurz vor ihrem Tod erfahren hat.

Seine eigenen Kontakte zu einigen zweifelhaften Gestalten der Berliner Unterwelt kommen ihm dabei zwar zugute, aber dennoch ist es für ihn jetzt anders, nicht mehr als Polizist zu ermitteln.

Zwar ist er auf der Hut und absolut nicht zimperlich. Schwer nur kann er aber an entsprechende Informationen zum aktuellen Ermittlungsstand herankommen. Zumal der Eindruck entsteht, dass die Polizei in Bezug auf Lydias Tod bewusst etwas verheimlicht – oder kommt das nur ihm so vor?

Ziemlich unerwartet erhält Born aber sogar Unterstützung aus der Richtung seiner alten Dienststelle – die junge Kollegin Norah Bernsen ist offenbar nicht nur von dem Fall fasziniert und aus ganz eigenen Beweggründen beginnt sie, Born zu helfen.
Schon bald wird den Beiden klar, dass Lydia offenbar einen Treffer gelandet hatte, als sie in Richtung der Russenmafia ermittelte. Schnell ist Born einer Schlüsselfigur auf den Fersen und die Jagd beginnt plötzlich, sehr gefährlich und rasant zu werden.

Währenddessen schlägt der Wanderer an anderen Orten im Bundesgebiet erneut zu: ein Tankwart im Harz und eine Immobilienmaklerin aus dem Allgäu werden ermordet. Wie immer geht der Killer dabei äußerst ruhig und mit Bedacht vor. Der Leser erfährt zwar einige Details aus seinem Leben, Hintergründe und Zusammenhänge der Taten bleiben aber zunächst nebulös.

Verschiedene spannende Erzählstränge lassen aber schon Schlüsse in Richtung der organisierten Kriminalität aus Osteuropa zu und nach und nach bekommt der Leser eine Idee davon, was hinter den Tannenstein- Morden stecken könnte.

Der Thriller wird in kürzeren Kapiteln aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt, jeweils mit dem Ort des Geschehens sind diese überschrieben. Innerhalb der Kapitel gibt es zum Teil einzelne Abschnitte, die mit einem kleinen Pistolensymbol optisch getrennt werden.
Autor Geschke hat mit Hauptfigur Alexander Born einen ziemlich kantigen Antihelden kreiert, der sich nur an seine eigenen Regeln hält und recht brutal seine Ziele verfolgt. Er ist fast schon besessen von seinen Rachegedanken. Doch hat er auch eine weichere, menschliche Seite, die gut skizziert wird.

Gleiches gilt sogar für den „Wanderer“, wie der Killer im Buch bezeichnet wird. Nicht nur die kaltblütige Gestalt eines Mörders begegnet uns hier, sondern ebenfalls ein Mensch mit einer eigenen Lebensgeschichte.

Mein Fazit:

Keine ungewöhnliche oder etwa herausragende Handlung macht diesen Thriller aus, sondern vielmehr die oftmals absolut sprachgewaltigen Szenerien. Thematisch irgendwo zwischen organisierter Kriminalität, Auftragsmord, Drogen, Sex und Menschenhandel geht es brutal, ja fast schon roh zu. Trotzdem gelingt es Linus Geschke überzeugend und ohne langweilende Stereotypen, einen spannenden Plot zu schaffen, der nur einige kleine Schwachstellen mit sich bringt. Seine Charaktere sind gut ausgearbeitet und der Schreibstil ist insgesamt lebendig und sehr flüssig zu lesen.

Immer wieder wird der Leser in diesem rasanten atmosphärischen Thriller an die Grenzen zwischen Gut und Böse herangeführt und das Ende ist fesselnd und wirklich überraschend.

Nach Verlagsinformationen handelt es sich bei „Tannenstein“ um den Auftakt zu einer Trilogie – ich freue mich sehr auf die Fortsetzung(en) von Herrn Geschke!

Broschiert: 384 Seiten
ISBN-13: 978-3423262187

www.dtv.de

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