Arthur Conan Doyle – Eine Studie in Scharlachrot (Sherlock Holmes 28)

Holmes und Watson finden Freundschaft und einen Rächer

Von Verwundung und Krankheit gezeichnet, kehrt der Militärarzt Dr. John H. Watson nach London zurück. Da seine finanziellen Mittel begrenzt sind, fällt es ihm schwer, eine bezahlbare Unterkunft zu finden. Eines Tages trifft er zufällig einen alten Freund wieder, der ihm von einem Mann erzählt, der einen Mitbewohner sucht. Sein Name: Sherlock Holmes, die Adresse: Baker Street 221B.

„Endlich erfährt der geneigte Hörer in Dr. Watsons eigenen Worten, wie er uns Sherlock Holmes einander kennengelernt haben, zu Mitbewohnern wurden und Watson den Meisterdetektiv bei der Lösung des ersten gemeinsamen Falles unterstützt hat.“ (Verlagsinfo)

Der Verlag empfiehlt das Hörbuch ab 12 Jahren.

Die Serie wurde mit dem „Blauen Karfunkel“ der Deutschen Sherlock Holmes-Gesellschaft ausgezeichnet.

Der Autor

Sir Arthur Conan Doyle lebte von 1859 bis 1930 und gelangte mit seinen ca. 60 Erzählungen um den Meisterdetektiv Sherlock Holmes zu Weltruhm. Dabei begann der Mediziner, der eine eigene Praxis hatte, erst 1882 mit dem Schreiben, um sein Einkommen aufzubessern. Neben mystischen und parapsychologischen Themen griff er 1912 auch die Idee einer verschollenen Region (mit Dinosauriern und Urzeitmenschen) auf, die von der modernen Welt abgeschnitten ist: „The Lost World“ erwies sich enorm einflussreich und wurde schon 13 Jahre später von einem Trickspezialisten verfilmt. Schon 1913 ließ Doyle eine Fortsetzung unter dem Titel „The Poison Belt“ (dt. als „Im Giftstrom“, 1924) folgen.

Hinweis: Jede einzelne SHERLOCK-HOLMES-Erzählung ist auf der englischen Wikipedia gewürdigt worden. Ein Blick lohnt sich: https://en.wikipedia.org/wiki/A_Study_in_Scarlet.

Marc Gruppe ist der Autor, Produzent und Regisseur der erfolgreichen Hörspielreihe GRUSELKABINETT, die von Titania Medien produziert und von Lübbe Audio vertrieben wird.

Folge 1: Im Schatten des Rippers
2: Spuk im Pfarrhaus
3: Das entwendete Fallbeil
4: Der Engel von Hampstead
5: Die Affenfrau
6: Spurlos verschwunden
7: Der Smaragd des Todes
8: Walpurgisnacht
9: Die Elfen von Cottingley
10: Der Vampir von Sussex / Das gefleckte Band / Der Fall Milverton / Der Teufelsfuß (Neuausgabe)
11: Das Zeichen der Vier (4/2014, Neuausgabe)
12: Ein Skandal in Böhmen (4/2014)
13: Der Bund der Rotschöpfe (5/14)
14: Eine Frage der Identität (9/14)
15: Das Rätsel von Boscombe Valley (10/14)
16: Der blaue Karfunkel
17: Die fünf Orangenkerne
18: Der Mann mit der entstellten Lippe
19: Der Daumen des Ingenieurs
20. Der adlige Junggeselle
21. Die Beryll-Krone
22. Das Haus bei den Blutbuchen
23. Silberblesse (6/16)
24. Das gelbe Gesicht (6/16)
25. Der Angestellte des Börsenmaklers (7/16)
26: Die „Gloria Scott“ (11/16)
27: Das Musgrave Ritual (12/16)
28: Eine Studie in Scharlachrot

Die Sprecher/Die Inszenierung

Die Sprecher und ihre Rollen:

Joachim Tennstedt: Sherlock Holmes
Detlef Bierstedt: Dr. John Watson
Regina Lemnitz: Mrs. Hudson
Patrick Bach: Dr. Stamford
Peter Reinhardt: Inspektor Gregson
Lutz Reichert: Inspektor Lestrade
Jochen Schröder: Brigham Young
Und viele weitere.

Die Macher

Regie führten die Produzenten Marc Gruppe und Stephan Bosenius. Die Aufnahmen fanden bei Titania Medien Studio, Planet Earth Studios und bei M!Music statt. Alle Illustrationen – im Booklet, auf der CD – trugen Ertugrul Edirne und Firuz Askin bei.

Handlung

Um das Jahr 1886 lebt der Militärarzt Dr. John Watson wieder in London, nachdem er im 2. Afghanistankrieg verwundet wurde und an Typhus erkrankt war. Nun lebt er von einer winzigen Rente und erträgt die Schmerzen in seiner Schulter. Da kommt ihm das Glück zu Hilfe. Sein guter Bekannter Dr. Stamford, ein ehemaliger Medizinstudent, erzählt ihm von einem Mann am Krankenhaus St. Bartholomew‘s, der einen Mitbewohner für eine gemeinsame Mietwohnung sucht. Watson ist sofort hellhörig, aber Stamford warnt ihn vor diesem seltsamen Vogel. Dieser Sherlock Holmes betreibe makabre Experimente mit Tierkadavern.

Schon die erste Begegnung im Labor offenbart Holmes als einen wahrlich gewöhnungsbedürftigen Zeitgenossen. Als erstes erkennt dieser seltsame Chemiker, dass Watson in Afghanistan war – und dann sticht er ihm in den Finger. Verwundert beobachtet, wie Holmes sein Blut erst in einem Behälter mit Wasser verdünnt, bis nichts mehr davon zu sehen ist. Doch kaum hat er zwei Substanzen hinzugefügt, wird das Blut wieder sichtbar. Voilà, damit kann man von jeder geeigneten Oberfläche Blutspuren sichtbar! Na, wenn das kein Durchbruch ist.

Watson nimmt die Wohnung, in der Holmes bereits bei Mrs. Hudson in der Baker Street 221B anbietet, und versuchen, sich an seinen Wohnungsgenossen zu gewöhnen. Holmes ist wegen seiner „einnehmenden“ Art wirklich gewöhnungsbedürftig, und Watson macht sich eine ganze Liste mit seinen Mängeln, insbesondere seiner Ahnungslosigkeit auf bestimmten Wissensgebieten. Eines Tages verrät ihm Holmes endlich, was er eigentlich beruflich tut: er ist beratender Ermittler. Private und behördliche Schnüffler bitten ihn um seine Dienste, sein bester Kunde sei Inspektor Lestrade vom Scotland Yard, der britischen Kripo. Aber die Zeiten sind Holmes zu ruhig – er kann seine Fähigkeit der analytischen Deduktion kaum unter Beweis stellen. Da kommt ihm ein neuer Mord wie gerufen.

RACHE

Zusammen mit Dr. Watson, den er als Assistenten missbraucht, besichtigt Holmes den Tatort, der sich in einem leerstehenden Haus in Brixton befindet. Die Inspektoren Lestrade und Tobias Gregson sind bereits vor Ort. Holmes warnt Watson, dass der Tatort seine Nerven belasten könnte. In der Tat sieht all das viele Blut um die Leiche eines Mannes am Boden nicht sehr beruhigend aus. Dessen Körper ist völlig verdreht, weist aber seltsamerweise keine Wunde auf. Doch einmal am Mund des Toten geschnuppert und beide wissen Bescheid: Gift. Und an einer Wand des Zimmers steht mit Blut geschrieben das Wort „RACHE“. Für Lestrade ist der Fall klar: Es hat etwas mit einer Frau namens RACHEL zu tun. Holmes ist sich da nicht so sicher. Er gedenkt seinen Fall zu einem Gesamtkunstwerk zu machen, das er „Eine Studie in Scharlachrot“ (A Study in Scarlet) nennen will. Unauffällig lässt er den Ehering einer Frau vom Tatort mitgehen. Watson ist erschüttert.

Die Lösung?

Der Tote wird als der Amerikaner Enoch Drebber identifiziert, er habe in der Pension einer Madame Charpentier logiert, zusammen mit seinem Sekretär Joseph Stangerson. Hier bohrt Inspektor Gregson besonders intensiv nach und fördert schon bald zutage, dass Charpentiers Sohn Arthur heftigen Streit mit den beiden Amis hatte, weil sie sich an seiner Schwester Alice vergriffen hatten. Es kam zu einer Schlägerei auf der Straße und Arthur verschwand. Alles klar wie Kloßbrühe: Arthur muss der Mörder sein.

Holmes beliebt, anderer Meinung zu sein, ist aber weit davon entfernt, Gregson den Tag zu vermiesen. Für ihn ist das wichtigste Indiz an der Leiche der weibliche Ehering, der so gar nicht zu den beiden Amis passt. Es geht also um eine Frau, innerhalb einer Dreiecksgeschichte. Holmes gibt in Watsons Namen (er will nicht in Erscheinung treten) eine Zeitungsannonce auf, in der er nach dem Besitzer des Rings sucht. Unterdessen lässt er seine Kindertruppe von Möchtegernpolizisten nach Verdächtigen suchen: die Baker Street Irregulars.

Gregson triumphiert gerade über seinen Fahndungserfolg, als Lestrade eintrifft. Er habe einen weiteren Ermordeten entdeckt. Dreimal darf man raten, um wen es sich handelt…

Mein Eindruck

Schon in dieser ersten Erzählung, die im Dezember 1887 veröffentlicht wurde und ihren Helden unsterblich machte, bietet der Autor fast alle Charakteristika auf, die den berühmten Detektiv kennzeichnen. Er hat einen scharfen, wenn auch etwas eingleisigen Verstand, praktisch kein Privatleben, spielt leidenschaftlich gerne die Geige und ist stets für einen blutigen Mord zu haben. Dass er sich so gut mit Kindern und seiner Haushälterin / Vermieterin versteht, grenzt an ein Wunder.

Der Auftrag

Noch erstaunlicher ist sein letzter Satz: „Schreiben Sie Ihren Bericht, Dr. Watson“, aber das geschieht aus purem Eigennutz. Die beiden stümperhaften Inspektoren Lestrade und Gregson beanspruchen nämlich laut Zeitung alle Lorbeeren für sich und wagen es sogar, den „Amateur-Detektiv“ Sherlock Holmes ihren „Schüler“ zu nennen – diese Unverfrorenheit! Um der Nachwelt ein „richtiges“ Bild vom Schaffen des kompetentesten Detektivs der Welt zu hinterlassen, kommt ihm Dr. Watson als Biograph gerade recht. Das kann Dr. Watson nur angenehm sein, denn er hat bereits seine Bewunderung für Holmes ausgedrückt. Der Titel für das erste Werk dürfte wohl klar sein.

RACHE

Doch worin liegt nun die Lösung des blutigen Doppelmordes, mit diesem mysteriösen Wort „RACHE“ an der Wand? Die beiden Kripobeamten verfallen natürlich auf das Naheliegende, ergehen sich aber in Selbstgefälligkeit – und schlecht verhohlener Rivalität. Doch Holmes ist alles andere als ein Freund des Naheliegende und Offensichtlichen. Das könnte ja jeder Stümper kapieren, aber das sei genau das, was die Verbrecher wollten. Nein, so blöd ist er nicht.

Allerdings ist auch Holmes nicht allwissend, denn der Verdächtige schlägt ihm geschickt ein Schnippchen. Um den Ring abzuholen, tritt eine ältere Dame auf, die sich Mrs Sawyer nennt. Nachdem sie gegangen ist, folgt er ihr unauffällig oder vielmehr ihrer Droschke. Als die Mietkutsche an ihrem angegebenen Ziel eintrifft, ist jedoch von „Mrs Sawyer“ weit und breit nichts zu sehen, außer ihren zurückgelassenen Kleidern Sie hatte sich verkleidet und war natürlich ein Mann! Holmes ärgert sich über seine eigene Stupidität. Es dauert auch nicht lange, bis sowohl Gregson als auch Lestrade den Fall für aufgeklärt deklarieren. Holmes bleibt wie stets diplomatisch, während Watson kaum an sich halten kann.

Das Experiment

Die beiden Inspektoren haben die Tatwaffe mitgebracht: das Gift, an dem Drebber in der Brixton Road starb. Allerdings handelt es sich um ein trickreiches Kästchen mit zwei Behältnissen: in beiden befinden sich weiße Pillen. Aber welche davon sind nun die giftigen? Um diese entscheidende Frage zu klären, führt Holmes ein schockierendes Experiment durch. Mrs. Hudsons Hund Willie ist schon alt und leidet an einer schmerzhaften Gelenkentzündung. Um ihn von seinem Leiden zu erlösen, verabreicht ihm Holmes die beiden verschiedenen Pillen aus Stangersons Pensionszimmer: Die zweite Pille hat einen sofortigen Effekt. Der erschütterte Watson legt Willie an seinen Stammplatz zurück. Auch die beiden Inspektoren sind nicht unberührt. Was hat das zu bedeuten? Es bedeutet, dass der Mörder seine beiden Opfer einem Gottesurteil unterwarf…

Das Geständnis

Sobald der Täter sich dann selbst zeigt – was an sich schon recht verwunderlich ist – will er auch sogleich ein Geständnis ablegen. Schließlich sei er ein todkranker Mann, der jeden Augenblick den Löffel abgeben könne, erkennt Dr. Watson bei einer Diagnose des Oberkörpers: Aneurysma der Aorta. Bequemerweise erfolgt das Geständnis vor den Ohren von Lestrade und Gregson und natürlich Holmes’. Die ganze verhängnisvolle Dreiecksgeschichte begann vor nicht weniger als zwanzig Jahren in jenem trockenen Landstrich westlich der Rocky Mountains, der den Briten als „Zentralamerikanische Wüste“ bekannt ist, den Amerikanern aber als Land der Mormonen.

Die Mormonen nennen sich bekanntlich gar nicht nach dem Buch Mormon ihres Gründers John Smith, sondern als „Heilige der letzten Tage“ (Latter Day Saints). Ihre Hauptstadt ist Salt Lake City. Ich war selbst dort und habe die riesige Kathedrale bewundert – pardon, den Tempel! – und das Hochhaus, in dem sich das Hauptquartier des Ordens befindet. Vielweiberei konnte ich allerdings mit bloßem Auge nicht feststellen.

Die Wirkung

Ich werde hier nicht das ganze Geständnis wiedergeben, das der Täter ablegt. Aber der Fall ist im Grunde klar. Für die von ihnen geraubte Braut rächte er sich an Drebber und Stangerson auf grausame Weise, nach zwanzig Jahren der Verfolgung. Diese Geschichte bildet den Kern des zweiten Teils: sehr romantisch und bewegend mit einer tragischen Romanze und einer erbitterten Verfolgungsjagd, schon fast ein Western. Diese Geschichte wird in mehreren Rückblenden anschaulich geschildert, in denen sogar der legendäre Mormone Brigham Young auftritt, nach die Universität der Mormonen benannt ist.

Die Zeitgenossen des Autors müssen hingerissen gewesen sein, obwohl das Buch zuerst in den USA erschien und als „shilling shocker“ (= Pulp Fiction) nicht gerade höchsten literarischen Rang genoss. Ganz im Gegenteil. Erst die Sherlock-Story „Ein Skandal in Böhmen“, die ab 1891 im „Strand Magazine“ erschien, brachte ihrem Autor den erhofften Durchbruch.

Die Sprecher/Die Inszenierung

Die Sprecher

Dr. Watson nimmt die Stelle des zweifelnden gesunden Menschenverstandes gegenüber Holmes ein, welcher ein getriebener Junkie der Vernunftarbeit zu sein scheint. Watson ist der Gemütsmensch, ein Jedermann mit dem Herz auf dem rechten Fleck. Holmes jedoch ist nicht nur Kopfarbeiter, sondern auch Schauspieler und Manipulator von Menschen.

Sherlock

Es gibt mehrere Hauptfiguren, die auch stimmlich herausragen. Am besten gefällt mir Joachim Tennstedt als Sherlock, denn was er in diese Figur hineinlegt, ist sehr sympathisch und humorvoll – so als würde ein strahlender John Malkovich völlig entspannt aufspielen (liegt’s am Koks?). Holmes‘ einziger Fehler ist seine Ablehnung des weiblichen Geschlechts oder vielmehr des Umgangs mit dessen Vertretern. Das soll aber weniger an latenter Homosexualität liegen, als vielmehr an seiner Abneigung gegen jede Art von emotionaler Sentimentalität.

Aber Holmes ist auch ein ausgezeichneter Schauspieler und engagierter Boxer. Ab und zu treibt er sich als aktiver Detektiv in Londons Sauwetter herum und kehrt anschließend völlig ausgehungert ins Hauptquartier zurück. Dann darf Mrs. Hudson, die auch hier als moralisches Zentrum auftritt, ihm ihr köstliches Essen und stärkenden Tee kredenzen.

Watson

Dr. John H(amish) Watson, 36, ist das genaue Gegenteil seines Freundes: jovial, höflich, frauenfreundlich und durchweg emotional, bald schon (nach dem Fall „Das Zeichen der Vier“) glücklich verheiratet. Leider sind seine logischen Schlüsse von dementsprechend unzulänglicher Qualität. Das war zu erwarten und dürfte keinen überraschen.

Die Inspektoren

Wie schon erwähnt strotzt Inspektor Lestrade nur so von Selbstgefälligkeit ob seiner eigenen kriminalistischen Fähigkeiten. Dabei hat er doch den weiblichen Ehering übersehen, der so gar nicht zu der männlichen Leiche passen will. Auch Inspektor Gregson ist zwar bemüht, aber keine Leuchte, zudem befindet er sich hörbar im Dauerclinch mit Lestrade. Der dritte Cop im Spiel ist Constable John Rance. Auch er ist ein völliger Versager: Obwohl er einen verdächtigen Mann aus einem leeren Haus kommen sah, hielt er den betrunken wirkenden Kerl für unverdächtig – dabei war dies der Mörder. Holmes macht ihm Vorwürfe.

Geräusche

Eine schier unglaubliche Vielfalt von Geräuschen verwöhnt das Ohr des Zuhörers. Der Eindruck einer real erlebten Szene entsteht in der Regel immer. Papierrascheln, klappernde Teetassen, knisterndes Kaminfeuer – all diese Samples setzt die Tonregie zur Genüge ein, um einer Szene eine Fülle von realistisch klingenden Geräuschen zu vermitteln. Immer wieder klingelt Mrs. Hudsons Türglöckchen und sollte den Hörer aufhorchen lassen. Da dieser Klang von der kleinen Eingangshalle kommt, sind auch die Stimmen entsprechend weit entfernt und leiser als sonst. Ohren spitzen!

Draußen herrschen die Rollgeräusche einer Kutsche, das Wiehern von Pferden, das penetrante Ticken von Standuhren, das Rauschen von Regen und das Rollen von Donner vor. Sie kommen vor allem in den Rückblenden vor. Einmal meinte ich sogar das Tuten des Nebelhorns eines Schiffes zu vernehmen. London ist ja eine Hafenstadt.

Die Musik

Das Intro, eine Art flott-dezente Teemusik, bildet den heiter-beschwingten Auftakt des Hörspiels und deutet die häusliche Idylle von Baker Street 221B an. Von einem Score im klassischen Sinn kann meist keine Rede sein. Langsames Klavierspiel nimmt Tempo heraus, während mehr orchestrale Klänge dem Geschehen Schwung zu verleihen scheinen. Der Wiegenliedmusik am Anfang des zweiten Teils folgt eine zunehmend flotter werdende Musik, die nur von den musiklosen Rückblenden unterbrochen wird.

Die Hintergrundmusik dient immer wieder dazu, eine düstere oder angespannte Stimmung zu erzeugen, aber nur dort, wo sie gebraucht wird. Hier steigert sich die Spannung sehr dezent von Szene zu Szene, von Rückblende zu Rückblende, bis der Plot im Geständnis des Mörders gipfelt. Die traurigste Musik, klagende Geigen, ist zweifellos nach dem Tod des Hundes Willie zu vernehmen.

Das Booklet

Das Titelmotiv zeigt die initiale Szene, in der Holmes ein Experiment durchführen, als Watson mit Stamford eintreten. Die Apparaturen vor und neben ihm scheinen ihn in der Tat als „Chemiker“ zu charakterisieren.

Im Booklet sind die Titel des GRUSELKABINETTS verzeichnet sowie Werbung für den verstorbenen Illustrator Firuz Askin zu finden. Die letzte Seite zählt sämtliche Mitwirkenden auf. Die CD und der Einleger sind mit den Sherlock-Holmes-Motiven versehen, die die Reihe von Anfang an begleitet haben.

Hinweis für Sammler:

In diesem Booklet sind schon die HERBST-2017-Titel des GRUSELKABINETTS zu finden, darunter einen POE und einen LOVECRAFT.

Unterm Strich

Sherlock Holmes und Dr. John liefern sich bereits in diesem ihrem ersten Fall die für sie typischen Diskussionen, wobei Watson stets der Stichwortgeber ist und Holmes allzu häufig der Schlaumeier, der sich alles bereits aus winzigsten Details zusammenreimt. Schon die erste Begegnung ist symptomatisch. Holmes begrüßt Watson als Mann, der in Afghanistan war. Der gute Doktor ist natürlich von den Socken, aber Holmes hält mit des Rätsels Lösung nicht hinterm Berg.

Spannung, Action, Humor, geistvolle Diskussionen, eine Romanze, ein tragischer Todesfall – alle Sherlock-Freunde kommen schon im ersten gemeinsamen Fall des dynamischen Duos voll auf ihre Kosten. Unglaublich, dass der Autor seinen Helden bereits sieben Jahre später, 1893, sterben ließ. Auf Druck des Publikums (und der Königsfamilie) musste er Holmes eine Auferstehung widerfahren lassen, so dass ab dem Roman „The Hound of the Baskervilles“ (1901/02) weitere Geschichten mit dem beliebten Detektiv erscheinen konnten. Es wurden, glaube ich, insgesamt 60 Stück, die vier Romane nicht mitgezählt.

Das Hörspiel

Spannung, Dramatik, Humor Tragik und Romanze halten sich in diesem Hörspiel auf einer Doppel-CD die Waage. Die Balance ist vielleicht nicht immer glücklich austariert, aber in der Summe stimmt sie. Am besten gefiel mir die einfallsreiche Dramaturgie, die auf zahlreiche Rückblenden setzt, die den Hörer unmittelbar ans Geschehen heranführen. Lange Monologe sind auch mir ein Graus. Der Witz dabei: Die erste Rückblende bei Mrs. Charpentier ist eine doppelt verschachtelte und hat eine tiefere Ebene. Klingt kompliziert, ist aber ganz einfach – und sehr wirkungsvoll.

Die professionelle Inszenierung, die filmreife Musik und bekannte Stimmen von Synchronsprechern und Theaterschauspielern einsetzt, bietet dem Hörer ein akustisches Kinoerlebnis, das man sich mehrmals anhören sollte, um auch die Feinheiten mitzubekommen.

Die Sprecherriege für diese Reihe ist höchst kompetent und renommiert zu nennen, handelt es sich doch um die deutschen Stimmen von Hollywoodstars wie John Malkovich (Tennstedt) und George Clooney (Bierstedt). Regina Lemnitz als Mrs. Hudson ist die bekannte Stimme von Kathy Bates, und Jochen Schröder, der hier den Brigham Young spricht, war sicherlich auch schon viele Male zu hören. Auch glaube ich, Bernd Rumpf als deutsche Stimme des verstorbenen Alan „Dr. Snape“ Rickman identifiziert zu haben. Wer genau aufpasst, wird sofort die kaum verhohlene Rivalität zwischen Lestrade und Gregson heraushören.

Auch jungen Menschen, die sich einfach nur für spannende Audiokost interessieren, die gut gemacht ist, lässt sich das Hörspiel empfehlen. Es ist leicht verständlich, wirkungsvoll inszeniert, und die Stimmen der Hollywoodstars Clooney und Malkovich vermitteln das richtige Kino-Feeling.

2 Audio-CDs
Spielzeit: ca. 117 Min.
Info: A Study in Scarlet, 1887
Besprochene Auflage: März 2017
www.titania-medien.de

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