Emily Maguire – Zähme mich!

Auf jeder Schule gibt es sie: Die Schülerinnen, die heimlich für diesen einen niedlichen Referendar oder Lehrer schwärmen. Diese Konstellation hat die Australierin Emily Maguire genutzt, um daraus ein ganzes Buch zu entwickeln. Allerdings geht sie in „Zähme mich!“ einen ganzen Schritt weiter …

Sarah Clark ist vierzehn, als ihre erotische Beziehung zu Mr. Carr beginnt. Er ist ihr Englischlehrer und verheirateter Vater, sie ist eine kleines Mädchen, das sich schwer in seinen Lehrer verliebt und von Sex nicht genug kriegen kann. Zwei Jahre lang treffen sie sich jeden Nachmittag und Sarah erlebt die Wonnen der Liebe, während sie gleichzeitig eine Menge über Shakespeare lernt.

Doch eines Tages beendet Mr. Carr ihre verbotene Beziehung und lässt sich versetzen, nachdem seine Frau hinter sein Treiben gekommen ist. Für Sarah bricht eine Welt zusammen und sie sucht Trost in Drogen, Alkohol, exzessivem Sex und in Jamie, ihrem Freund, seit sie denken kann. Er ist eher ein kleiner Waschlappen und sie nimmt ihn nicht besonders ernst, obwohl er genauso fühlt wie alle anderen Männer auch, die in Sarahs Nähe kommen: Er liebt sie.

Doch niemand schafft es, ihr Herz so zu berühren, wie Mr. Carr es damals tat. Sie ist auch nicht auf der Suche nach Liebe, sie ist auf der Suche nach schnellem Sex, und eines Tages trifft sie dabei ihren alten Lehrer wieder, der nun bereit ist, sich zu ihr zu bekennen. Sarah, immer noch verblendet durch ihre Teenagergefühle, merkt nicht, in welches Desaster sie da gerade gerät …

Was „Zähme mich!“ von anderen Büchern ähnlicher Coleur unterscheidet, ist die Tatsache, dass es hier nicht bloß um Sex geht. Vielmehr handelt es sich um eine Charakterstudie der Sarah Clark, bei der sich Sex nun mal nicht vermeiden lässt. Trotzdem schlachtet Emily Maguire dies nicht aus und hält die expliziten Szenen reduziert, was dem Roman einiges an Authentizität verleiht.

Dazu tragen auch die Charaktere bei, die sehr natürlich wirken und durch ihre Tiefe, aber auch durch ihre leichte Überspitztheit gefallen. Gerade an Personen wie Shelley, Jamies Frau, die er aufgrund einer Schwangerschaft geheiratet hat, werden wenige gute Haare gelassen. Allerdings wird sie auch nicht völlig niedergemacht. Im Gegensatz schafft es die Autorin, die guten und schlechten Seiten an ihren Charakteren sehr schön zu verteilen, so dass sich der Leser gut mit ihnen identifizieren kann. Selbst bei Mr. Carr gelingt das. Er wirkt nie wie ein pädophiler Pädagoge, vielmehr merkt man, dass Sarah an dieser Beziehung nicht ganz unschuldig ist.

Sarah, die Hauptfigur des Buches, nimmt dementsprechend natürlich auch den meisten Raum ein. Ihr Kumpel Jamie gibt uns durch seine Perspektive immer wieder einen ernüchternden Einblick von Außen. Sarah bleibt eher auf Distanz zum Leser. Ihre Gefühle werden zwar mitgeteilt, aber nie besonders ausgeführt, was dem Buch sehr gut tut und es vor pathetischem Gehabe rettet.

Obwohl man Sarah für eine Schlampe halten könnte, kommt sie sehr sympathisch rüber. Sie wirkt wie ein verlorenes Kind, und wenn man es nicht wüsste, hätte man es sicherlich erraten, dass sie mit wenig Liebe aufgewachsen ist. Maguires große Leistung besteht vor allem darin, Sarahs promiskuitive Lebensweise so darzustellen, dass sie nicht wie eine Bordsteinschwalbe wirkt, sondern wie eben jenes verlorene Mädchen, das auf der Suche nach Liebe ist.

Auf weiten Strecken gelingt der Autorin das auch ganz gut. Die Handlung weist zwar nur wenig Spannung auf, aber sie zieht in den Bann und hält sich nicht mit Kleinigkeiten oder Nebenhandlungen auf. Man fragt sich, wie es mit Sarah weitergeht. Und wie es mit Sarah und Jamie weitergeht. Wird sie diesen Mr. Carr eines Tages vergessen? Gegen Ende wird es dann allerdings etwas lang. Es passiert nichts, was man nicht vorher schon geahnt hätte, und irgendwie fehlt der Schwung, der den Rest des Buchs trägt.

Großes Lob verdient Maguires Schreibstil. Trocken, beinahe sachlich, erzählt sie von Sarahs Eskapaden und verzichtet dabei auf den inflationären Gebrauch von Vulgärausdrücken. Schon alleine dadurch – und durch die erkennbare Handlung – hebt sie sich von ähnlicher Erotikliteratur ab. Kein pathetisches Herumgeschwülste, kein Einsatz von Kosenamen für die unterschiedlichen Genitalien – Maguire erzählt so knochentrocken und auf den Punkt gebracht, dass sich daraus schon wieder ein sehr eigenwilliger, sehr zynischer, aber nur subtil vorhandener Humor entwickelt, der wie Zuckerguss auf dem Roman thront. Dieser Humor ist ein weiterer geschickter Schachzug, um den Leser bei Stange zu halten, was der Autorin auch bestens gelingt.

„Zähme mich!“ unterscheidet sich also wie gesagt von anderen Büchern des Erotikgenres dadurch, dass es nicht bloß um Sex geht, sondern hauptsächlich um eine interessante und authentische Protagonistin, die durch ihre frühen sexuellen Erlebnisse stigmatisiert ist und sich auf der Suche nach ihrem damaligen Lehrer befindet. Der Schreibstil Emily Maguires passt zum Grundtenor wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge. Trocken, humorvoll und herrlich unpathetisch seziert sie das Leben der Sarah Clarke, immer wieder durchbrochen durch den Blick von Außen durch deren langjährigen Weggefährten Jamie. Handlungstechnisch zeigt das Buch zwar einige Längen gegen Ende, doch ansonsten gehört es definitiv zu den Besseren seines Genres.

Taschenbuch: 384 Seiten
Originaltitel: Taming the Beast
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