Mike Lupica – Robert B. Parker’s Payback (Sunny Randall 9)

Rückzahlung ist tödlich

Privatdetektivin Sunny Randall erhält einen Anruf von ihrem schwulen Freund Spike: Er wurde in seinem Restaurant zusammengeschlagen. Offenbar sind die Schläger von jenem Hedgefonds-Manager geschickt worden, der ihm einen Kredit vermittelt hat. Sunny heftet sich an die Fersen dieses miesen Typen.

Kurz darauf wendet sich der Polizist Lee Farrell um Hilfe an sie. Seine Nichte sollte eigentlich am College studieren, doch nachdem sie das Konto ihrer Mutter abgeräumt hat, ist sie untergetaucht. Nicht ohne sich zuvor als Opfer eines Überfalls hinzustellen. Als Sunny die junge Frau ausfindig macht, wird sie brüsk zurückgewiesen. Als Sunny bei ihr einbricht, macht sie eine interessante Entdeckung: gezinkte Spielkarten mit unsichtbarer Tinte.

Was zwei verschiedene Fälle gewesen sind, entpuppt sich als ein einziger, sobald der gemeinsame Faktor gefunden ist: als Leiche vor einem Hoteleingang…

Die Autoren

Der US-Autor Robert B. Parker, geboren 1932, gehörte zu den Topverdienern im Krimigeschäft, aber auch zu den fleißigsten Autoren – er hat bis zum seinem unerwarteten Tod im Januar 2010 über 60 Romane veröffentlicht. Am bekanntesten sind neben der Spenser-Reihe wohl seine etwa acht Jesse-Stone-Krimis, denn deren Verfilmung mit Tom Selleck in der Titelrolle wird gerade vom ZDF gezeigt. Der ehemalige Professor für Amerikanische Literatur Robert B. Parker lebte mit seiner Frau Joan in Boston, Massachusetts, und dort oder in der Nähe spielen viele seiner Krimis.

2) Mike Lupica, geboren 1952 in Oneida, New York, ist ein erfolgreicher Sportjournalist und der Autor von über 40 belletristischen und Sachbüchern. Als langjähriger Freund von Robert B. Parker ist er von den Nachlassverwaltern dazu ausersehen worden, die Jesse-Stone- und die Sunny-Randall-Reihen weiterzuführen.

Die Sunny-Randall-Reihe:

1) Family Honor
2) Perish Twice
3) Shrink Rap
4) Melancholy (2004)
5) Blue Screen (2006)
6) Spare Change (2007)
7) Blood Feud (2018)
8) Grudge Match (2020)
9) Payback (2021)
10) Revenge Tour (2022)

Handlung

Privatdetektivin und Malerin Sunny Randall versucht gerade, sich nach ihrem Umzug in ein neues Haus etwas zu entspannen, als sie einen Anruf von ihrem schwulen Freund Spike erhält: Er wurde in seinem Restaurant zusammengeschlagen. Als sie dort ankommt, erzählt er ihr mit lädierter Visage, was passiert ist. Während der Pandemie ging es seinem Restaurant, wie allen anderen, sehr schlecht, und als sein Stammgast Alex Drysdale ein Darlehen anbot, habe er zugegriffen. Sein Fehler war allerdings, nicht das Kleingedruckte zu lesen, denn er vertraute ja seinem „guten Kumpel“ Alex.

Als er dann endlich soweit war, mit einem Scheck seine Schulden zurückzuzahlen, wies Alex das Geld zurück und beanspruchte das Restaurant für sich, mit einem Hinweis auf das Kleingedruckte. Als Spike erkannte, was für ein Charakterschwein dieser Alex ist, verpasste er ihm eins auf die Nase, doch die Knochenbrecher, die Alex mitgebracht hatte, waren stärker.

Ein Besuch bei Alex

Doch Freunde stehen füreinander ein, und Sunny marschiert schnurstracks zu Alex Drysdale, dem Hedgefonds-Manager. Der wollte sie eh schon ins Bett kriegen, also ist sie willkommen. Als sie ihm auf die Pelle rückt, merkt sie, aus welch faulem Holz er geschnitzt ist und quetscht ihm die gebrochene Nase. Aber so richtig. Drysdales ebenfalls geplagte Sekretärin ist ihr ewig dankbar. Nach einem Treffen mit ihrem Vater, dem Ex-Cop, weiß sie, was sie nun zu tun hat: ganz tief graben.

Eine gründliche Google-Recherche fördert die zwielichtige Vergangenheit von Drysdale zutage. Mit seinem ersten Startup, das er mit einem Partner Christopher Lawton gründete, hatte er viel Erfolg, weil er am „Big Short“ teilnahm: den Leerverkäufen gegen sinkende Firmenaktien. Aber er trennte sich von seinem Partner, der ein Hotel eröffnete und verspielte sein gewonnenes Vermögen wieder. Aus undeklarierten Quellen besorgte er sich frisches Geld und agiert nun als Zinswucherer und Darlehensbetrüger in hohen Finanzkreisen. Sunny ist nicht beeindruckt.

Emilys Eskapaden

Vielmehr macht sie sich Sorgen um ihren guten Bekannten Lee Farrell, einen schwulen Kripo-Beamten, der nicht zum Abendessen aufgetaucht ist. Vielmehr erhält sie die Info, dass Farrells Nichte Emily Palmers beinahe vergewaltigt worden sei und er sich sehr um sie sorge. Emily spiele die Sache herunter, obwohl sie deswegen ins Krankenhaus musste. Sie hat auch ihrem Onkel nichts weiter verraten, also wendet sich Onkel Farrell an seine gute Freundin Sunny. Und Sunny muss sich zusammenreißen, um ihre mütterlichen Instinkte zu unterdrücken. Aber ihrer weiblichen Solidarität kann sich Emily sicher sein.

Schade nur, dass auch Emily selbst nichts von Sunnys Hilfe wissen will. Draußen vorm Haus wird sie von einem Typen abgeholt, der einen Sportwagen fährt und mit dem sie sich streitet. Wenig später ruft Lee an, um Sunny mitzuteilen, dass Emily ihre Mutter um zehntausend Dollar bestohlen habe, mit deren Debitkarte. Seitdem sei sie verschwunden. Wozu braucht eine Studentin so viel Geld, fragt er Sunny. Höchste Zeit, als Detektivin tätig zu werden und in Emilys Wohnung auf dem Campus der Taft-Uni einzubrechen. Nach langer Suche wird Sunny fündig: Emily ist eine Kartenbetrügerin, die bei Pokerspielen mit gezinkten Karten und unsichtbarer Tinte sowie einer Spezialbrille arbeitet. Lee ist völlig von den Socken.

Unterdessen

Ein schlanker Typ tritt in Sunnys Büro, ohne um Erlaubnis zu fragen, und setzt sich auf den erstbesten Stuhl. Er beginnt über einen gemeinsamen „Freund“ namens Alex Drysdale zu sprechen und empfiehlt ihr wärmstens, „diese Sache“ nicht weiterzuverfolgen. Sie sagt ihm, er kann sich zum Teufel scheren und macht ein Foto von ihm. Wenig später liegt auf der Fußmatte vor ihrem Zuhause ein Umschlag mit Fotos. Auf einem der Fotos trägt ihr Vater einen rot markierten Punkt auf der Stirn. Eine klare Morddrohung. Als sie Alex Drysdale wieder in Spikes Restaurant antrifft, versetzt sie ihm wütend eine Ohrfeige.

Nun macht Sunny Ernst und beschattet Alex den ganzen Tag lang. Er führt ein lockeres leben, treibt Sport und Sex, als gehöre das zu seinem Tagwerk. Abends geht er in einen Wohnblock, der mondän aussieht. Als er wieder herauskommt, wird er von Emily Palmers begleitet. Hier also übt sie ihr Kartenhandwerk aus, denkt Sunny. Bei Alex ist auch der schlanke Typ, der Sunny gewarnt hat.

Sunny wendet sich an Richie Burkes Vater Desmond, der den irischen Mob in Boston anführt. Seit dem Ableben von Richies Onkel Felix mausert sich ein Lehrling namens Jalen zur Nummer zwei. Der findet die Identität des schlanken Typen heraus: Eddie Rostov alias Ross ist Russe, und dreimal darf man raten, wo er Drysdale und Lawton kennenlernte: an der Uni Stanford in Kalifornien. Eddies Vater ist ein Oligarch und Großunternehmer im exklusiven Glücksspiel. Eddie hat offenbar Daddys Geld ein illegales Casino aufgemacht und Emily hat den „Eintrittspreis“ mit Mamis Geld bezahlt.

Nach einem Abend mit Richie Burke, ihrem Ex, und Jesse Stone, dem Polizeichef von Paradise, erhält Sunny einen Anruf von Frank Belson von der Bostoner Mordkommission. In der Innenstadt sei ein Mann erschossen worden, der ihre, Sunnys, Visitenkarte bei sich trug. Ob sie dafür eine Erklärung habe? Hat sie. Denn soeben haben sich die Einsätze in diesem speziellen Pokerspiel deutlich erhöht…

Mein Eindruck

Sunny, unsere sehr smarte, unerschrockene und sehr beredsame Detektivin, ist auf ein Hornissennest gestoßen. Es wurde von den russischen Oligarchen mit entsprechend viel Geld, aber wenig Rücksicht auf bestehende Gesetze eingerichtet. Die Parallelen zwischen Hedgefonds-Management und Glücksspiel sind nicht zu übersehen. Drysdale bekommt das am eigenen Leib zu spüren, denn er verstirbt an akuter Bleivergiftung. Die hat ihm offenbar Eddie Rostov zugefügt, aber das muss Sunny erst noch beweisen.

Emily Palmers, die junge Studentin, hat den American Way of Finance sofort begriffen und ihre Mutter bestohlen, um sich ins Glücksspiel-Business einzukaufen. Jeden Versuch Sunnys, sie zu kritisieren oder gar das Casino dichtzumachen, kommentiert sie mit dem Spruch: „Stupid bitch!“ Früher oder später wird auch Emily herausfinden, wie dieses Spiel enden wird: mit Bleivergiftung, da ist sich Sunny ziemlich sicher.

Unterdessen mögen es die Russen überhaupt nicht, wenn man ihnen das Handwerk legen will. Mehr als einmal braucht Sunny die Hilfe eines ihrer Freunde, sei es Spike, Lee oder Jesse. Und wer könnte es mit den Russen besser aufnehmen als der irische Mob, geleitet von Desmond Burke? Dass sich in dessen Reihen ein Verräter herumtreibt, sorgt im Finale für eine gehörige Überraschung.

Unterm Strich

Wieder einmal erweist sich Sunny Randall als die taffeste aller Privatdetektivinnen, und als die smarteste. Sie kann auf ein halbes Dutzend engster Freunde zählen, von denen Polizeichef Jesse Stone sicher nicht der unwichtigste ist. Auch ihr eigener Vater Phil trägt einige Cop-Ratschläge bei. Das beste an allen Sunny-Randall-Krimi ist die wunderbare Ironie, die aus allen Widrigkeiten noch einen Funken Hoffnung schlägt. Dass Sunny ihre spezielle weibliche Sensibilität einbringt, bringt ihr ebenso Pluspunkte ein wie die Weisheiten, die Sunny von der Psychotherapeutin Susan Silverman (Spensers Freundin) erhält.

Das Generalthema dieser Folge in der Serie ist natürlich die titelgebende Struktur des Payback-prinzips: Wer sich Geld leiht, braucht für den Schaden nicht zu sorgen. Das findet Spike als erster heraus, dann auch sein Geldgeber Alex Drysdale. Der wiederum hat sein Geld von Eddie Rostov, und der wieder von seinem Daddy. Lawton, Alex‘ Kumpel, hat ebenfalls Dreck am Stecken, doch wie er zu Geld gekommen, ist echt kompliziert: Es geht um Erbschaften, Stiftungen und das damit verbundene juristische Dickicht. Einer muss immer zahlen, und meistens ist das Steuerzahler. Nicht, wenn es Sunny verhindern kann.

Englischniveau

Das Englischniveau ist Mittelklasse, also keineswegs einfach, aber auch nicht akademisch. „Me talk pretty!“, sagt Sunny an einer Stelle. Sie zitiert damit David Sedaris und meint das gleiche, aber ironisch gebrochen: „Ich spreche gehobenes Englisch, tut mir leid.“

Eine Familienserie

Dass Sunny sehr viele Bekannte aus den Bostoner Detektivromanen Robert B. Parkers kennt und trifft, schadet der Beliebtheit ihrer Abenteuer sicher nicht. Ganz im Gegenteil: Es ist, als würde man in einer TV-Serie lauter bekannte Gesichter wiedersehen, wo man es nicht erwartet hat. Mike Lupica hat die Krimis mit Sunny Randall und Jesse Stone auf ein höheres Niveau gehoben, als es sein Vorgänger Reed Farrel Coleman vermochte. Inzwischen schreibt Lupica für James Patterson, und das ist die oberste, weil lukrativste Liga.

Taschenbuch: 352 Seiten.
O-Titel: Robert B. Parker’s Payback (Sunny Randall 9)
ISBN-13: 9780593087879

www.penguinrandomhouse.com

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