P. B. Kerr – Das Akhenaten-Abenteuer (Die Kinder des Dschinn 1)

Archäologie-Krimi für Jugendliche

Eigentlich dachten John und Philippa, sie seien ganz normale Kinder. Bis ihnen ihre Weisheitszähne entfernt werden und plötzlich unerklärliche Dinge passieren. Denn John und Philippa sind keineswegs wie alle anderen Zwölfjährigen. Sie sind Dschinn. Und ehe sie so recht wissen, wie ihnen geschieht, landen sie mitten in einem unglaublichen Abenteuer.

Nach London und Ägypten und sogar bis an den Nordpol geht ihre Reise, um die siebzig verschwundenen Dschinn des Pharaos Akhenaten (Echnaton) wiederzufinden. Denn nur so kann es John und Philippa gelingen, die Menschen vor der bösen Macht der Ifrit zu beschützen …(Verlagsinfo)

Der Autor

Der britische Autor P.B. Kerr wurde 1956 in Edinburgh/Schottland geboren. Er studierte Jura an der Universität Birmingham und arbeitete zunächst als Werbetexter, bis er sich einen Namen („Philipp Kerr“) als Autor, u. a. von Krimis und Thrillern für Erwachsene, machte. Viele seiner Bücher wurden internationale Bestseller, etliche mit großem Erfolg verfilmt. Für seine Arbeit wurde er u. a. zweimal mit dem Deutschen Kinderbuchpreis ausgezeichnet. Heute lebt der Vater von drei Kindern als freier Schriftsteller in einem Vorort von London. (www.rowohlt.de/autor/P_B_Kerr.488714.html)

„Die Kinder des Dschinn“ (Children of the Lamp) ist eine Fantasy-Buchreihe von P. B. Kerr, erschienen in deutscher Übersetzung zwischen 2004 und 2012. Die Hauptfiguren sind die Zwillinge John und Philippa, welche zusammen mit ihrem Onkel Nimrod zahlreiche Abenteuer zu bestehen haben, um das Wohlergehen der Menschheit zu sichern. Doch die beiden sind keine normalen Kinder, sondern Dschinn aus dem angesehenen Stamm der „Marid“.

Die Kinder des Dschinn

1 Das Akhenaten Abenteuer 2004 The Akhenaten Adventure
2 Gefangen im Palast von Babylon 2005 The blue Djinn of Babylon
3 Das Rätsel der neunten Kobra 2006 The Cobra King of Kathmandu
4 Entführt ins Reich der Dongxi 2007 Day of the Djinn Warriors
5 Das dunkle Erbe der Inka 2009 The Eye of the Forest
6 Der Spion im Himalaya 2010 The Five Fakirs of Faizabad
7 Die Kristalle des Khan 2012 The Grave Robbers of Genghis Khan

Das erste Buch erschien auf Deutsch in einer Übersetzung von Johanna Ellsworth im Jahr 2004 im Oetinger Verlag Hamburg (ISBN 3-7891-4020-1). Inzwischen sind alle Bände auch in der Reihe rororo Rotfuchs bei Reinbek im Rowohlt-Taschenbuch-Verlag erschienen.

Handlung

John und Philippa Gaunt sind zwölfjährige Zwillinge, aber so unterschiedlich, dass sie jeder problemlos auseinanderhalten kann. John ist voll Temperament und Phantasie, Philippa bzw. „Phil“ eher ruhig, nachdenklich, vernünftig. Da beide aber unter Klaustrophobie leiden, meiden sie Aufzüge – ausgerechnet in New York City, in der es von Hochhäusern voller Aufzüge nur so wimmelt.

Da ihr Vater Edward ein reicher Investmentbanker ist und ihre Mutter Layla eine überaus schöne., elegante und bewunderte Wohltäterin, brauchen sich John und Phil keine materiellen Sorgen zu machen. Doch als sie zwölf Jahre alt werden, ereignen sich unerklärliche Dinge. John erwacht aus einem Alptraum von einem Erdbeben – und ein Riss zieht sich durch die Wand seines Zimmer und das Kopfende seines Betts. Der Riss sieht genau aus wie jener auf einem Foto von Kairo, bei dem ein Museum beschädigt wurde – von einem Erdbeben, wie Phil ihm zeigt.

Dass sie ihrer Wirtschafterin Mrs Trump ganz neben einen Wunsch erfüllen, im Lotto den Hauptgewinn zu tippen und mit dem Geld nach Rom zu ihren Töchtern reisen zu können, merken die beiden gar nicht. Erst als Layla Gaunt sie beide zum Zahnarzt bringt und dieser bei jedem Zwilling vier Weisheitszähne vorfindet, kommt eine Sache ins Rolle, die ihr Leben verändert.

Der Traum

Die Zähne müssen herausoperiert werden, und für die Operation werden die beiden betäubt. John freut sich schon auf eine Nahtoderfahrung. Was er wirklich erlebt, ist ein höchst merkwürdiger Traum – in dem seine Schwester und sein bis dato unbekannter Onkel Nimrod die Hauptrollen spielen. Nimrod trägt einen knallroten Anzug und ist auch sonst etwas exzentrisch. John kann irgendwie verstehen, dass seine Mutter auf ihren englischen Bruder nicht besonders gut zu sprechen ist. Nimrod bittet die Zwillinge dringend, nach England zu kommen, um ihm bei einer wichtigen Sache zu helfen. Was das ist, würde er ihnen erklären, sobald sie ihn in seinem Haus in London besuchen.

Zunächst zweifeln John und Philippa an der Echtheit ihres Traums, denn für die Zwillinge ist es nichts Besonderes, den gleichen Traum zu haben. Erst als sie merken, dass wirklich einiges merkwürdig verläuft, dass sie innerhalb weniger Tage um mehrere Zentimeter gewachsen sind und dass ihre Eltern rätselhafte Gespräche führen, entschließen sie sich, Nimrods Bitte zu folgen. Es erweist sich als Klacks, Dad um den kleinen Finger zu wickeln. So entgehen sie dem grässlichen Schicksal, von einem gewissen Dr. Griggs wieder „zurechtgebogen“ zu werden.

Nach London

Der Jumbo-Jet fliegt mit 500 Passagieren los, kommt aber nur mit 498 an. Ein sichtlich nervöser Pilot befragt Philippa, die mit dem Ehepaar Barstool als letzte gesprochen hat. Dem sehr übergewichtigen Ehepaar war beim Flug schlecht geworden, und sie wünschten sich, lieber wieder zurück in Poughkeepsie im Staat New York zu sein. Phil ahnt nicht, dass sie es war, die ihnen diesen Wunsch erfüllt hat.

Onkel Nimrod

Erst Onkel Nimrod – wieder angetan mit feuerrotem Anzug und ebensolcher Krawatte – klärt die Kinder über ihre wahre Natur auf: Sie seien Dschinn. Und zwar welche von den drei guten Stämmen der Marid, Jinn und Jann. Durch ihn und Mr. Rakshasas, einem sehr weisen Dschinn und guten Freund Nimrods, lernen die beiden zusammen mit den Lesern die Welt der Dschinn kennen. Und sie erfahren, welche große Aufgabe sie erwartet: nichts Geringeres als die Rettung der Welt. Zunächst geht die Reise nach Kairo. Dort soll es vor Dschinn nur so wimmeln…

Hintergrundwissen: Die Welt der Dschinn

Es gibt auf dieser Welt sechs Dschinnstämme. Die guten Stämme sind die Marid, die Jann und die Jinn. Die bösen Stämme setzen sich zusammen aus den Ifrit, den Ghul und den Shaitan. Die guten Stämme sorgten für Glück, während die bösen Stämme für Pech und Unglück sorgten, welches sie mit Hilfe von Kasinos verbreiteten. Durch diese Gegensätze entstand ein Gleichgewicht von Gut und Böse, das „Homöostasis“ getauft wurde.

Die Geschichte der Dschinn begann, als Gott Engel und Dschinn erschuf. Gott formte die Engel aus Licht, denn sie sollten die Erde vom Himmel aus bewachen. Die Dschinn entstanden aus dem Feuer und sollten die Menschen (die aus Erde erschaffen wurden) glücklich machen.

Doch irgendwann wurde allen Lebewesen die große Entscheidung über Gut und Böse aufgezwungen. Die meisten der Engel entschieden sich für das Gute, doch diejenigen, die das Böse wählten und fortan nur noch ‚gefallene Engel‘ oder ‚Dämonen‘ genannt wurden, waren so stark, dass niemand ihren Namen auszusprechen wagte. Dies waren die Ifrit. Noch heute bedeutet „shaitan“ im Arabischen so viel wie „Teufel“.

Mein Eindruck

Dieser Auftaktband weist die Schwäche aller Startbände einer Reihe auf: Es dauert ziemlich lange, bis irgendetwas Entscheidendes passiert und so etwas wie ein Plot in Gang kommt. König Artus hatte den Zauberer Merlin als Ausbilder, hier haben die Zwillinge den etwas unkonventionellen Onkel Nimrod als Lehrer. Der Exzentriker ist jedoch sehr belesen und kümmert sich bestens um die Ami-Kids, auch wenn sie manchmal etwas nervig sind. Sie sind Amis und müssen erst noch lernen, was bedeutet, ein Wesen aus Feuer zu sein.

Nimrod, dessen Name schon sein biblisches Alter verrät, wird flankiert von zwei ungewöhnlichen Figuren. Mr. Rakshasas lebt als uralter Geist aus Indien in einer stilechten Öllampe. Man braucht sie wie in den Märchen aus „Tausendundeiner Nacht“ nur zu reiben und schon steigt er in einer Rauchwolke auf. Leider hat Mr Rakshasas nicht die geringste Ahnung von der modernen Welt.

Als Butler hat Nimrod den riesigen, aber einarmigen Mr. Groanin engagieren. Obwohl er wie ein Bodybuilder aussieht, ernährt er sich von Babynahrung, die er aus den bekannten kleinen Gläschen löffelt – ein grotesker Anblick. Trotz seiner furchteinflößenden Statur ist Mr. Groanin nämlich ein Angsthase und Jammerlappen. Was er am meisten fürchtet: das Wort, das mit W anfängt und mit „unsch“ aufhört. Zwei Wünsche hat ihm Nimrod schon erfüllt. Den dritten muss sich Groanin noch ausdenken. Ständig ist er damit beschäftigt, sich davor zu hüten, aus Versehen den kostbaren dritten Wunsch auszusprechen und zu vergeuden.

Das bringt uns zu der wichtigsten Eigenschaft der Dschinn: Sie erfüllen jeweils drei Wünsche. Auf diese Weise tragen sie zum Gesamtglück der Welt bei. Doch Obacht! Jede Wunscherfüllung schwächt ihren Urheber, wie Philippa sofort bei Mrs. Trump und dem Ehepaar Barstool feststellen musste. Zudem gibt es ein Umweltrisiko: Da sie Wesen aus Feuer sind, müssten sie niedrige Temperaturen meiden. Das aber kann man auch zu seinem Vorteil ausnützen, sofern man ein paar entsprechende Vorkehrungen getroffen hat.

Die Mission (Achtung, SPOILER!)

Wie es sich für einen Geist gehört, kann er in andere Wesen schlüpfen und durch deren Augen sehen bzw. durch deren Mund sprechen. Diese Art von Besessenheit funktioniert aber leider auch für die bösen Dschinn, die Ifrit. Der schlimmste der Ifrit ist Iblis (der wie „shaitan“ im Arabischen ebenfalls eine Bezeichnung für den Teufel ist). Diese üble Bursche macht nicht nur Kairo unsicher, sondern sucht auch nach dem Zepter des Echnaton (Akhenaten), in dem der Ketzer-Pharao seinerzeit 70 gute Dschinn eingesperrt haben soll.

Museen sind der Schauplatz für die Suche der guten wie der bösen Dschinn, und so wird die Geschichte in der zweiten Hälfte zu einer Jugendversion von „Indiana Jones“. Es geht sogar hinaus in die Wüste, um den begrabenen Onkel zu finden und zu befreien. Gar nicht so einfach, und die Zwillinge müssen ihren ersten Kampf gegen ein Monster des Iblis bestehen. Dabei zeigt sich, dass ihre Fähigkeiten einander perfekt ergänzen.

Leider sind sie manchmal nicht schnell genug in ihrer Reaktion, und so steckt Iblis sie seinerseits in ein gläsernes Gefängnis. Bloß gut, dass die Zeit für Dschinn anders verläuft als für Sterbliche, sonst wären unsere beiden Helden schon frühzeitig außer Gefecht gesetzt. Doch die nächste Station ist das Britische Museum, und dort ein Pharao-Zepter aus einer Vitrine zu klauen erweist sich als weitaus schwieriger – und Aufsehen erregender…

Die Übersetzung

Die Übersetzerin Johanna Ellsworth, die vermutlich einen Engländer geheiratet hat, verrät eine gute Beherrschung des Englischen, aber auch ein paar stilistische Unsicherheiten. Diese sind aber nur für den Fachmann zu entdecken, so dass die meisten Leser einfach darüber hinweglesen dürften.

S. 314: Statt einen Tiger eine „Raubkatze“ zu nennen, verwendet die Übersetzerin den Gattungsbegriff „Wildkatze“, der nun mal im Deutschen für eine Katzenspezies reserviert ist.

Jedes Kapitel mit einer kleinen Vignette zu eröffnen, finde ich sehr schön. Die Vignette zeigt eine Öllampe, der ein Rauschschwaden entsteigt, welcher wiederum denjenigen Buchstaben bildet, mit dem der erste Satz anfängt.

Unterm Strich

Die Idee, Zwillinge zu Dschinn auszubilden und dann zu Agentenmissionen für jugendliche James Bonds auszusenden, finde ich recht einfallsreich und anregend. Jonathan Strouds Dschinn Bartimäus hat vorgemacht, dass Dschinns einiges auf dem Kasten haben. Zudem bieten sie durch ihr langes Leben die Gelegenheit, quasi in die tiefe Vergangenheit zu reisen bzw. dort archäologisch tätig zu werden.

Auch Das Akhenaten-Abenteuer“ erweist sich als Archäologie-Krimi für Jugendliche. Anfangs häufen sich die Rätsel, die noch recht lustig sind. Aber der Mitte geht’s erst richtig los, und die Handlung verzweigt sich. Man muss den Roman schnell lesen, um den Überblick zu behalten. Die Identitäten erweisen sich zudem als trügerisch, wie von Figuren in Kairo nicht anders zu erwarten. (Es ist hilfreich, die Orient-Romane Karl Mays zu kennen.) Indy hatte es bei seinem Kairo-Aufenthalt hat ja auch nicht gerade leicht.

Allerdings könne die Zwillinge und ihr Onkel keine Nilpferdpeitsche schwingen oder einen Revolver einsetzen: Ihre Waffen sind rein geistiger Natur. Das macht sie fast schon zu Pazifisten. Allerdings ist häufig ihre Kombinationsgabe gefragt, ebenso wie ihre Kreativität beim Erschaffen von Objekten. Das führt öfters zu lustigen Fehlleistungen: Einen Ferrari-Sportwagen mit Jeep-Reifen zu versehen, darauf kann auch nur Philippa kommen.

Kurzum: Jugendliche lernen jede Menge und werden dabei gut unterhalten. Erwachsene müssen sich hingegen ab und zu das Gähnen verkneifen, denn Nimrod ist doch ein wenig zu altklug, so als wäre er in der Vorkriegszeit steckengeblieben und dies wäre im Grunde ein Fantasy-Roman von C.S. Lewis. Ich hoffe, die Figuren wie auch das jeweilige Ambiente werden zunehmend moderner.

Gebundene Ausgabe: 384 Seiten
Info: Children of the Lamp – The Akhenaten Adventure, 2004
Aus dem Englischen von Johanna Ellsworth
www.oetinger.de

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