Michael Swanwick – In Zeiten der Flut. SF-Roman

Miranda und Undine: Lang lebe die Aktentasche!

Der Planet Miranda hat einen so exzentrischen Orbit, dass seine Polkappen alle zweihundert Jahre schmelzen und den gesamten Planeten überfluten. Die einheimische Flora und Fauna ist an das Leben zu Land wie zu Wasser hervorragend angepasst, die Siedler von der Erde jedoch nicht. Als erneut eine Große Flut bevorsteht, werden die Kolonisten evakuiert.

Doch Gregorian, der auf Miranda als Zauberer gilt, verspricht gegen Zahlung einer gewaltigen Geldsumme die Menschen so umzuwandeln, dass auch sie im Wasser überleben können. Die Abteilung für Techniktransfer vermutet, dass sich der ehemalige Wissenschaftler geheime Technik angeeignet und sie illegal nach Miranda gebracht hat. Sie schickt den Bürokraten aus, um Gregorian zu stellen. Doch dem Bürokraten bleibt nicht viel Zeit, denn die Flut rückt immer näher … (Verlagsinfo)

Der Autor

Michael Swanwick, der einen vom hinteren Umschlag wie ein verurteilter Finsterling ablickt, ist in Wahrheit einer der intelligentesten Science Fiction-Autoren der Gegenwart. Allerdings ist er schon wieder so intelligent und gebildet, dass seine Bücher zwar die Kritiker regelmäßig in Ekstase versetzen, sich die Verkaufszahlen weiterhin im Keller bewegen. „Bones of the Earth“ ist z.B. Swanwicks Variante von Crichtons „Jurassic Park“ – eine sehr gute obendrein – aber weitaus anstrengender zu begreifen.

Andere Romane von Swanwick: „In Zeiten der Flut„, „Die Tochter des stählernen Drachen“, „Vakuumblumen“ (Cyberpunk) und „Jack Faust“. Er hat drei Storysammlungen veröffentlicht, z.B. „Engel der Schwerkraft„.

Romane

The Iron Dragon’s Daughter

• 1 The Iron Dragon’s Daughter, Millennium 1993, ISBN 1-85798-080-8 (Nominiert für den Clarke, den Locus Award in der Kategorie Fantasy und den World Fantasy Award, 1994)
o Die Tochter des stählernen Drachen, Heyne-Science-Fiction & Fantasy #5377 1996, Übersetzer Alfons Winkelmann, ISBN 3-453-09479-4
• 2 The Dragons of Babel, Tor 2008, ISBN 978-0-7653-1950-0 (nominiert für den Locus Award, 2009)
• 3 The Iron Dragon’s Mother, Tor 2019, ISBN 978-1-250-19825-9

Darger and Surplus

• Dancing With Bears, Night Shade Books 2011, ISBN 978-1-59780-235-2
• Chasing the Phoenix, Tor 2015, ISBN 978-0-7653-8090-6
• The Postutopian Adventures of Darger and Surplus, Subterranean Press 2020, ISBN 978-1-59606-936-7 (Sammlung)

Weitere Romane

• In the drift, Ace Books 1985, ISBN 0-441-35869-1
o Die Todesschneise, Heyne-Science-Fiction & Fantasy #5002 1993, Übersetzerin Irene Holicki, ISBN 3-453-06229-9
• Vacuum Flowers, Arbor House 1987, ISBN 0-87795-870-X
o Vakuumblumen, Heyne-Science-Fiction & Fantasy #4636 1990, Übersetzer Peter Robert, ISBN 3-453-03898-3
• Griffin’s Egg, Legend / Century 1991, ISBN 0-7126-4578-0
o Eines Greifen Ei, Heyne-Science-Fiction & Fantasy #5094 1993, Übersetzerin Irene Bonhorst, ISBN 3-453-07257-X
• Stations of the Tide, William Morrow SFBC 1991, ISBN 0-688-10451-7 (Gewinner des Nebula Award, 1991, nominiert für den Hugo Award und den Campbell Award 1992, sowie den Clarke Award 1993)
o In Zeiten der Flut, Heyne-Science-Fiction & Fantasy #5890 1997, Übersetzer Norbert Stöbe, ISBN 3-453-12669-6
• Jack Faust, Avon Books 1997, ISBN 0-380-97444-4 (nominiert für den BSFA Award, 1997, sowie den Hugo und Locus, 1998)
• Bones of the Earth, Eos / HarperCollins 2002, ISBN 0-380-97836-9 (nominiert für den Nebula Award, 2002, sowie Hugo, Locus, und Campbell Award, 2003)
• City Under the Stars, Tor.com 2020, ISBN 978-1-250-75658-9 (mit Gardner Dozois)

Handlung

Was wäre ein Bürokrat ohne seine Aktentasche? Nur ein halber Mensch! Der spezielle Bürokrat in Swanwicks preisgekröntem Roman „In Zeiten der Flut“ kann sich auf dem hinterwäldlerischen Planeten Miranda fast nur mit Hilfe seiner Aktentasche durchschlagen – sie steuert Flugzeuge und Menschen, produziert Gegenstand auf Gegenstand und folgt ihrem Herrn selbst dann noch, wenn sie entführt oder geblendet wurde. Kein Wunder, dass so viel Treue und Aufopferung angesichts des Weltuntergangs belohnt werden muss: Sie darf sich in die Fluten des Ozeans stürzen und ihre eigene Spezies züchten.

Der Bürokrat – er heißt im ganzen Buch so, während alle anderen einen Namen haben – hat die Hilfe seiner Aktentasche bitter nötig, muss er doch den schwierigen Auftrag bewältigen, auf Miranda die Gesetze zur Nichtweiterverbreitung verbotener Technologie einzuhalten. Er ist zwar kein Sheriff, wohl aber ein Detektiv. Leider stellt sich die ihm von Mirandas Regierung an die Seite gestellte Assistentin Chu als Verräterin heraus, so dass er länger als gedacht benötigt, um Erfolg zu haben.

Der Zauberer

Gesucht wird der vielgestaltige „Zauberer“ Gregorian, der sich verbotener Technik bedient. Der Verfolgte ist beileibe nicht untätig, sondern schreckt den Bürokraten mit allerlei Faxen ab. Beispielsweise schickt er ihm einen Arm, den er der einheimischen Geliebten des Bürokraten abgenommen hat. Undine, die ihn in die Liebeskunst einführt und möglicherweise der Urbevölkerung von Miranda entstammt, wird für tot gehalten – was den Bürokraten sehr wütend macht.

Bei seinen Recherchen auf Miranda wie auch auf den technisch hochentwickelten Orbitalwelten bewegt sich der Bürokrat zwischen mittelalterlichen und hochmodernen Gesellschafts- und Denkstrukturen hin und her. Auf Miranda sind allerlei Kuriositäten zu besichtigen, auf den Orbitalwelten jedoch kommt er dem Verräter Korda auf die Spur. Korda ist sein Chef, der ihn selbst nach Miranda schickte. Er stellt sich als Vater Gregorians heraus. Und er ist verrückt nach den Ureinwohnern Mirandas, den Druls. War Gregorian zuvor der Übeltäter, so erscheint er nun als Kordas Opfer. In einer letzten Konfrontation zwischen Gregorian und dem Bürokraten wird dies alles enthüllt, kurz bevor die Welt untergeht.

Die Große Flut

Warum geht die Welt unter? Nun, sie teilt das Schicksal, dem unsere Welt entgegensieht: Sobald alle Gletscher an den Polen auf einmal abschmelzen, steigt der Ozean mit einer riesigen Flutwelle an, die fast alles Land verschlingen wird. Auf dieses alle 200 Jahre einsetzende Ereignis hat sich die einheimische Fauna so eingestellt, dass sie jeweils eine zweite, im Wasser überlebende Form ihrer Spezies ausgebildet hat.

Dies ist dem Menschen leider nicht gelungen. Deshalb hängt vom Anfang bis zum Schluss ein Damoklesschwert über allen Ereignissen…

Mein Eindruck

Die Stimmung hat etwas Traumartiges an sich. Und dies passt ausgezeichnet zu den Namen: Miranda, Caliban, Ariel (die zwei Monde) und Prospero stammen alle aus Shakespeares „Mittsommernachstraum“. Es treten auf: die sirenenhafte Undine, diverse Hexen und Sybyla, eine Seherin. (Beim Barden hieß sie noch Sycorax.)

Im Gegensatz dazu stehen die Namen der Außenweltler. Ihre Welt besteht vor allem aus Schein und Virtualität, sowohl was Personen (Surrogate) als auch Räume („Palast der Rätsel“) angeht. Insofern stellt der Autor die Welt von Magie – einer Pseudo-Wissenschaft, wenn man so will – jener der überzüchteten wahren Wissenschaft gegenüber.

Die Frage, welche Welt besser ist, wird ebenfalls beantwortet – es ist diejenige Welt, die Wandlung und Wachstum ermöglicht, und das ist nicht die Welt von Technik und Bürokratie, sondern die der Magie. Der Beleg dafür: Am Schluss zieht sich der Bürokrat nackt aus und springt ins Meer, sich im gleichen Augenblick verwandelnd. Er kehrt zurück, woher alles Leben stammt. Vielleicht sucht er seine Undine. Zumindest aber eine persönliche Zukunft.

Hinweis

„Zeiten der Flut“ wurde 1991 mit dem Nebula Award ausgezeichnet und erreichte bei der Verleihung des HUGO Awards 1992 immerhin den 6. Platz.

Hardcover: 301 Seiten
Originaltitel: Stations of the Tide, 1991
Aus dem Englischen von Norbert Stöbe.
ISBN-13: 9783453126695

www.heyne.de

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