Peter Robinson – Wenn die Dunkelheit fällt . Ein Fall für Inspektor Banks (Lesung)

Ein harter Fall für Inspektor Banks

Als zwei herbeigerufene Polizisten in das Haus Nr. 35 auf The Hill in Leeds eindringen, entdecken sie im Keller die Leiche eines nackten, gefesselten Mädchens. Sofort werden sie attackiert, und einer der beiden verliert sein Leben, wohingegen der andere den Täter unschädlich machen kann. Aber hatte die Frau, die oben im Treppenhaus bewusstlos gefunden worden war, etwas mit dem Mord an dem Mädchen zu tun oder nicht?

Je weiter Inspektor Banks in die Vorgeschichte des Falls eindringt, desto Grauen erregender werden dessen Dimensionen. Wenn er nicht bald den richtigen Täter erwischt, könnten die Serienmorde an jungen Frauen in Yorkshire weitergehen.

Der Autor

Peter Robinson, geboren 1950 in Yorkshire, lebt seit etwa 20 Jahren in Toronto, Kanada. Mit seiner Serie um den sympathischen und sehr menschlichen Inspektor Alan Banks feiert er diesseits und jenseits des Atlantiks große Erfolge. Er erhielt in den USA, in GB und Europa zahlreiche Literaturauszeichnungen. (Verlagsinfo)

Der Sprecher Florian Martens, geboren in Berlin, spielt seit 1994 neben Maja Maranow in der ZDF-Serie „Ein starkes Team“. Darüber hinaus ist er bekannt durch seine Rollen im „Tatort“ oder durch seine Rolle als diabolischer Verteidiger im Rollstuhl in dem Krimi „Freier Fall“. Dafür erhielt er 1998 den Adolf-Grimme-Preis. (Verlagsinfo)

Handlung

Für gewöhnlich ist die Straße The Hill in Leeds, Yorkshire, sehr ruhig. Deshalb ist Maggie Forest, eine aus Toronto zugereiste Märchen-Illustratorin, sehr beunruhigt, als sie morgens um drei im Haus Nr. 35 gegenüber Geschrei und Krach hört. Sie alarmiert die Polizei: Da sei wohl ein Ehestreit im Gange.

Janet Taylor, Polizeianwärterin im Probedienst, ist auf Familienstreitigkeiten keineswegs erpicht. Sie kosten bloß Nerven und Zeit. Zusammen mit ihrem jungen Kollegen Dennis Morrissey dringt sie ins Haus der Paynes ein, als niemand öffnet. Als Erstes stolpert sie über eine bewusstlose Frau: Lucy Payne. Neben ihr eine zertrümmerte Blumenvase. Alles klar, aber wo ist der Täter?

Das Duo dringt in den Keller des Hauses ein, der über einen separaten Eingang neben der Garage verfügt. Sie trauen kaum ihren Augen: Auf dem Bett liegt nackt und gefesselt ein erdrosseltes Mädchen. Von Horror wie gelähmt, hat Dennis keine Chance sich zu wehren, als Terence Payne sich mit einer Machete auf ihn stürzt und ihm die Halsschlagader aufschlitzt.

Während ihr Kollege zusammenbricht, hat Janet noch Zeit, ihren Gummiknüppel hervorzuzerren und den nächsten Angriff Paynes abzublocken. Mit mehreren gezielten Schlägen zwingt sie ihn in die Knie. Doch selbst als sie ihn bereits mit Handschellen gefesselt, versetzt sie ihm noch Schläge auf den Kopf, die seinen Schädel zertrümmern – ein klarer Fall von unnötiger Gewaltanwendung im Dienst, wie ihre Dienstaufsicht findet. Das wird Janet noch mächtigen Ärger einbringen. Es hilft sicher nicht das Trauma zu überwinden, das sie erlitt, als sie den verblutenden Dennis Morrissey in ihrem Schoß hielt, bis der Krankenwagen eintraf…

Als Inspektor Alan Banks eintrifft, kann er sein wachsendes Entsetzen nicht verhehlen. Nicht nur ein Mädchen wurde tot gefunden, sondern auch noch Leichen unter dem Lehmboden des angrenzenden Kämmerchens, und später wird noch ein Skelett im Garten ausgegraben: War Terence Payne ein Serienmörder? Ist er mit dem „Monster von Seacroft“ identisch, das vor einiger Zeit junge Frauen vergewaltigte? Doch wo ist die Videokamera, wo sind die Porno-Videos, auf denen er seine Opfer filmte, während er sie folterte?

Während Banks im Umkreis der Opfer Kimberley Myers, Kelly Matthews, Melissa Horrocks und der noch vermissten Samantha Jane Foster ermittelt, macht sich Maggie Forest Vorwürfe: Hätte sie die Polizei früher alarmiert, könnte Kimberley Myers, das gefesselte Mädchen, vielleicht noch leben. Doch sie entlastet Lucy Payne aufs Entschiedenste: Genau wie sie, Maggie, selbst Opfer männlicher Gewalt in der Ehe war (sie lief davon), litt auch Lucy, wie die ihr erzählte, unter Terence‘ Hang zu abartigen Sadomaso-Spielchen.

Terence, der im Koma liegt, ist Lehrer, Lucy, 24, ist Bankangestellte und wohnt erst seit wenigen Jahren in Leeds, denn ursprünglich kam sie aus Hull und lernte Terence in Seacroft kennen. Sie beteuert zunächst, sie habe nichts von Terences Aktivität im Keller gewusst. Doch Banks lässt sich nichts vormachen. Tatsächlich: Seine CSI-Kollegen finden das Blut von Kimberley Myers an Lucys Morgenmantel. Nun hat Lucy viel zu erklären.

Es kommt aber noch wesentlich schlimmer. Die beratend hinzugezogene Pschologin Jenny Fuller gräbt immer tiefer in Lucy Paynes Vergangenheit. Sie wuchs bei Pflegeeltern auf, seit sie 12 war, also ab 1990. Davor hatte sie Linda Godwin geheißen. Linda war eines der sieben Elderthorpe-Kinder. Diese wurden bei einem Polizeieinsatz in einem einsam gelegenen Landhaus an der Ostküste befreit. Dort hatten die Kinder zweier Familien, der Godwins und Murrays, unter Hunger, Folter und angeblich satanistischen Sexritualen zu leiden gehabt, wobei eines der Kinder, Kathleen Murray, gestorben war. Wer hatte Kathleen erdrosselt?

Lucy Payne alias Linda Godwin kam also aus der Hölle. Ist sie hinsichtlich der Serienmorde doch mehr als nur unschuldiges Opfer eines grausames Ehemanns gewesen? Inspektor Banks wagt kaum daran zu denken, wie verdreht Lucys Seelenleben sein muss. Doch auch wenn’s schwer fällt: Er muss seine Pflicht tun und bis zur letzten Konsequenz ermitteln. Lucy ist seine einzige Chance, denn inzwischen ist Terence im Koma gestorben. Und auch Maggie Forest wird es noch Leid tun, dass sie Lucy in Schutz genommen hat.

Mein Eindruck

„Wenn die Dunkelheit fällt“ ist ein enorm spannender Thriller, der seinen psychologischen Horror nur allmählich entfaltet, aber dafür umso nachhaltiger zu beeindrucken versteht. Dies ist aber kein Neuaufguss von „Das Schweigen der Lämmer“, sondern etwas ganz Anderes: eine fesselnd verpackte Studie über das Prinzip der Schuld.

Denn der Fall, den Banks leitet, dreht sich unter seinen Händen um 180 Grad, und auf die interne Untersuchung der Dienstaufsicht, die Banks Geliebte Annie leitet, trifft dasselbe zu. Aus Lucy Payne, dem anfänglich unschuldigen Opfer eines Ehestreits, wird ein wahres Monster. Aus der anfangs unschuldigen Janet Taylor, die selbst ein traumatisiertes Opfer eines Verbrechers geworden ist, wird eine „schuldige“, weil vorverurteilte Polizistin. Schon bald ist die junge, einst vielversprechende Polizeianwärterin Janet Taylor ganz, ganz unten.

Anders hingegen Lucy Payne. Lange steht sie im Zwielicht, weil ihr keiner etwas nachweisen kann. Als die Beweise auftauchen, taucht sie unter. Daran schuld ist alleine Maggie Forest, denn die hatte Lucy eine Anwältin besorgt und durch Interviews im Fernsehen Hinweise auf die Ermittlung der Polizei geliefert. Sie bringt damit nicht nur Banks auf die Palme, sondern zwingt durch die empörte Publicity dessen Chef Philipp Hartnell, Lucy freizulassen, da man ihr nichts nachweisen könne. Maggie ist der typische Fall falsch umgesetzter Solidarität: Diejenige, die sie für ein Opfer hält, könnte genauso gut eine Täterin sein. Als sie sich in der Zeitung sieht, erkennt Maggie, dass sie selbst ebenso ein Opfer der Presse geworden ist. „Was habe Sie erwartet?“ fragt Banks.

Selbst Banks wird zum Opfer. Nicht durch die Paynes, sondern durch seinen Beruf. Nachdem er schon längst von seiner Frau Sandra geschieden ist, verliert er auch Annie als Geliebte. Doch wenn es ihm nicht gelingt herauszufinden, wer oder was Lucy Payne alias Linda Godwin wirklich ist, wird er keinen Schlaf mehr bekommen. Denn die Morde könnten weitergehen.

Das Original trägt den Titel „Aftermath“, also Nachspiel, Nachbeben. Und dies bezieht ebenso auf die Nacht des „Ehestreits“ wie auch auf die Geschehnisse, die die sieben Elderthorpe-Kinder ein Dutzend Jahre zuvor erlebten.

Unterm Strich

„Wenn die Dunkelheit fällt“ ist also nicht nur ein Psychothriller, sondern auch eine mit überraschenden Wendungen gespickte Ermittlung, in der sich das, was Opfer und Täter auszumachen scheint, ins Gegenteil verkehrt. Alle sind Opfer und Täter, schuldig und unschuldig zugleich. Und wo ist die Instanz, die in dieser Vorhölle darüber urteilen könnte, wer zu bestrafen ist? Und meist ist es leider eine Art Verhängnis, das für eine Art der Bestrafung sorgt. Aber trifft dies stets den Richtigen? Und gibt es hier unten irgendwo so etwas wie Gnade?

Zum Sprecher: Florian Martens liest ein wenig zu schnell. Der Hörer muss sich anstrengen, mit ihm Schritt zu halten. Notizen zu machen, erweist sich als sehr hilfreich, um den Überblick zu behalten, wenigstens bei den Namen der zahlreichen Figuren.

Robinson hat mich beeindruckt, die Art und Weise, wie Martens die Geschichte vorliest, allerdings weniger. Fazit der Hörbuchproduktion: gut, aber nicht gut genug.

5 CDs mit ca. 318 Minuten Spielzeit.
ISBN-13: 978-3550090974

https://www.ullstein-buchverlage.de/

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