Douglas Preston & Lincoln Child – Burn Case – Geruch des Teufels

Ermittlungen unter dem Zeichen des Teufels

Hinter den Mauern eines prunkvollen Anwesens auf Long Island stößt Special Agent Pendergast auf ein grausames Verbrechen. Ein bekannter Kunstkritiker ist ermordet worden. Genauer gesagt: Er wurde verbrannt. Von innen nach außen. Aber wie soll so etwas möglich sein? Pendergast beginnt zu ermitteln. Dabei stößt er auf eine Spur, die weit in die Vergangenheit des Toten führt – und zu einem erschreckenden Geheimnis … (Verlagsinfo)

Die Autoren

Douglas Preston, Mitarbeiter des Naturhistorischen Museums in New York City, hatte sich bereits als Sachbuchautor einen Namen gemacht, als er den Verlagslektor Lincoln Child kennen lernte. Gemeinsam schrieben sie 1995 den Wissenschaftsthriller „Relic“, der ein verfilmter Bestseller wurde. Danach folgten bislang sieben weitere Erfolgstitel: Preston liefert den wissenschaftlichen Hintergrund, Child arrangiert die Spannungsbögen. (Verlagsinfo)

Der Sprecher

Detlef Bierstedt ist die deutsche Stimmbandvertretung von George Clooney und Jonathan Frakes (Star Trek TNG). Er hat auch schon die Dick-Francis-Romane sowie Dan Browns „Diabolus“ gelesen.

Der Text wurde von Dr. Arno Hoven gekürzt. Die Intro- und Extro-Musik steuerten Horst-Günther Hank und Ricarda Witte-Masuhr bei. Für Regie und Produktion zeichnete Marc Sieper verantwortlich.

Handlung

Als die Putzfrau Agnes das obere Zimmer in Mr. Jeremy Groves Haus auf Long Island reinigen will, steigt ihr an der zweiten, mit einem Codeschloss gesicherten Tür ein brenzliger Geruch in die Nase. Auch die nächste Tür ist versperrt, und der Türknauf stellt sich als heiß heraus. Nun wird ihr angst und bange, so dass sie lieber die Polizei ruft. Die findet denn auch Jeremy Grove, allerdings hat er einen schweren Fall von Verbrennung erlitten. Er ist mausetot. Was Agnes allerdings am meisten verstört, ist der hufeisenförmigen Abdruck auf seiner Brust. Als ob der Teufel draufgetreten wäre.

FBI Special Agent Aloysius Pendergast begrüsst seinen alten Bekannten Sgt. Vincent Dagosta von der New Yorker Polizei, doch der übereifrige Lt. Brasky hält Pendergast in seinem bunten Hawaiihemd für einen Touristen und scheucht ihn weg. Erst als Pendergast sich ausweisen kann, wird Brasky hilfreich, ja, geradezu devot und lässt ihn an den Tatort. Das Gesicht des Toten ist eine Fratze des Grauens. Der Körper wurde von innen heraus verbrannt, quasi gar gekocht. Ein Fall von spontaner menschlicher Selbstentzündung wie bei Mary Reezer? Das Brandzeichen stammt eventuell von einem Anhänger, der verschwunden ist.

Vor seinem Tod rief Grove Reverend Cappi an, den Pendergast und Dagosta zusammen besuchen. Der Geistliche besuchte Grove einst in Florenz, wo er ihn und seine Frau traute. Inzwischen ist die Frau mit einem anderen auf und davon. Seitdem führt sich Grove als bissiger Kunstkritiker auf, der jedem ans Bein pinkelt und Alkoholexzesse feiert. Seltsamerweise wollte Grove in der Nacht vor seinem Tod bei Cappi die Beichte ablegen und Absolution für seine Sünden erlangen. Was war geschehen?

Die zwei Ermittler finden heraus, dass Grove – was Wunder! – jede Menge Feinde hatte. Doch er hatte sie am Vorabend seines Todes alle zu einer Dinnerparty eingeladen, um sich mit ihnen zu versöhnen. Auf einer Vernissage lernen die Schnüffler diese Herrschaften kennen: die reiche Lady Millbank, der Sammler Graf Fosco, der Künstler Vilnius, der Kritiker Jonathan Frederick. Grove war einmal Lady Millbanks Geliebter und Fosco, der Italiener, lieh Grove sein silbernes Kreuz, das nun leider geschmolzen in der Asservatenkammer der Polizei liegt. Aber es stellt sich heraus, dass Fosco durch Groves Kritik 15 Mio. Dollar verloren hat – nicht gerade ein Pappenstiel.

Es gibt noch weitere Verdächtige. Der Musikproduzent Nigel Cutforth wurde von Grove angerufen, weil er etwas aus dessen Sammlung haben wollte, doch Cutforth weigerte sich, das Gewünschte zu verkaufen. Auch der zwielichtige Finsterling Lock Bullard scheint Dreck am Stecken zu haben, aber man kann ihm nichts nachweisen. Er tätigt seine Geschäfte auf seiner Jacht in internationalen Gewässer, wo ihm keiner am Zeug flicken kann. Wie sich herausstellt, ist er im Rüstungsgeschäft. Illegal, versteht sich.

Am nächsten Abend klagt Cutforth über eine ungewöhnliche Hitze in seinem Zimmer. Quasi als Vorwarnung hatte er zuvor einen blutigen Hauer gefunden. Eine tiefe Stimme sagt: „Maledicat Dominus.“ Und: „Hier bin ich und komme, dich zu holen!“ Gleich darauf explodiert Cutforths Körper. Die Nachbarin unter ihm beschwert sich über den Lärm und das heiße Fett, dass von ihrer Decke auf den schönen Teppich tropft …

Das Auftreten des Teufels in New York City und auf Long Island ruft Spinner wie Reverend Buck auf den Plan. Er fühlt sich berufen, die Menschheit vor dem nahen Untergang und dem Erscheinen des Antichristen zu warnen. Wenige Tage nach seiner Ankunft in der Hudson-Metropole entsteht im Central Park eine Zeltstadt mit Fanatikern, die etwas dagegen haben, wenn man ihren Anführer zur Vernunft bringen will.

Die Spur führt Pendergast und Dagosta ins Jahr 1974. Grove hatte einen Freund namens Beckman, der 1995 als Stadtstreicher vor die Hunde gegangen ist, aber mal ein Kenner der italienischen Renaissance war. In dessen Nachlass finden sie ein wichtiges Foto. Es zeigt Grove und Beckman neben Cutforth und Bullard. Das Foto wurde vor dem Studentenwohnheim in Florenz aufgenommen. Was hat die vier Männer damals verbunden, dass sie sich an Reverend Cappi wandten?

Als sie dorthin reisen, geraten sie wieder Bullards Machenschaften in Sachen Waffenhandel in die Quere und überleben nur mit knapper Not. Sie sind aber noch überraschter, hier einen alten Bekannten wiederzutreffen: Graf Isidor Fosco. Und er hat ganze Menge Überraschungen für sie parat …

Mein Eindruck

Das Autorengespann Preston und Child hat ja schon einige Bestseller fabriziert, die mit hanebüchenen Ideen aufwarten, aber auch diesmal strapazieren sie die Gutgläubigkeit des Lesers bzw. Hörers aufs Äußerste. Hat der Teufels persönlich zugeschlagen? Na, wohl doch nicht, denken sich die schlauen Ermittler, das dynamische Duo aus FBI-Agent und beinahe gescheitertem Cop.

Oder ist die „spontane menschliche Selbstentzündung“ (SMB) dafür verantwortlich zu machen, dass die Opfer der rätselhaften Todesserie von innen heraus verbrannten? Auch dieser Vermutung will der moderne Mensch, der an die Wissenschaft und ihre vernünftigen Lehren glaubt, nicht so recht auf den Leim gehen.

Technik à la Bond

Doch wie sagte schon der Erfinder von Sherlock Holmes: So unglaublich es auch scheint, so muss doch das, was am Ende dessen, was auszuschließen ist, übrig bleibt, die Wahrheit sein. (Oder so.) Mithin bleibt also nach Eliminieren von Metaphysik und unwahrscheinlichstem Zufall nur die gute alte James-Bond-Technik. Ein gewiefter Leser bzw. Hörer kann sich anhand der Hinweise schon recht bald ausrechnen, um was es sich handeln dürfte.

Bis deren Geheimnis allerdings gelüftet ist, vergeht noch eine ganze Weile an mit Action vollgepackter Handlung. Dass die Schnüffler selbst gejagt werden, versteht sich praktisch von selbst, denn sie stecken ihre Nase in Dinge, die sie einfach nichts angehen, wenn es nach den Schurken im Stück geht. Da gibt es einige packende Szenen zu genießen.

Um das Finale möglichst aufregend zu gestalten, greifen die beiden Autoren tief in die Mottenkiste des Actionthrillers. Da wird der Held Pendergast eingesperrt, er wird gejagt, wieder gefangen, kommt eventuell frei oder auch nicht, während diverse Geheimnisse und Rätsel seinen Kumpel Dagosta auf Trab halten und schier um den Verstand bringen. Was aber das Gesetz der Serie anbelangt, so endet der Roman ungewöhnlich, indem er dagegen verstößt. Mehr darf ich nicht verraten.

Ein Mann wie Sherlock

Das seltsamste Element dieses Romans ist vielleicht der Oberschnüffler selbst: Aloysius Pendergast scheint ein Mittelding aus beinhartem Ermittler, vollendet gebildetem Lebemann und einem Gentleman alter Schule zu sein. Jedenfalls lebt er – unter anderem – in einem Haus am Rande eines ziemlich üblen New Yorker Viertels, nennt dortselbst eine exzellent bestückte Bibliothek sein Eigen und unterrichtet eine junge Dame namens Constance in dem, was man gemeinhin als die moderne Welt bezeichnet. Ein richtiger Gutmensch also. Aber Sherlock Holmes war ja auch ein komischer Kauz.

Sgt. Dagosta hat es mit ihm nicht leichter als Dr. John Watson mit dem Gegenstand seiner Biographie. Und dieser Gedanke würde Dagosta sehr gefallen, hat er doch selbst ein paar Krimis unters Volk gebracht, um sich die Brötchen zu verdienen. Er entpuppt sich zudem als Charmeur alter Schule, wenn er sich mit seiner früheren Kollegin, die jetzt sein Chef ist, anfreundet. In der Folge darf er um sie bangen, als sie sich mit Reverend Buck anlegt und froh sein kann, wenn sie dessen Zeltstadt lebendig wieder verlassen kann.

Der Sprecher

Das Hörbuch wird von Detlef Bierstedt kompetent vorgetragen, so dass man dem Text mühelos folgen kann. Er muss sich nicht besonders anstrengen, denn die amerikanischen und italienischen Namen auszusprechen, ist diesmal kein großes Kunststück für einen Mann mit Allgemeinbildung. Nur an einer Stelle muss er auch einen stimmlichen Spezialeffekt bemühen, und zwar als sich das Leben des zweiten Schurken – es gibt ja mehrere – seinem unzeitigen Ende nähert: Er röchelt.

Da auch die Anzahl der Figuren sich in Grenzen hält, gerät man nie in Gefahr, die Übersicht zu verlieren. Humor gibt es ebenfalls zu genießen, denn Dagosta, der sich einiges auf seine italienischen Sprachkenntnisse zugute gehalten hatte, wundert sich, dass niemand in Florenz sein astreines Italienisch versteht. Kein Wunder, belehrt ihn Pendergast. Dagosta spricht den neapolitanischen Dialekt, nicht den florentinischen.

Das musikalische Intro scheint ein Ausschnitt aus Vivaldis Evergreen-Suite „Die vier Jahrzeiten“ zu bestreiten. Auch kein übler Einstieg. Geräusche gibt es keine.

Unterm Strich

Die Schreibfabrik Preston und Child bietet wieder einmal alles auf, was gut und teuer – und ganz besonders, was angesagt – ist. Die guten alten James-Bond-Wunderwaffen bringen es nicht mehr, und auch Rüstungsschieberei haut einen Leser nicht mehr vom Sockel. Deshalb also die Masche mit dem Teufelsbund, die ausgezeichnet in den aktuellen Pseudomystik-Mittelalterkult à la Dan Brown passt. Nostradamus, steh uns bei! Wer außer Unterhaltung auch noch Tiefgang sucht, ist hier an der falschen Adresse.

Das Hörbuch wird von Detlef Bierstedt kompetent gestaltet, bietet aber ansonsten keine Zutaten wie etwa Musikuntermalung oder gar eine Geräuschkulisse. Vielleicht ist es deshalb ein wenig preisgünstiger als ähnliche Produkte mit 6 CDs ausgefallen. Es kostet knapp 23 Euronen.

471 Minuten auf 6 CDs
Originaltitel: Brimstone, 2004
Aus dem US-Englischen übersetzt von Klaus Fröba
www.luebbe.de