Corinne Maier – Die Entdeckung der Faulheit

Mit dem Aufdruck „Dolce Vita am Arbeitsplatz: das Kultbuch über die Kunst des Nichtstuns im Büro“ macht das Buch auf seinem Rücken Werbung für sich selbst. Wer träumt nicht davon? Tagsüber nicht arbeiten und einen faulen Lenz schieben, aber am Monatsende doch bezahlt werden, das wäre schön. Wie die Autorin Corinne Maier es selbst hält, bleibt dem Leser leider vorenthalten, nur eines ist klar, ihr Arbeitgeber, der große französische Energiekonzern EDF (Electricité de France) war nicht erfreut über die Veröffentlichung der polemischen Bücher seiner Mitarbeiterin.

Schon in der Einleitung macht Corinne Maier mehr als deutlich, dass ihr neues angeblich zynisches Buch provozieren soll, außerdem prangert sie gleich an, woran das System krankt. Letztendlich liegt alle Schuld beim Prinzip des Unternehmens als solches. Ein Unternehmen scheint nach Meinung der Autorin die unsinnigste Einrichtung überhaupt zu sein, für die es sich einfach nicht zu arbeiten lohnt. Um dies weiter zu begründen und um dem Leser genügend Ausreden für sein eigenes Nichtstun bei der Arbeit mitzugeben, führt Maier verschiedene Punkte an, die deutlich machen sollen, wie ein Arbeitnehmer in seinem Unternehmen ausgenutzt wird.

Pauschal greift Corinne Maier sogleich das Unternehmen an sich an, ohne überhaupt zu klären, was genau sie sich darunter vorstellt, abgesehen natürlich vom Sündenbock der heutigen Arbeitswelt schlechthin. Zur Untermauerung ihrer These, dass es sich für ein Unternehmen nicht zu arbeiten und krumm zu machen lohnt, zieht Maier verschiedene Beispiele an, die hervorheben sollen, wo genau all die Nachteile der Institution Unternehmen liegen. Nach Meinung der Autorin ist das Unternehmen sowieso am Ende und bietet keine attraktiven Zukunftsaussichten. Maier zieht ein Umfrageergebnis heran, nach welchem ohnehin nur drei Prozent der französischen Bevölkerung angeben, bei ihrer Arbeit aktiv engagiert zu sein. Immer weniger Menschen arbeiten, sodass sich die Arbeit natürlich auf die wenigen Übriggebliebenen verteilen muss.

Im Übrigen sind Individualisten in einem Unternehmen nichts anderes als Unruhestifter, neue Ideen sind fehl am Platze, denn Anpassungsfähigkeit ist gefragt. Das laut Corinne Maier offensichtlichste Merkmal eines Unternehmens ist seine Phrasendrescherei und der Hang zu Wörtern, die keine Bedeutung mehr transportieren sollen. Um dies zu unterstreichen, zitiert Maier Goebbels, der selbst von sich behauptet hat, nicht zu reden, um etwas zu sagen, sondern um eine bestimmte Wirkung zu erzielen, und auch das vom Autor George Orwell in seinem Buch „1984“ eingeführte „Neusprech“. Das „Neusprech“ der Unternehmer ist gekennzeichnet durch sinnfreie Abkürzungen und großzügige Verwendung englischer Vokabeln.

Gearbeitet wird grundsätzlich nur für Geld, doch sollte man als Arbeitnehmer nicht so leichtsinnig sein, dies offen zuzugeben, denn das wäre ein Tabubruch. Offiziell gearbeitet wird aus reinem Interesse an der eigenen Tätigkeit. Selbst ein belangloses Thema wie die Kleidung, die in einem Unternehmen zu tragen ist, bleibt nicht unerwähnt. Weitere Punkte, auf die Corinne Maier eingeht, sind die erforderliche Mobilität in der aktuellen Arbeitswelt, der Wertverfall von Diplomen, die Unternehmenskultur und auch die Prototypen von höheren Angestellten und Managern.

Mit völlig falschen Erwartungen habe ich dieses Buch in die Hand genommen und gelesen, denn der locker-flockige Buchtitel und die Lobpreisungen und großartigen Ankündigungen auf dem Buchrücken haben ihre Wirkung bei mir nicht verfehlt; ich hatte mich regelrecht gefreut auf die Lektüre eines lustigen und unterhaltsames Buches. Vorgestellt hatte ich mir eine satirische Abhandlung über arbeitsfaule Menschen samt Strategien, wie man sich am besten durchmogeln kann, doch geliefert bekommt man etwas völlig Anderes. Auf den knapp 160 Seiten dieses dünnen Büchleins macht Corinne Maier deutlich, wie sehr sie Unternehmen zu verabscheuen scheint. Hatte ich anfangs noch gedacht, dass sie zur Einleitung des Buches erst einmal gute Gründe und Ausreden für das Faulsein angeben und danach zu Strategien für ein „dolce vita am Arbeitsplatz“ übergehen würde, so merkte ich bald, dass die ach so guten Gründe für das Nichtstun im Unternehmen Zentrum des Buches sind.

Corinne Maier bewirkt einen Rundumschlag, zahlreiche Bereiche und Ideen eines Unternehmens werden aufs Korn genommen und kritisiert, ein Beispiel ist die überschwängliche Verwendung leerer Phrasen, die nicht wirklich etwas aussagen sollen. Um ihre Abneigung gegen derlei „Unternehmens-Neusprech“ zum Ausdruck zu bringen, braucht Maier allerdings schließlich selbst ganze 16 Seiten, also zehn Prozent ihres Buches, wobei ich mich dann doch frage, warum sie so viel Raum benötigt, um im Grunde genommen nur eine einzige These zu untermauern. Wer benutzt hier also leere Phrasen? Wer schreibt viel, ohne etwas zu sagen zu haben?

Ausdrücke wie „Nichtstun“ oder „Faulheit“, die großspurig im Buchtitel verwendet werden, finden sich kaum zwischen den Buchdeckeln wieder, das Wort „Unternehmen“ dagegen umso häufiger. Dabei wird nirgends definiert, was genau Maier unter einem Unternehmen überhaupt versteht, aber das scheint nichts auszumachen, Hauptsache, ein Unternehmen ist schlecht und wird schlecht gemacht. Pauschal wertet Maier über jedes Unternehmen überhaupt, Ausnahmen von ihrer Regel scheint es keine zu geben, die Autorin lässt kein gutes Haar am Prinzip eines Unternehmens.

Auf mich wirkt das Buch wie die Abrechnung einer frustrierten Mitarbeiterin und ich frage mich ernsthaft, welchen Grund Maier hat, diesen Rachefeldzug zu starten. Die inhaltlichen Lücken und stammtischartigen Parolen hätte ich ihr noch fast verzeihen können, wenn das Buch in der Art einer Satire geschrieben wäre, aber ich habe eher den Eindruck, dass Maier all das ernst meint, was sie schreibt; zumindest vermag sie es nicht, ihre Leser zum Lachen zu bringen. Woher nimmt sich Maier eigentlich das Recht heraus, pauschal über eine Institution zu urteilen, die sie gar nicht in allen Ausprägungen kennen kann? Leider stellt sie auch keinerlei Verbesserungsvorschläge vor, obwohl sie doch genau zu wissen glaubt, dass Unternehmen schlecht und unsinnig sind. Warum ist sie dann nicht fähig zu schreiben, wie es besser ginge? Ihre Aburteilungen sollen daher nur als Ausrede für Angestellte dienen, sich ohne schlechtes Gewissen einen faulen Lenz am Arbeitsplatz machen zu können. Quintessenz des Buches ist schlussendlich der Rat Corinne Maiers an ihre Leser, die bis zum Ende durchgehalten haben, sich bloß keinen Führungsposten womöglich mit Öffentlichkeitsarbeit zu schnappen, da man dort womöglich gezwungen sein könnte, doch etwas zu tun. Viel besser ist ein unauffälliger Posten, von dem sowieso niemand weiß, wozu er da ist und was er leisten soll.

In einigen Punkten mag Maier Recht behalten. So kann ich ihr nur beipflichten, wenn sie sich über nichtssagende Sprache aufregt, die mit allerlei schickem und neudeutschem (also englischem) Vokabular aufgebläht ist, aber im Grunde genommen kaum etwas aussagt. Derlei leere Phrasen halte auch ich ebenfalls in den meisten Fällen für unnötig. Oftmals geht Maier in ihrer Kritik allerdings zu weit; so bleiben beispielsweise bei ihrem Rundumschlag auch Forschung und technologischer Fortschritt wie das Internet nicht verschont, denn das Internet hat eigentlich nur zum Abbau von Sekretärinnenstellen geführt und Posten in der Forschung sind laut Maier nutzlos. Derlei unreflektierte Kritik finde ich völlig unangebracht.

Im Laufe des Buches offenbart Corinne Maier eine Vorliebe für schlaue Zitate. Große Teile der „Entdeckung der Faulheit“ sind aus anderen Werken entnommen, gerne eignet Maier sich dabei die Worte des Autors Michel Houellebecq an. An einer Stelle im Buch musste ich schließlich doch schmunzeln, allerdings handelte es sich dabei um ein Zitat von Scott Adams („Das Dilbert-Prinzip“).

S. 142: |“Gehen Sie nie ohne ein Dokument in der Hand über den Flur. Leute mit Unterlagen in der Hand machen den Eindruck hart arbeitender Angestellter, die gerade auf dem Weg zu einer wichtigen Besprechung sind. Wer nichts in der Hand hat, sieht aus, als sei er auf dem Weg zur Cafeteria. Leute mit einer Zeitung in der Hand sehen aus, als seien sie auf dem Weg zur Toilette.“|

Corinne Maiers Humor dagegen klingt vergleichsweise bieder und langweilig: |“Im Gegensatz etwa zu Deutschland, wo ein Angestellter, der erst spät seinen Arbeitsplatz verlässt, als unfähig gilt, macht es in Frankreich und in vielen anderen Ländern einen guten Eindruck, wenn man bis 20 Uhr oder gar 21 Uhr im Büro bleibt, wenn man „eingespannt“ ist. Das beweist, dass man seine Arbeit liebt. So sieht man in manchen großen Unternehmen Leute, die bis zum Gehtnichtmehr in ihrem Büro bleiben, um dort persönliche Telefongespräche zu führen, im Internet zu surfen, gratis Fotokopien zu machen und Zeitung zu lesen. Wenigstens arbeitet man nicht, während man sich so beschäftigt.“|

Leider fehlt der rote Faden durch die zahlreichen Thesen. Corinne Maier reiht zusammenhanglos ihre Parolen aneinander, die jeweils ausführlichst diskutiert und ausgeführt werden, die aber oftmals wenig Bedeutung haben (wie die Arbeitskleidung in einem Unternehmen). Der Leser weiß dabei nicht, worauf die Autorin eigentlich hinarbeiten will und was sie mit ihrem Buch bezwecken möchte. Der Sinn des Ganzen bleibt mir völlig unerschlossen. Der Buchtitel sagt fast schon alles aus, beim Lesen erfahren wir hingegen kaum Neues.

Ich finde es enttäuschend, dass dieses Buch praktisch unter falschem Namen verkauft wird und dadurch im Voraus falsche Erwartungen weckt, die es nicht erfüllen kann. Satire kann ich leider nicht entdecken, sodass mir beim Lesen weniger zum Lachen als zum Weinen zumute war. Corinne Maier klagt die Institution Unternehmen in vielen Punkten an und zeigt auf, wo es hinkt und wo das Unternehmen zum Scheitern verurteilt ist. Leider weiß sie als Verbesserungsvorschlag nur den einen Rat, nämlich für ein solches Unternehmen einfach nicht zu arbeiten, sondern den lieben langen Tag nur Däumchen zu drehen. Das finde ich bei derlei harter und provokativer Kritik allerdings zu wenig. Somit ist die „Entdeckung der Faulheit“ nicht viel mehr als eine einzige Enttäuschung, da es nicht humorvoll erklärt, wie man sein „dolce vita“ am Arbeitsplatz verwirklicht, sondern nur Gründe angibt, warum das laut Corinne Maier absolut gerechtfertigt und völlig normal ist. Wer den Buchdeckel gelesen hat, weiß im Prinzip schon alles über dieses Buch, eine tiefere Lektüre sollte man sich daher lieber ersparen.

Taschenbuch: 160 Seiten