Jan Oidium – The Heavy Metal World Of Fire & Steel

Jan Oidium ist freier Werbezeichner, den es nach einem abgebrochenen Studium in Graphikdesign im Jahr 2000 nach Berlin verschlagen hat, wo er heute eine eigene Agentur betreibt und nebenbei seinem Hobby Musik nachgeht; seine erste CD „Solist“ mit experimentellen Klavierstücken wurde vor kurzem veröffentlicht. Anlässlich des Wacken Open Air 2002 erschien sein erstes Comic „The Heavy Metal World Of Fire & Steel“ und wurde in einer Auflage von zunächst 4.000 Stück ausschließlich auf dem Festival vertrieben.

Nach der ersten Doppelseite mit Eigenwerbung, Impressum, rechtlichen Hinweisen und diversen Credits geht es dann auch gleich zwerchfellerschütternd los. Auszugsweise werden Kapitel der „Ersten Huldigung“ seines Helden, des mächtigen „Oitiontiser“, zitiert. Die einzelnen Kapitel und Absätze haben weder Anfang noch Ende, sondern reihen in loser Folge Taten und Zitate des Oitiontiser aneinander, einer mächtigen Lichtgestalt in einer imaginären Welt aus Feuer und Stahl, dem die Bevölkerung zu Füßen liegt und bedingungslos folgt. Das eigentliche Comic beginnt eine Seite weiter, mit einer Gammelszene auf dem Campingplatz in Wacken. Ein dem Zeichner, damals noch langhaarig, nicht ganz unähnlicher Wacken-Besucher „macht sich auf die größte Mission, die das Festival zu bieten hat, der Suche nach einem Platz, wie ihn nur die mutigsten und tapfersten aufspüren können“. Gemeint ist eine geschützte Stelle, um biologischen Bedürfnissen nachkommen zu können, ohne sich in der Schlange an den DIXIs anstellen zu müssen.

Es kommt wie es kommen muss, unser Held in spe verirrt sich im Gestrüpp und trifft auf höchst merkwürdige Gestalten wie den Drachenwurm und den Iron Igel, die ihm vom „Whimperror“ berichten, dem absolut Bösen, der Wacken unter seine Kontrolle bringen und alle Metaller mit seiner Musik zum Wahnsinn treiben will. Ausgestattet mit dem mächtigen Flammenschwert des Oitiontiser, das ihm von dessen Gehilfen überreicht wird, macht sich unser Held auf, um das Festival und den wahren Heavy Metal zu retten. Nach kurzem Kampf kann er den Whimperror, der mittlerweile die Hauptbühne mit Hilfe seines Spezial-Mix von 4.800 übereinander gelegten Popstücken in seine Gewalt gebracht hat, enthaupten und das Festival, für dieses Jahr, retten.

Alleine bei dieser kurzen Inhaltsbeschreibung ernst zu bleiben und nicht vor Lachen vom Stuhl zu kippen, fällt selbst nach dem x-ten Durchblättern schwer. Oidium, selbst eingeschworener Wacken-Fan, reiht hier einen Schwachsinn an den nächsten, das aber auf höchstem Niveau und mit allerlei kleinen Anspielungen und Details, die, teilweise wohl nur Insidern auffallend, dem ganzen Werk seine persönliche Note geben. Alleine bei der Vorstellung von Charakteren und Schauplätzen gibt es schon kein Halten mehr. Da ist das „Dark Eye Inn“, Treffpunkt, Kneipe, Konzertsaal, Biergarten und 24-Stunden-Grill – es gibt keinen trueren Ort, wo sich die Bewohner des Universums niederlassen können, um dem Heavy Metal zu huldigen – und „Ein True“, eine genmanipulierte Kuh, „das wichtigste Tier überhaupt, da es Fleisch für das Dark Eye Inn liefert und Bier gibt, wenn man es melkt“. Das mag für nicht ganz Informierte einfach nur lustig wirken, für die wenigen Auserwählten und echten ‚Bewohner‘ des Dark Eye Inn, einer virtuellen Kneipe in einem Heavy-Metal-Forum im Internet, die den größten Teil ihrer Zeit damit verbringen, mehr oder minder fachkundig über Metal, Grillen, Bier und Fußball zu diskutieren, größtmöglichen Unsinn zu labern und sich pausenlos über sich selbst und andere lustig zu machen, ist das der Knaller schlechthin.

Aber auch ohne Insiderwissen kann sich der Leser an Kreaturen wie dem Iron Igel – in Anspielung auf das PRIMAL FEAR-Maskottchen Iron Eagle, den er in einer späteren Ausgabe sogar trifft -, der so gerne einen Hals hätte, damit er sich endlich selbst erhängen kann; dem total beknackten Drachenwurm; den genial gestalteten Dotwhimps, einer Mischung aus einem Helloween-Kürbis und den idiotischen Dingern aus der PRO7-Gewinnaktion oder augenzwinkernden Details wie z.B. dem Wegweiser „W:O:A: – Avantasia – Enchanted Land – Chrystal Empire“ erfreuen und sich immer wieder fragen, wie ein Mensch alleine auf so viel Unsinn kommen kann.

Wer hier etwas ernst nehmen will oder gar einen tieferen Sinn sucht, der ist selbst schuld. „Fire & Steel“ ist purer Blödsinn aus dem reinen Spaß daran. Wenn hier eine tiefere Botschaft zu finden ist, dann höchstens die, nicht immer alles so verbissen ernst zu nehmen, am wenigsten sich selbst. Eine ganz besondere Note bekommt das noch dadurch, dass kurz nach Erscheinen einiger Textpassagen im Internet ein Forum von Hobbyphilosophen den Text aufgegriffen und allen Ernstes über dessen tiefere Bedeutung diskutiert hat („…soll das vielleicht das Warten auf die Ankunft des Erlösers symbolisieren…?“). Wenn das Comic alleine schon für pausenloses Lachen gesorgt hat, hat diese Realsatire genau dessen, was Oidium so herrlich auf die Schippe nimmt, dem Ganzen noch die Krone aufgesetzt.

Nach dem eigentlichen Comic-Teil kommen noch drei – nennen wir es einmal vorsichtig ‚interessante‘ – Kochrezepte von BAL SAGOTH, MAT SINNER und DEVIN TOWNSEND, illustriert von Oidium, sowie ein mehrseitiger Vorabdruck des offiziellen HAMMERFALL-Comic „The Way Of The Warrior“ – Oidium hat die bei NUCLEAR BLAST erschienene „Comic Edition“ illustriert – und letztlich wird das Werk durch die bei POWERMETAL.de erschienene „Metal History“ von Redaktionskollege Peter Kubaschk abgerundet (aufgrund einer kleinen Organisationspanne leider in der nicht lektorierten Vorabversion mit einigen Druckfehlern).

„Fire & Steel“ ist ein herrlicher Spaß für alle Metaller und/oder Wacken-Fans. Oidium hat einen eigenen, etwas kantigen, Zeichenstil mit satten Farben, der schwer vergleichbar mit anderen, gängigen Werken ist. Ihn aufgrund der Thematik mit den klassischen ‚Heavy Metal/Schwermetall‘-Comics vergleichen zu wollen, wäre sicherlich falsch. Die Illustrationen des HAMMERFALL-Comic scheinen ausgefeilter und aufwändiger zu sein als die des Oitiontiser, dazu muss aber gesagt werden, dass diese später entstanden sind und somit sicherlich auch eine Weiterentwicklung repräsentieren (die sich in Fire & Steel 2 und 3, die in Kürze rezensiert werden, noch deutlicher zeigt). Die unverzichtbaren Werbeseiten, ohne die das Projekt wohl nicht finanzierbar gewesen wäre, werden wohl nur notorische Nörgler stören.

Restexemplare können im Powermetal.de-Online-Shop oder über die Homepage von Jan bezogen werden : http://www.oidium-comics.de , auf der auch andere Illustrationen (u.a. Poster von GAMMA RAY und IRON MAIDEN sowie einige seiner Auftragswerke) zu sehen sind.

Auf Wunsch des Autors wurde nachfolgender Kommentar beigefügt:

„Ich bin erstaunt und positiv überrascht wie viel man doch dazu schreiben kann. Unglaublich. Ich dachte immer das erste Heft wäre totaler Müll weil zu viel Werbung drin ist und es den Eindruck macht, das man eigentlich noch gar nicht weiss, was der Kram soll.“ Oidi.
[Fehlergeschreibsel im O-Ton von Oidi, Anm. d. Lektors]

Taschenbuch: 128 Seiten