Die erste Version dieses Buches, das damals noch den Namen „Klavier – Klavierspiel – Improvisation“ trug, wurde von Günter Philipp im Alter von 57 Jahren veröffentlicht.
Schon zu dieser Zeit konnte er mehr als nur einige Erfahrungen in der Musikwelt vorweisen: So studierte er an der Leipziger Hochschule sowohl Grafik und Buchkunst als auch Musik und übernahm auch bald an derselben Schule einen Lehrauftrag als Dozent. 1972 verließ er dann die Leipziger Uni und wandte sich der Dresdener Uni zu, an der er Dozent für Klavierspiel und Improvisation wurde. Aber natürlich lehrte er die Musik nicht nur, sondern machte auch selbst eine ganze Menge davon: So zum Beispiel über 450 Rundfunk- und Schallplattenproduktionen sowie zahlreiche Auftritte und Aufführungen. Auch die wissenschaftlichen Studien ließ er nicht zu kurz kommen und so hatte er eine ideale Grundlage, um sein Wissen und seine Erfahrungen niederschreiben zu können.
Leider hatte er dabei nicht die Freiheiten, die ein Autor heute genießt, denn er hielt sich ja zur Zeit der DDR im Osten auf. Deshalb musste seine erste Veröffentlichung einige Zensuren erleiden oder enthielt einige aufgezwungene Aussagen, wie zum Beispiel Zitate des Chefideologen Kurt Hager. Doch das wurde natürlich bei der ersten Gelegenheit nach der politischen Wende 1989 wieder umgeändert, so dass sich in der mir vorliegenden neuen Auflage vom Jahr 2003 keine Spuren der Kontrollen in der damaligen DDR mehr entdecken lassen.
Das Buch ist mit seinen an die 800 Seiten in Din-A4-Größe aber sicher kein Buch, das man einfach mal so durchlesen kann – sondern eher ein Nachschlagewerk, das sich hervorragend dafür eignet, wenn man seine Kenntnisse in den verschiedenen Bereichen, die mit Musik und vor allem mit dem Klavierspiel zu tun haben, auffrischen möchte. Vor allem das beigefügte ausführliche Stichwortverzeichnis hilft dem Leser sehr, sich in der Fülle der Informationen zurechtzufinden, wenn man Antwort auf bestimmte Fragen sucht. Und wenn man dann doch vorhat, diesen Brocken Papier längere Zeit am Stück in den Händen zu halten, sollte man für die zweieinhalb Kilo vielleicht noch ein paar Muckis mitbringen und keine schwächlichen Ärmchen haben wie bei meinereiner.
Auch für Leute, die einfach nur ein wenig Interesse an Musik haben und eine einfache Lektüre über ihr Hobby erwarten, ist dieses Buch mit Vorsicht zu genießen. Denn eigentlich wurde es hauptsächlich für Musikstudenten, Musiklehrer und Pianisten geschrieben, die sich für Interpretations- , Unterrichts- und Improvisationsfragen interessieren. Deshalb ist man auch in manchen Kapiteln ohne ein Fremdwörterlexikon verloren, wenn man kein Experte in diesem Gebiet ist. Vor allem das Kapitel über Interpretationen zu lesen ist nicht gerade entspannend, wenn man ständig über „agogische Freiheiten“, „Semantik“ oder „immanente konstruktive und expressive Tendenzen“ stolpert.
Thematiken, wie ‚Psychologische Grundlagen der Instrumentalpädagogik‘ oder ‚Grundbegriffe des Einzelunterrichts‘ sind da schon wesentlich einfacher zu lesen und auch für rein pädagogisch Interessierte sicherlich interessant.
Auch besteht das Buch nicht nur aus knochentrockenen wissenschaftlichen Abhandlungen, sondern enthält auch zur Auflockerung und zum besseren Verständnis immer wieder anschauliche Fallbeispiele. Natürlich muss man hier auch die erklärenden Zeichnungen und Bilder, sowie die über 400 Notenauszüge erwähnen, die Günter Philipp für dieses Buch ausgesucht hat.
Sogar ein recht ausführliches Kapitel über die Methodik des elementaren und auch des fortgeschrittenen Unterrichts ist in diesem Buch enthalten. Hier geht es zum Beispiel um die Unterrichtsgestaltung für Anfänger, bis hin zu Fingerübungen und Anweisungen über die richtige Handhaltung oder den Einsatz der Pedale.
Ja, sogar Hygiene spielt bei dem Musiker eine Rolle, sodass diese hier extra aufgeführt wird, obwohl hier nun eher Gesundheitserhaltung durch „Schlaf, Ernährung und aktive Erholung“ gemeint ist und weniger die Reinlichkeit des Musikers im Mittelpunkt steht. Aber auch von gesundheitlichen Beeinträchtigungen, zum Beispiel durch Stress, Lampenfieber oder andere Faktoren, ist die Rede. Dabei handelt Günter Philipp aber nicht nur die Aspekte solcher Einwirkungen ab, sondern versucht auch immer einige Tipps zur Problemlösung zu geben.
Da man ja aber doch nicht immer alleine musiziert, wurden auch Themen wie Spielen mit gesanglicher Begleitung oder im Ensemble in diesem Buch bedacht. Auch die anderen Kapitel, in denen es zum Beispiel um ‚Improvisation‘ (wie ja schon der Titel vermuten lässt) , um ‚Akustik‘, ‚Mikrofontechnik‘, oder das ‚Spiel im Studio‘ sowie um den Aufbau und die Eigenschaften des Klaviers geht, dürfen natürlich in so einem Werk nicht fehlen und finden sicher auch bei einigen Leser regen Anklang.
Fazit: Wie oben schon angesprochen, ist dieses Buch sicher für Leute – wie zum Beispiel Studenten, oder Lehrer – die sich in der gehobeneren und komplizierteren Musikwelt zurechtfinden, ein sehr gutes und ausführliches Nachschlagewerk, während ein Ottonormalmusikliebhaber wahrscheinlich so seine Probleme mit diesem Schinken haben könnte.