Die niederländische Autorin Manon Spierenburg kennt sich aus in der Welt der Daily Soaps. Einst gehörte Spierenburg zur Projektleitung der niederländischen Ausgabe von „Gute Zeiten schlechte Zeiten“ (kurz: GZSZ – Abkürzungen sind nämlich „in“), nun schreibt sie einen spritzigen Roman über ihre Erfahrungen im Daily-Soap-Business.
Unser Romanheld ist Job Duivenkater, der stark auf die dreißig zugeht und eigentlich lieber einen richtigen Roman schreiben will. Doch um sein Leben zu finanzieren, verdingt er sich als Soap-Autor und schreibt Szenen für die erfolgreichste niederländische Daily Soap – „Die Welt dreht sich weiter“-, die liebevoll kurz DWDSW genannt wird und etwas weniger liebevoll DWDD für „Die Welt dreht durch“. Die Arbeitsatmosphäre bei DWDD ist kurz gesagt katastrophal, hier will sich jeder profilieren, und wer einmal in die Projektleitung aufgestiegen ist, der tritt ordentlich nach unten und zeigt seinen einfachen Szenenschreiberlingen, wer hier der Chef ist.
Als eines Tages eine neue Schattenschreiberin bei DWDD auftaucht, verliebt Job sich Hals über Kopf in die hübsche Eva, mit der er auch sogleich einen Flirt beginnt. Bald darauf sind die beiden ein Paar und lästern gemeinsam über ihre arroganten Projektleiter, die sich offensichtlich für etwas Besseres halten. Doch dann steigt Eva die Soap-Karriereleiter schneller hinauf, als Job lieb ist. Plötzlich wird Eva von seiner Geliebten zu seiner Chefin und er muss mit Erschrecken feststellen, dass sie sich nun bei seinen verhassten Projektleitern einschleimt und seine eigenen Skripte mit harscher Kritik versieht. Job erkennt, dass Eva und er einfach eine andere Einstellung zur Daily Soap und auch zum Leben haben, er trennt sich kurzerhand von Eva, was er jedoch noch bitter bereuen wird.
Zur gleichen Zeit nistet sich die schwangere Anna bei Job ein, die von ihrem untreuen Ehemann verlassen wurde und in die Job schon lange heimlich verliebt ist. Job steht Anna in allen Situationen bei und hofft immer noch auf ein Happy-End mit ihr.
Während all dies geschieht, erdichtet Job neue Geschichten im Leben seiner Soap-Figuren; hier treffen wir zum Beispiel auf Petronella, die befürchtet, dass ihr Mann Dex eine Affäre hat. Was sie jedoch nicht weiß ist, dass Dex eine Affäre mit Petronellas bester Freundin Annabel hat, die von ihm schwanger ist und für die Dex gedenkt, seine Frau zu verlassen. Wir lernen die geisteskranke Willemijn kennen, die eine solche Phobie gegen Ungeziefer hat, dass sie aus Angst vor Schmutz ihre eigene Wohnung anzündet. Als sie von Bastiaan mit einer Betäubungspistole bewusstlos gesetzt wird und ins Krankenhaus kommt, verliebt sich der behandelnde Arzt auf den ersten Blick in seine Patientin.
In der „Soap Fabrik“ ist offensichtlich viel los, sodass selbstverständlich keine Langeweile aufkommt.
Manon Spierenburg lässt ihren Erstlingsroman in der turbulenten Welt der Daily Soaps spielen, in der mehr oder weniger begabte Schreiberlinge sich tägliche Cliffhanger aus den Fingern saugen und ihren Soap-Figuren stets neue Katastrophen und Liebschaften auf den Leib dichten. Durch Job Duivenkater lernen wir das Prozedere der Soap-Entstehung genauestens kennen, wir sind dabei, wenn er seine anderthalbminütigen Szenen mit Leben füllt, auch wenn diese auf der Toilette spielen, auf der seine Darstellerin einsam und alleine sitzt und trotzdem irgendetwas sagen muss; doch glücklicherweise gibt es genug Soap-Tricks, die es Job ermöglichen, sich Text auch für diese Situation auszudenken. Wir sind hautnah dabei, wenn die Szenen und Erzählstränge aufgeteilt werden, und erfahren, wo gezielt die Cliffhanger platziert werden und welche Wertigkeit sie haben. Der Cliffhanger vor der Pause muss die Zuschauer nur wenige Minuten vor dem Fernseher fesseln, der Cliffhanger am Ende der Sendung muss schon größer sein, da er am darauf folgenden Tag zum Einschalten verleiten muss. Und noch spannender muss es werden, wenn die Zeit übers Wochenende oder gar über die Sommerpause überbrückt werden muss.
Kurz: Wer sich für die Entstehung einer Soap interessiert und keine Angst vor einer Desillusionierung hat, sollte zu diesem Buch greifen und sich genau anschauen, wie die täglichen Seifenopern geschrieben bzw. eher aufs Papier geschmissen werden.
Doch das ist noch lange nicht der einzige Grund, um sich dieses Buch einzuverleiben. Manon Spierenburg schreibt mit so viel Wortwitz und stets einem Augenzwinkern, dass sich hier wohl niemand langweilen wird. Ganz im Stile einer echten Soap baut sie in ihren Roman genug Cliffhanger ein und lässt Job Duivenkater Geschichten erleben, die absolut Soap-tauglich sind. Sei es sein sexsüchtiger Mitbewohner, sei es Jobs heiße Liebelei mit Eva, die ein sehr abruptes Ende nimmt, oder sei es die Episode, die sich um seine verlassene gute Freundin Anna rankt, die gegen eine minderjährige Geliebte ausgetauscht wurde und nun auch Haus und Hof verliert. Alle diese Geschichten sind herrlich überspitzt und triefen eigentlich nur so vor Klischees, doch umso deutlicher wird dadurch, mit welch einfachen Mitteln eine Seifenoper gestrickt wird, wie leicht durchschaubar die Erzählstränge sind und für wie dumm die Zuschauer meist verkauft werden.
Die Szenen, die Job Duivenkater im Laufe des Buches schreibt, verleiten immer wieder zum Schmunzeln, weil die Soap-Geschichten so bescheuert und übertrieben sind, dass man eigentlich nur den Kopf darüber schütteln kann. Manon Spierenburg wird nun wohl auch den letzten Ungläubigen davon überzeugen können, wie realitätsfremd Daily Soaps eigentlich wirklich sind. Selbst wenn Job Duivenkater natürlich auch immer wieder Details aus seinem eigenen Leben in den Soap-Szenen verarbeitet und sich die Streitereien mit seiner Exfreundin dadurch vor Fernsehpublikum zugetragen haben (Vorsicht: Klischee!).
Die Qualität des Buches lässt etwas nach, wenn sich auch bei Job Duivenkater Realität und Soap-Geschichte auf erschreckende Art und Weise miteinander vermischen. Plötzlich findet Job sein eigenes Leben in der Soap wieder und weiß schließlich dadurch, was ihm im wahren Leben widerfahren wird, weil er den passenden Erzählstrang aus DWDD kennt. Diesen Kniff fand ich etwas zu übertrieben, auch wenn er nochmals deutlich macht, wie sehr auch beim täglichen Zuschauer ein Realitätsverlust einsetzen kann.
Zum Erfolg des Buches tragen auch die herrlich komischen Figuren bei. Alle Charaktere wirken eindimensional und wie durch eine Schablone gepresst. Die Soap-Darstellerin beispielsweise kann kaum einen kompletten Satz sprechen, der erfolglose Soap-Autor will eigentlich einen richtigen Roman schreiben und erlebt ein Liebesunglück nach dem anderen, und natürlich werden uns auch mehrere Affären präsentiert, bei denen noch offen ist, ob Ehefrau oder Geliebte am Ende das Nachsehen haben. Normalerweise wirken solch klischeehafte Charaktere ja eher abschreckend, doch hier fügen sie sich prima ins Gesamtgefüge ein, zumal Soap-Figuren auch meist nur die Eigenschaften haben, die ihren Erfindern gerade zufällig in den Sinn gekommen sind.
Insgesamt lohnt sich dieser kurzweilige Blick hinter die Kulissen einer Seifenoper für jeden Soap-Fan bzw. Ex-Fan oder auch diejenigen Leser, die endlich Argumente gegen diese verhassten Serien haben wollen. Spierenburg bestätigt noch einmal alle Vorurteile gegenüber den Soap-Machern und deckt für uns mit viel Ironie auf, wie eine Daily Soap wirklich zusammengeschustert wird. Auch die Rahmengeschichte rund um Job Duivenkater gefällt gut, da man sich genau so einen erfolglosen Soap-Schreiber vorgestellt hat. Darüber hinaus ist „Soap Fabrik“ äußerst kurzweilig geschrieben, sodass einem mit diesem Buch ein paar vergnügliche Lesestunden vergönnt sind.
Gebundene Ausgabe: 295 Seiten