Susan Price – Die Elfling-Saga

Der Elfling-Zyklus:

Band 1: „Der Erbe der Krone“
Band 2: „Das Heer der Toten“

Beide Romane in einem Band: „Die Elfling-Saga“

Nordische Action-Fantasy aus England

Er ist das Kind einer Frau aus dem Elfenreich. Aber er ist auch der Sohn eines Königs, und er fordert die Krone, die ihm nach altem Recht zusteht. Doch er hat nicht mit der Tücke der Priester gerechnet, die ihn „Teufelsbrut“ nennen. Denn sie behaupten, dass er keine Seele besitzt. (Verlagsinfo)

Die Autorin

Susan Price, hat in Großbritannien 50 Bücher, meist für jüngere Leser, veröffentlicht. Sie wurde v.a. bekannt durch ihren Roman „Die Starckarm-Saga“, der den renommierten Guardian Children’s Fiction Award erhielt und für die Carnegie Medal nominiert wurde.

Ghost World:
1. The Ghost Drum (1987)
2. Ghost Song (1992)
3. Ghost Dance (1993)

Olly Spellmaker:
Olly Spellmaker and the Hairy Horror (2004)
Olly Spellmaker and the Sulky Smudge (2004)
Elf Alert! (2005)

Odin-Trilogie:
1. Odin’s Voice (2005)
2. Odin’s Queen (2006)
3. Odin’s Son (2007)

Handlung von Band 1: Der Erbe der Krone

Der im Sterben liegende König Eadmund bestimmt auf mit seinem letzten Atemzug seinen unehelichen Sohn Elfling zum Nachfolger. Nicht nur sein Bruder Athelric ist erstaunt, sondern noch viel mehr seine drei ehelichen Söhne Unwin, Hunting und Wulfweard. Der christliche Mönch Vater Fillan fürchtet, dass der christliche Glaube, zu dem er die tote Königin und ihre drei Söhne bekehrt hat, unter einem Elfenherrscher dem Untergang geweiht ist. Und noch unheilvoller scheint ihm, dass sich die Könige dieses Reiches als Söhne Wodens, des obersten nordischen Gottes, betrachten – Heiden!

Während Athelric, nunmehr der Vornehmste unter den 1200 Adligen des Angelsachsen-Reiches, dem Ältestenrat die Verfügung des gestorbenen Königs mitteilt, schmieden Eadmunds Söhne ein Komplott gegen diesen unliebsamen Konkurrenten. Gezeugt mit einer dahergelaufenen Elfenfrau, pah, so ein DING! Niemals darf es den Thron besteigen. Als Ersten bestimmt Unwin, der hünenhafte Älteste, Hunting dazu, Elfling den Garaus zu machen. Man sagt, der Bastard lebe als Heiler in Hornsdale.

Hornsdale

Elfling wird nicht ohne Grund als Heiler betrachtet und von vielen Menschen aus nah und fern auf seinem bescheidenen Bauernhof besucht. So auch heute. Die leibeigene Magd Ebba, die in Elfling verknallt ist und mit ihm ab und zu das Lager teilt, beobachtet, wie ein vornehmer Kaufmann aus dem dänischen Danelaw anreist, um seine angeblich unfruchtbarer Frau heilen zu lassen. Die Hausverwalterin Hild stößt ihm schnell Bescheid, dass ihr Herr auf den Feldern arbeite.

Das Warten im Dreck und unter den Flöhen des Hofes zerrt schwer an Kaufmann Morac Sweynssens Nerven, und deshalb ist er ungehalten, als der Herr des Hauses endlich eintrifft. Als Reaktion wirft Elfling sämtliche Kissen und Decken Moracs um ein Haar ins Feuer. Nur Hild gelingt es, die Wogen zu glätten, so dass Morac klein beigibt. Am nächsten Morgen umarmt der Hausherr Moracs Gattin und verkündet, sie sei ihrem Gatten stets treu gewesen. Will heißen: nicht sie ist schuld, dass der Kindersegen ausblieb, sondern ihr Gatte! Der wutentbrannte Kaufmann wird jedoch von Elflings magischem Blick in die Schranken gewiesen. Der Elfling beschließt, auf die Jagd zu gehen. Morac ist er ein Rätsel.

Ebbas hört weitere Reiter ankommen: Bewaffnete eines hohen Fürsten, den wertvollen Rüstungen nach zu urteilen. Doch als ihr Anführer, kein anderer als Hunting, den Hausherrn nicht vorfindet, lässt er vorsichtshalber alle Augenzeugen niedermetzeln. Nur Ebba entgeht dem Massaker durch eine List. Dann legt sich Hunting auf die Lauer.

Die Walküre

Elfling hat die Nacht im Freien verbracht. Ein unnennbarer Schmerz am vorigen Tag hat ihm gesagt, dass etwas sehr Schlimmes passiert sein muss. Geht es ihn etwas an, fragt er sich. Möglicherweise, aber andererseits sind die Menschen nicht so wie er. Als er die Gestalt in Rüstung und Umhang neben sich erblickt, als er erwacht, glaubt er zunächst, einen Soldaten vor sich zu haben. Doch sie ist eine Frau. Ein sechster Sinn sagt ihm, dass sie ein höheres Wesen ist und behandelt sie mit größter Ehrerbietung.

Daran tut er gut, denn es handelt sich um eine Walküre, ein Schildmaid Wodens, die in der Schlacht die Gefallenen zur Halle ihres Herrn bringt. Aber wie Elfling herausfindet, ist die Walküre noch wesentlich mehr: Sie entfacht die Schlacht selbst! Und deshalb führt sie ihren Schützling zu seinem Bauernhof zurück und zeigt ihm, was vorgefallen ist. Will er sich nicht an seinem Bruder rächen? Und ob!

Schon bald stößt die Walküre auf dem Dach seines Haupthauses einen markerschütternden Schrei aus, der selbst Tote geweckt hätte.

Mein Eindruck

Ich habe das Buch in nur wenigen Stunden gelesen, denn die Autorin (die mir bis dato unbekannt war) wartet mit einigen kuriosen Einfällen auf. Dass der Erbe der Krone im Abseits, also quasi im Exil, lebt, kennen wir ja schon von Aragorn hr. Aber dass er so mir nichts, dir nichts Hilfe von einer echten Walküre bekommt, wäre mir neu. Walküren tauchen nämlich üblicherweise erst während der Schlacht auf, nicht davor.

Die Walküre

Daher hat Jarnseaxa, die Walküre Eisenschwert, eher die Funktion, die in der griechischen Antike einer Göttin zukam. Als da wäre: Den Helden zu beschützen, zu erziehen, auszubilden und, sofern er alle gestellten Aufgaben besteht (und überlebt) zu lieben. Außerdem verhilft sie ihm zu einer Geheimwaffe, dem ehernen Schwert „Wodens Versprechen“, das leider, wie der Gott selbst, verräterische Eigenschaften aufweist: Einmal gezogen, muss es Blut trinken, und wenn es das seines Trägers wäre. Diese Waffe erinnert stark an Elrics schwarzes Schwert Sturmbringer, das Seelen trinkt.

All dies geschieht im Mittelteil des Buches und macht diesen recht kurzweilig, denn die Walküre ist wahrhaftig unberechenbar – eine starke Frauenfigur, wie man sie in amerikanischer Fantasy, die bei uns überwiegt, leider nur selten findet. Zum Glück ist die Autorin Engländerin und kennt sich mit ihren nordischen und altenglischen Quellen offenbar bestens aus.

Seelenwanderung

Ein weiteres interessantes Element ist die Seelenwanderung in die Anderswelt. Bekanntlich betrachteten die nordischen Völker – und somit offenbar auch die Sachsen und Dänen im Buch – die Welt der Menschen als die Mittelerde. Daneben gab es noch acht weitere Welten, so etwa die der Götter (Asen), Riesen und natürlich die Unterwelt von Hel. Sie werden im Anhang zu Joanne Harris‘ Roman „Feuervolk / Der leuchtende Stein“ genau beschrieben.

Wie auch immer: Es gibt Mittel und Wege, dass ein sterblicher Mensch dorthin gelangen kann. Zumindest mit seiner Seele. Dieses Wagnis unternimmt Wulfweard, der jüngste der drei Königsöhne, denn aus Ebbas Bericht über das Massaker auf Elflings Bauernhof weiß inzwischen das gesamte Königreich von den mysteriösen und blutigen Vorgängen dort. Und dass sie den Prinzen die Rache Elflings androht, macht Ebbas Schicksal nicht unbedingt leichter.

Bevor es also dazu kommt, macht sich Wulfweard auf den Weg. Die Priesterinnen Eostras singen die Runenlieder, die seine Seele entbinden und auf den Weg schicken. In der Anderswelt tritt er dann tatsächlich Elfling gegenüber, doch gegen dessen verzaubertes Schwert hat er eigentlich keine Chance. Oder doch? Der Kampfverlauf ist voller überraschender Wendungen, denn Elfling will seinen Bruder gar nicht töten. Er will einen Bruder, keinen Feind.

Der Schreiende Stein

Ein weiteres originelles Element ist der Schreiende Stein. Dieser Fels mit der Mulde in Form eines Fußes dient dazu, den wahren König auf mystische Weise zu prüfen. Die Götter müssen ihren Segen dazugeben, den erwählten König auf den Thron zu heben. Einen solchen Stein gibt es in Schottland, den Stone of Scone. Er zählt zu den schottischen Nationalheiligtümern und in den alten Sagen und Legenden zu den Artefakten der Götter (neben Schwertern, Speeren, Kesseln usw.).

Natürlich ist genau der Moment, wenn der gewählte König Athelric seinen Fuß auf den Stein setzt, von entscheidender Bedeutung. Und deshalb erscheint genau in diesem Moment auch der Widersacher, der ihm den Thron streitig macht: Aber ist Elfling wirklich der wahre König, fragen sich Adlige und versammeltes Volk? Oder ist er nicht vielmehr der Teufel in Person, wie Unwin und seine Christen glauben?

Handlung von Band 2: Das Heer der Toten

Elfling, der uneheliche Sohn von König Eamund, hat nach dessen Tod trotz allen Widerstands die Krone gewonnen – die Krone eines Elfengeborenen. Eine Walküre hat ihm erheblich dabei geholfen, den Widerstand der drei legitimen Königssöhne Unwin, Hunting und Wulfweard zu überwinden. Dabei tötete er Hunting, bekehrte Wulfweard und vertrieb Unwin ins dänische Exil.

Doch um das Leben des schwer verwundeten Wulfweard jat Elfling ein folgenreiches Opfer gebracht: Er hat seinem Liebes- und Kampfbund mit der Walküre entsagt und sich in die Hände Wodens, des Obergottes, gegeben. Denn Woden hat bereits die Seele Wulfweards für sich beansprucht. Als Elfling auf Unwins Anwesen eintrifft und es für sich beansprucht, kann Wulfweard hier genesen. Die Hausherrin und Unwins Ehefrau, die Königstochter Kendidra, pflegt den Prinzen zusammen mit Elfling gesund. Sie ist erstaunt, dass der neue König sie und ihre Kinder am Leben lässt. Und er scheint wirklich nicht der Unmensch oder Teufel zu sein, als den ihn ihr Mann hingestellt hat. Nur ihr Sohn Godwin lehnt die „Elfenbrut“ von vornherein ab. Er wünscht sich seinen Vater zurück.

Unwin Eamundssohn

Und Woden, der nichts anbrennen lässt, kümmert sich bereits um Unwins Rückkehr. Schließlich hat Woden Aussicht auf viele Seelen von Kriegern, die er nach Walhalla rufen kann. In der Gestalt eines einäugigen Harfners begibt er sich an König Loverns nordsächsischen und vor allem christlichen Thron. Hier wartet Unwin auf seine Gelegenheit.

Sie scheint endlich gekommen zu sein, als der dänische Jarl Ingvald, der Bruder der dänischen Geisel Ingvi, überlegt, ob sich in diesem Land Beute machen ließe. Ingvald ist jedoch extrem vorsichtig, auch in seinen Tributzahlungen an Lovern. Doch kaum hat Woden seine Harfe erklingen lassen und sein Lied gesungen, als alle Herzen wie betäubt zur Schlacht streben. Und König Lovern, so scheint es, gibt frohgemut seinen Segen zum Kriegszug Unwins. Hinterher wundert sich der König allerdings, ob er all dies selbst gesagt hat …

Die Insel

Unwin brandschatzt und verwüstet Elflings Land, bis er nach Kingsborough gelangt, eine Stadt, die dem König selbst Pacht zahlt – daher ihr Name. Auch hier massakriert er sämtliche Männer und plündert die Vorräte. Es ist hier, wo Elflings Angebot eines Waffenstillstands ihn erreicht. Auf einer Flussinsel handeln Unwin, die Dänen und Elflings Sachsen die Bedingungen des Waffenstillstands aus, den Elflings unbedingt braucht, damit seine Männer die Ernte einbringen können. Tun sie dies nicht, droht eine Hungersnot. Er lässt sich neben der Geldforderung auf eine ungewöhnliche Bedingung Unwins ein: Dass er am Julfest in Julburg am Grab seiner Mutter Ealdfrith, einer Heiligen, beten darf. Elfling willigt ein. Der Harfner sieht es zusammen mit seiner Begleiterin, der wahnsinnigen Ebba, mit Genugtuung.

Das Julfest

Ingvi und Ingvald erkennen mit Entsetzen, dass Unwin ein für sie bislang unvorstellbares Verbrechen begehen will: den heiligen Frieden des Julfestes durch Waffengewalt zu brechen und den König zu ermorden. Er fühlt sich nicht an die Schwüre, die er einem Heiden gegenüber geleistet hat, gebunden. Doch die beiden Dänen haben Unwin den Treueid geleistet und müssen nun mitmachen, ob sie wollen oder nicht.

Der Harfner Woden und Ebba, die wahnsinnige Prophetin, haben mitgeholfen, dass sich die Tore der Halle, in der Kendridas Leute das Julfest feiern wollen, unter dem Ansturm von Unwins Kriegern öffnen. Woden hat Elflings Wachen in den Schlaf gesungen. Nun hofft er auf reiche Beute unter den Kriegern der nichtsahnenden Sachsen. Die Bluternte ist mehr als reichlich. Doch wo ist der König?

Das Gräberfeld

Es ist eine klirrend kalte Dezembernacht, als sich Elfling und Wulfweard, sein Bruder, der wie sein Zwilling aussieht, auf dem Gräberfeld hinter Unwins Burg einfinden. Sie entkleiden sich, um die Toten zu ehren, wie es zu Jul bei den Sachsen Brauch ist. Nackt tanzen sie den Schwerterkampf, damit ihr Blut die Toten nähre.

Doch diesmal ist alles anders. Das gaffende Volk wird unversehens von hinten angegriffen und niedergemacht. Selbst vor dem Onkel des Königs macht Unwins Hass keinen Halt. Am Schluss stehen Elfling und Wulfweard, zwei nackte Männer, gegen einen ganzen Trupp Krieger. Was können sie schon ausrichten?

Mein Eindruck

Dieser Roman ist völlig anders aufgebaut als sein Vorgänger. Wo dort eine episodische Darstellung vorherrscht, bei der der Blickwinkel hin und her springt sowie zwischen den Episoden erhebliche Zeitunterschiede sichtbar werden, gibt es hier eine homogene Entwicklung. Das führt zu zwei Wirkungen: Die Katastrophe entfaltet eine viel stärkere Wucht, aber wir müssen lange darauf warten und geduldig sein.

Frauenperspektive

Wie zuvor sehen wir das Geschehen häufig aus der Perspektive von Frauen. Die „verrückte“ Prophetin Ebba, die Elfling liebend verehrt und daran verzweifelt, tritt auch hier wieder auf und begleitet den Gott Woden, der als Harfner auftritt, bei dessen magischem Treiben. Die Gegenfigur ist Unwins Frau Kendrida, die sich nach dem Verlust ihres geflohenen Mannes um Leib und Leben nicht nur ihrer selbst, sondern vor allem ihrer Kinder sorgt. Wir folgen ihrem Schicksal durch die ganze Geschichte hindurch, und es ist wahrlich kein leichtes Schicksal, das Woden und Unwin für sie vorgesehen haben. Unwin will alles Heidnische mit Stumpf und Stiel ausrotten. Weil Kendrida am Glauben ihrer Ahnen festhält, schwebt sie in Gefahr.

Hauptfiguren

Neben diesen langsamen Entwicklungen ist es unerlässlich, die Wandlungen der Hauptfiguren zu verstehen. Elfling hat seiner Walküre entsagt und sich in die Hand Wodens gegeben, um auf diese Weise Wulfweards Seele vor Walhalla retten zu können. Wulfweards Körper, durch Elflings Heilkunst am Leben gehalten, genest mit Hilfe der wiedergewonnenen Seele. Wir müssen verstehen, warum Elfling so viel für einen Bruder riskiert, den er nie zuvor gesehen hat: Er will einen Seelengefährten, der ihm in der Not beisteht. Dieser Wunsch setzt aber auch das sagenhafte Bild der Zwillingsbrüder Wodens um, die einander schützen. In der Stunde der Not zeigt sich, dass Elfling völlig im Recht ist.

Dieser Roman hält am heiligen Julfest Szenen größten Frevels ebenso wie größter Brutalität bereit. Das Massaker an den Bewohnern Julburgs ist schon schlimm genug, aber dann muss Elfling auch noch den Tod durch den Blutadler erleiden. Beim Blutadler werden die Rippen gebrochen und die Lungen auf den Rücken gezerrt, als wären sie Flügel. Das Opfer stirbt qualvoll. Elfling widerfährt dieses Schicksal, und er sieht dabei aus wie Woden selbst, der neun Tage an der Weltenesche hing.

Doch dann folgt wie bei Woden auch Elflings Wiederauferstehung. Wodens göttliche Magie beherrscht nämlich nicht nur das Leben, sondern auch den Tod. Als Elfling an der Spitze eines Heeres der Toten aus dem Gräberfeld und an Wulfweards Seite vor Unwin erscheint, scheint die Welt den Atem anzuhalten …

Jesus vs. Woden

Die Parallelen zur christlichen Mythologie vom Opfertods des Gottessohns und seiner Wiederauferstehung sind unübersehbar. Auch Elfling weiß wie Jehoschua von Nazareth, dass die Stunde und Weise seines Todes vorbestimmt ist und es ihm nichts nützt, sich dagegen zu wehren. Der Leser fragt sich unwillkürlich, ob sich Wodens oder Christie „Magie“ als stärker erweisen wird, wenn es darum geht, den Glauben der Sachsen festzulegen. Die Autorin hat sich dafür entschieden, dass Christi Verfechter Unwin nicht nur ein Frevler, sondern ein blutiger Verbrecher ist, der ganz besonders gegen Frauen und Kinder keine Gnade walten lässt – ganz im Gegensatz zu Elfling etwa.

Todesmagie

Dem Anhang ist zu entnehmen, dass Wodens Runenmagie, die Elfling wiedererweckt, in der Lieder-Edda zu finden ist. Aber die Erweckung der Toten, die Wodens Sohn Elfling vornimmt, ist Folkmusic-Freunden recht bekannt: Es ist das alte englische Volkslied von John Barleycorn (wie es z. B. die Gruppe TRAFFIC so schön interpretierte). John Barleycorn ist der Gerstenmann, und er wird natürlich zur Gerstensaft, also Alkohol verarbeitet. Aber in John Barleycorn ist eine ältere Gottheit verewigt, nämlich Ing, der sächsische Gott der Fruchtbarkeit und der Jahreszeiten. Und an Jul, seinem Feiertag, kehren die Toten zurück – diesmal buchstäblich …

Unterm Strich

Zu Band 1

Ich habe das Buch in nur wenigen Stunden gelesen. Es enthält originelle Elemente, unterhält den männlichen Leser durch Spannung und Action, die Leserin aber durch faszinierende Frauenfiguren, so etwa die Walküre und die junge Prophetin Ebba. Das Alltagsleben der Menschen ist detailliert eingefangen, so dass wir uns in die Szenen direkt hineinversetzen können.

Die hier geschilderten politischen Verhältnisse unter den Sachsen Mittelenglands stimmen mit den überlieferten Chroniken überein, die ein England nach dem fünften Jahrhundert und vor dem neunten Jahrhundert beschreiben, das von Sachsen und Dänen besiedelt worden ist. Deshalb ist es ein wenig kurios, wenn der Verlag ausgerechnet Ornamente der von den Sachsen verdrängten Kelten verwendet.

Schwächen und Anforderungen

Zwar werden die meisten Frauenfiguren gut charakterisiert, nicht jedoch alle Männer. Zwar kann man sich den Helden Elfling und seinen Widersacher Unwin gut vorstellen, aber Hunting und Wulfweard sind praktisch unbeschriebene Blätter, ebenso ihr Onkel Athelric. Dieses Defizit wird hoffentlich im Folgeband ausgeglichen, wenn Unwin und Elfling aufeinandertreffen.

Der Leser bekommt die nordische Mythologie kommentarlos vorgesetzt, das heißt, sie wird bereits als bekannt vorausgesetzt. Ständig werden die sächsischen Hauptgötter Woden (Obergott), Eostra (Fruchtbarkeitsgöttin, daher Oster-Fest), Thunor (Thor, Donar) sowie Ing (= Baldur) angerufen und erwähnt. Dass es kein Glossar dafür gibt, macht aber nichts. Denn es kommt nur darauf an, welche Eigenschaften die Menschen diesen Gottheiten zuweisen. Und daraus ergibt sich deren Charakteristik und Funktion.

Woden beispielsweise ist nicht zu trauen: Er ist ein einäugiger Verräter, der Krieger begünstigt und sie mit seinen Geschenken, wie etwa Zauberschwertern, verrät, um sie zu sich zu holen. (Woden ist bis heute im Wort „Wednes-day“ verewigt. Und „Thurs-day“ ist Thors Tag. Tues-day ist Tiu’s Tag. Fri-Day ist der Tag von Freyr oder Freya.)

Zu Band 2

Der Folgeband schließt die Duologie um den Elfling ab. Der Aufbau ist völlig anders als der des ersten Bandes, organischer und harmonischer. Deshalb mag so mancher Actionfreund das langsame Tempo des ersten Drittels bedauern, und so erging es auch mir. Doch die Wende im zweiten Drittel wird sorgfältig vorbereitet und wirkt deshalb sowohl wuchtiger als auch nachhaltiger. Gewalt, Blut und Empörung mischen sich in der Eroberung von Julsburg. Das Finale bilden dann den Ausgleich zu diesem negativen Tiefpunkt im Schicksal der Titelfigur: Der Gerechtigkeit wird mit Hilfe der Götter zum Recht verholfen.

Viele kleine Glanzpunkte machen diesen Roman sogar noch besser als seinen Vorgänger. Allerdings verlangen die metaphysischen Szenen, die uns die Autorin hier präsentiert, eine Offenheit des Geistes, zumal gegenüber der nordischen Mythologie und Religion. Hier ist der Obergott Woden kein Herrscher jenseits der Wolken, sondern ein aktiv Mitwirkender und Lenkender, der nicht nur seinen Schützling erst umbringt, sondern ihn dann auch noch wiederbelebt und zurück in die Welt schickt. Die Parallelen zum Christentum sind unübersehbar, die Botschaft ebenfalls: Wenn ihr schon einen Erlöser finden wollt, dann braucht ihr nicht nach Palästina fahren, um ihn zu suchen – es gab ihn schon lange in Skandinavien und Germanien (denn dort kamen die Sachsen her).

Im finalen Duell zwischen Unwin und Elfling stehen sich auch zwei Religionen gegenüber. Leider schneidet der christliche Vertreter nicht nur nach Punkten viel schlechter ab als sein „heidnischer“ Kontrahent: Unwin verliert wortwörtlich den Kopf. Solche Details wie abgeschlagene Köpfe und der gefürchtete Blutadler machen die Lektüre erst ab 14 Jahren geeignet.

Der Sammelband bietet die zwei Romane in unveränderter Textform, mit den ursprünglichen Anmerkungen.

Taschenbuch: 525 Seiten
Originaltitel: Elfgift; Elfking, 1995; Bastei-Lübbe, zuerst 2010, neu 2012; Köln;
Aus dem Englischen von: Petri, Edda; Bülles, Marcel
ISBN-13: 978-3404206766
www.luebbe.de