Morus, Thomas – Utopia

_Der Schöpfer der utopischen Insel_

Thomas Morus gilt als einer der größten Freidenker der britischen Geschichte und wird als einer der wichtigsten Philosophen und Schriftsteller seiner Zeit eingeordnet. Erasmus von Rotterdam sagte über Morus (dessen eigentlicher Name Thomas More war), dass |“dessen Seele reiner war als der reinste Schnee, dessen Genius so groß war, wie England nie einen hatte, ja nie wieder haben wird, obgleich England eine Mutter großer Geister ist“|.

Morus wurde am 7. Februar 1477 oder 1478 (nicht genau bekannt) in London geboren und genoss nach der Erziehung am Hofe des Lordkanzlers und Erbischofs von Canterbury, Jorn Morton, ein Studium am Canterbury College. 1492 kehrte er für ein Jahr nach London zurück, um dort eine juristische Ausbildung zu absolvieren. Sieben Jahre später trifft er zum ersten Mal auf Erasmus von Rotterdam. Kurze Zeit später verwirft Morus seine Pläne von einem Leben als Priester im Kloster und wird Mitglied des Parlaments. Dort macht er 1510 zunächst als Vertreter des Sheriffs in Rechtsangelegenheiten (in London) und später als Sprecher des Parlaments Karriere. 1529 schließlich tritt Morus die Nachfolge des abgesetzten Lordkanzlers Thomas Wolseys an, legt diesen Posten jedoch aus Protest gegen die antipäpstliche Politik von König Heinrich VIII. wieder nieder. 1535 wird Thomas Morus im Tower von London enthauptet.

Genau 400 Jahre später, nämlich 1935, wird Thomas Morus von Papst Pius XI. heilig gesprochen.

_Der Klassiker_

Das lateinische Urwerk „Utopia“ wurde von Thomas Morus 1516 veröffentlicht und diente dem Zweck, die zeitgenössische Politik in der Heimat durch fiktive Überspitzung anzuprangern. Erst 16 Jahre nach seinem Tod wurde das Buch in der englischen Sprache herausgegeben.

_Wohlstand und leichte Arbeit für alle …_

…, ein Liebesleben ohne Konflikte und Kultur von Kindesbeinen an – dies sind nur einige wenige der revolutionären Gedanken, die Morus in „Utopia“ erdachte. Morus erzählt in seinem zweiteiligen Buch die Geschichte des seefahrenden Philosophen Raphael Hythlodaeus, der zufällig auf die Insel Utopia gestoßen ist und diesen Ort als besonderen Hort der Harmonie kennen gelernt hat – dies alles zu einer Zeit, in der seine britischen Zeitgenossen von Krieg und Armut bedrängt waren.

Morus hat insgesamt eine überaus satirische Fassung des modernen Lebens erschaffen und in diesem Sinne auch keinen Unterpunkt des zwischenmenschlichen Miteinanders oder der gängigen Kultur ausgelassen. So beschreibt er in Person des Raphael Hythlodaeus die zu dieser Zeit revolutionäre Regierungsform, die gerechte Arbeitsteilung sowie Nichtigkeiten wie Ehebruch und Verbrechungen in relativ kurzen Abhandlungen und widmet sich weitaus detailreicher der Tugend und der Lust sowie dem Umgang mit den Staatseigentümern, dem Kriegswesen und dem Wert der Religion für die Beziehungen der Menschen auf Utopia.

Morus formuliert in „Utopia“ seine Idealvorstellung einer Gesellschaft, die nicht in einzelne Kasten aufgeteilt ist, sondern stattdessen mit gleichen Rechten, gleichen Voraussetzungen und einem hohen Maß an Lebenslust ausgestattet ist. Gleichermaßen betont Morus, dass diese Gesellschaftsform trotz der zu befürchtenden Konflikte problemlos funktioniert und Schändlichkeiten wie Verbrechen oder aber Neid nur in ganz wenigen Fällen auftreten und daher quasi als ’nicht existent‘ betrachtet werden dürfen.

Auf der anderen Seite äußert der Autor dadurch, dass er beschreibt, was „Utopia“ nicht ist, die Kritik an der Regierungsform und der Klassengesellschaft im Europa des 16. Jahrhunderts, ganz besonders in seinem Heimatland England. Dies war damals ein gewagter und natürlich von vielen kritisierter Schritt, den sich Morus aber als gebildeter Freidenker, einflussreicher Politiker und Idealist erlauben durfte. Leider konnte der Mann den Ruhm seines Werkes zu Lebzeiten nicht mehr ernten, der Wert des Inhalts ist aber dennoch bis heute unumstritten genial.

_Das Hörspiel_

Die hier vorgestellte Version ist nicht die einzige ihrer Art. Erst kürzlich hat es eine 4-CD-Version, gelesen von Hans Eckhardt, gegeben, die sich mit dem Gesamtwerk „Utopia“ beschäftigte. Die über den LIDO-Verlag erschienene Neuversion hingegen läuft unter dem Kommentar ’sorgsam gekürzte Fassung‘ und enthält in 173 Minuten nur das zweite Besuch, also die eigentliche Charakterisierung der Insel Utopia und ihrer Menschen. Ulrich Matthes als Vorleser wirkt zunächst noch ein wenig blass, weil er stets in derselben Tonlage spricht und – so meint man zunächst – die Vorlage nur so herunteredet, um die Zeit zügig abzuarbeiten. Doch genau dieses Trockene und Emotionslose zeichnet diese Lesung schließlich auch aus. „Utopia“ ist nämlich ein Bericht und keine spannende Erzählung. Und als Reisebericht vom Besuch einer seltsamen Insel, auf der die Welt so wunderbar und schön ist wie nirgendwo anders, auf der die Menschen frei von Problemen sind und wo man sich keine Sorge um das Durchstehen des nächsten Tages machen muss, eignet sich Ulrich Matthes‘ Stil wirklich perfekt.

_Der Vorleser_

Ulrich Matthes wurde in Berlin geboren. Nach ein paar Semestern Germanistik und Anglistik entschied er sich für die Schauspielerei. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den renommierten Gertrud-Eysoldt-Ring. Zuletzt war er in der Rolle des Joseph Goebbels im Kinoerfolg „Der Untergang“ sowie in Volker Schlöndorffs Film „Der neunte Tag“ zu sehen, für den er als bester Hauptdarsteller für den Deutschen Filmpreis 2005 nominiert wurde.

_Unterm Strich_

Leider liegt mir die andere oben angesprochene Hörbuch-Version von „Utopia“ nicht vor, um einen direkten Vergleich vorzunehmen. Unabhängig davon kann ich dieses 2-CD-Set nur wärmstens weiterempfehlen; zum einen, da es sich ausschließlich auf den Kern der Handlung beschränkt, und zum anderen, weil Vorleser Matthes mit seinem Vortrag dieses Klassikers der Weltliteratur eine tadellose Vorstellung gibt.

Linktipp: [Digitale Reproduktion]http://www.ub.uni-bielefeld.de/diglib/more/utopia/ der Baseler Ausgabe von 1518.