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Kris Kershaw – Odin. Der einäugige Gott und die indogermanischen Männerbünde

Es ist sehr interessant zu sehen, wie hier ursprünglich deutsche Ansätze zur germanischen bzw. indogermanischen (oder indoeuropäischen) Religionsgeschichte von Übersee in die teutonischen Lande zurückstrahlen. Ist doch die Beschäftigung mit den kultischen Männerbünden eine der Hauptdomänen deutscher Germanisten, Nordisten, Religionswissenschaftler und Psychologen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gewesen. Das begann 1902 mit dem Buch „Altersklassen und Männerbünde“ von Heinrich Schurtz und setzte sich über Lily Weiser, Hans Blüher (einen der Nestoren der deutschen Jugendbewegung), Karl Meuli bis zum berühmtesten Gelehrten, dem Wiener Germanisten Otto Höfler fort.

Höflers Bücher „Kultische Geheimbünde der Germanen“ und „Germanisches Sakralkönigtum“ waren einer der wichtigsten Einflüsse für die amerikanische Religionswissenschaftlerin Kris Kershaw. Da Höfler – wie so viele Intellektuelle – im Nationalsozialismus eine Möglichkeit sah, seine eigenen Vorstellungen eines „katholisch-germanischen Reiches“ zu verwirklichen, die SS zudem starkes Interesse an seinem Buch über die Geheimbünde zeigte, gerieten die Person Höflers und damit seine Forschungsergebnisse nach dem Zweiten Weltkrieg in Misskredit.

Trotzdem ging eine ganze Forschungsgeneration (z. B. Helmut Birkhan, Heinrich Beck, Mohammed Rassem) durch die Schule der von Studenten als außergewöhnlich charismatisch geschilderte Persönlichkeit Höflers und wurde von ihr geprägt. Aber seine Thesen sind in Deutschland nur noch selten rezipiert oder gar weiterentwickelt worden. Das blieb dann eher nicht-deutschen Innovatoren wie beispielsweise dem berühmten rumänischen Religionswissenschaftler Mircea Eliade vorbehalten, der in seinem Versuch über einige Initiationstypen „Das Mysterium der Wiedergeburt“ die Ergebnisse Höflers mit einflocht.

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