Tim Akers – Die Untoten von Veridon (Veridon 2)

Jacob Burn und der Magier der Zerstörung

Zu Band 1: Das Herz von Veridon

„Mein Name ist Jacob Burn. Ich war an Bord eines Zeppelins, als er vom Himmel fiel. Ich stürzte mit den Flammen und zerschmetterten Getrieben in den dunklen Fluss hinab und überlebte. Der Himmel mag mich wohl nicht besonders. Aber noch weniger mögen mich die Leute, die mich jagen. Sie sind hinter dem Artefakt her, das mir ein alter Bekannter vor dem Zeppelinabsturz in die Hand gedrückt hat. Keine Ahnung, was es damit auf sich hat, aber es scheint ziemlich bedeutend zu sein. Schließlich will man mich dafür töten. Meine Stadt Veridon ist ein gefährlicher Ort. Aber wenn es sein muss, kann ich noch viel gefährlicher sein …“ (Verlagsinfo)

Zu Band 2: Die Untoten von Veridon

„Jacob Burn zieht Schwierigkeiten regelrecht an. Er ist ein Gesetzloser, verbannt von seiner wohlhabenden Familie. Sogar seine Verbrecherfreunde und Feinde meiden ihn. Zu allem Überfluss erhält er einen heiklen Auftrag. Jacob soll ein seltsames Phänomen untersuchen: Die Toten von Veridon erheben sich aus ihren Gräbern, und offenbar hat dabei jemand mit Dampftechnik nachgeholfen …“ (Verlagsinfo)

Der Autor

Tim Akers, geboren in North Carolina, ist der einzige Sohn eines Theologen. Er zog nach Chicago, wo er das College besuchte und noch heute mit seiner Frau und seinem deutschen Schäferhund lebt. Er widmet seine Zeit zu gleichen Teilen der Pflege von Datenbanken und dem Führen von Füllfederhalten. (abgewandelte Verlagsinfo) Im Februar 2012 kündigte er seinen Job am Wheaton College, um sich ganz auf das Schreiben zu konzentrieren. Mehr Info: www.timakers.net.

Die Veridon-Reihe

1) Das Herz von Veridon (2009; dt. 2012)
2) Die Untoten von Veridon (2011, dt. 2013)

Weitere Werke:

1) Dark Kingdom of Jade Adventures (Wraith – the Oblivion). White Wolf Publishing, 1996, ISBN 978-1565046177.
2) The Horns of Ruin. Pyr, 2010, ISBN 978-1616142469.
3) The Pagan Night. Book One of the The Hallowed War (2015) ((http://www.timakers.net/books/pagan-night/))

Handlung

Die Metropole Veridon existiert entweder auf einer Siedlerwelt oder in ferner Zukunft auf der Erde. Im Delta, wo der Hafen liegt strömen die Flüsse Reine, Ebd und Dunje zusammen. Wie im viktorianischen London ist das Hafenviertel zwar geschäftig, aber schmuddelig. Die bessere Gegend ist die Altstadt mit den Adelshäusern und der Kathedrale des heiligen Algorithmus. Weiter oben auf den Hängen erstrahlen die Villen der Neureichen. Ganz oben thronen die Gebäude der Pilotenakademie mit ihren Docks für die großen Luftschiffe.

Jacob Burn, das wissen wir aus „Das Herz von Veridon“, entstammt einer alten Adelsfamilie, doch wurde er nach einem Malheur als Pilot sowohl verstoßen, als auch verraten und verkauft. Der Rat, die Kirche, ja, sogar sein eigener Vater ließen ihm keine andere Wahl, als zum Agenten eines Verbrechersyndikats zu werden. Mit diesem hat er sich aber vor zwei Jahren überworfen, was der Grund ist, dass die Erträge seiner Aufträge mittlerweile, na sagen wir, im umgekehrt proportionalen Verhältnis zu ihrer Gefährlichkeit stehen.

So kommt es, dass er sich von seinem Zunftkollegen Sebastian Grau zu einem sonderbaren Haus führen lässt, in dessen Obergeschoss sie die Ehre haben, dem klapperdürren Ezekiel Cranich kennenzulernen. Dessen Gestalt macht seinem Namen alle Ehre, aber Jacob begeht nicht den Fehler, diesem Mann, der angibt, nicht aus Veridon zu stammen, zu unterschätzen. Das Kästchen, das er jemandem übergeben soll, nimmt er trotzdem an. Es ist an die Fehn adressiert, unter denen Jacob einen Freund hat. Sebastian soll unterdessen die Stellung halten.

Die Fehn sind eine symbiotische Rasse, die unter der Oberfläche des Flusses Reine lebt und jeden Körper, tot oder lebendig, kolonisiert, der zu ihnen hinuntersinkt. Obwohl sie wie Zombies aussehen, sind sie doch Jacobs Erfahrung nach „harmlos“. Doch kaum hat Jacob seine Zustellung in einem Taucheranzug erledigt, verstopfen Schwärme toter Fehn den Fluss. Er befindet sich gerade mit seinem Freund Wilson an Bord eines Flussbootes, als nach diesem beunruhigenden Anblick eine weitere Abart von Fehn das Boot zu entern beginnt: weiße Fehn, die sich wie blutrünstige Zombies aufführen und alles töten, was ihnen in den Weg kommt.

Unglücklicherweise herrscht auf dem Reine dichter Nebel. Als die Zombie-Fehn den Kapitän angreifen, tritt dieser quasi aufs Pedal und rast mit Vollgas wer weiß wohin: Wie sich schnell herausstellt, befindet er sich auf Kollisionskurs mit anderen Booten. Jacob hat sich mit seinem Freund Wilson, dem Anansi-Spinnenmann, im Maschinenraum eingeschlossen. Unter Geschrei schießt er sich den Weg frei, beide können in letzter Sekunde über Bord springen, bevor die Kollision erfolgt.

Während sich im Hafen durch den Angriff der Fehn rasch Chaos und Panik ausbreiten, machen sich Jacob und Wilson dünne – und auf den Weg zu Ezekiel Cranich. Der muss sich wohl etwas bei seinem schrecklichen Geschenk gedacht haben, oder? Doch das Haus Cranichs, zuvor von Leben erfüllt, ist jetzt erstens von der Leiche Sebastian Graus verunziert als auch auf unheimliche Weise von brütender Stille erfüllt. Stille, die nichts als eine weitere Falle erwarten lässt …

Mein Eindruck

Bevor man diesen Roman anpackt, sollte man den Vorgängerband „Das Herz von Veridon“ gelesen haben. Sonst bekommt man etliche Probleme beim Verständnis, denn der Autor bzw. sein Erzähler Jacob Burn setzen doch bereits einiges an Wissen voraus. Nicht zuletzt geht es dabei um Jacobs eigene Konstitution als Cyborg, der zu einem beträchtlichen Teil aus einer Maschine besteht. Das hat aber den Vorteil, dass er über außergewöhnliche Widerstandskraft verfügt. Und die kann er in den vielen Kämpfen, in die er verwickelt wird, gut gebrauchen. Der Roman bietet wie sein Vorgänger ein gerütteltes Maß an Action.

War der erste Band noch vollgepackt mit ungewöhnlichen Ideen und einem dramatischen Handlungsverlauf, so wirkt dieser zweite Band geradezu wohlsortiert und aufgeräumt. Das rührt wohl daher, dass der Autor nicht so viel kürzen musste und mehr Muße hatte, seine Ideen in eine Handlung einzubinden, die nicht wie eine Chandler-Roman daherkommt, sondern mehr wie ein „normaler“ SF- plus Fantasy-Roman.

Mir hat dies gefallen, denn die Entwicklung der Hauptfigur geht nachvollziehbarer vonstatten: Jacob hat nun nicht nur eine Geschichte, sondern auch ein Innenleben, einen Charakter. Im Vorgängerband war durchaus als eine Ödipus-Figur zu erkennen. In der Mitte dieses Buches zweifelt er an sich selbst, trennt sich von Wilson und sieht nicht ein, wieso ausgerechnet er als Held fungieren soll, wo doch alle anderen angesichts der Krise Veridons ihre Schäfchen ins Trockene bringen. Allerdings ist Jacob auf sich allein gestellt, wie es aussieht. Doch genau so ein Held wird dringend gebraucht.

Denn Ezekiel Cranich hat einen umfassenden Rachefeldzug gegen diejenige Stadt entfesselt, die einst seine eigene Familie, die Makers, mit Enteignung und Tilgung aus den Annalen bestraft hat – nur weil die Makers zu der ursprünglichen Schöpfergilde hielten statt zur neuen Kirche des hl. Algorithmus, die sich mit dem Rat verbündet hatte. In einer von mehreren Konfrontationen outet sich Cranich als der letzte der Schöpfer. Als Jacob ihn „erschießt“, zerfällt der Körper in lauter Krähen: Es handelt sich um Alexander Burn, seinen Vater. Jacob ist nun der Erbe und er nimmt die Gelegenheit wahr, seinen Sitz im Rat einzunehmen.

Die Krise ist von den Ratsmitgliedern noch nicht in ihrem ganzen Ausmaß erfasst worden. Ja, es gab hier und da ein paar vereinzelte Massaker, bei denen ganze Familien ausgelöscht worden sind. Na, und? Der Rat hat den Ausnahmezustand und eine Ausgangssperre verhängt, die von den Ordnungshütern überwacht wird. Jacob widerspricht: Das sei keineswegs der Fall. Die Straßen seien menschenleer. Wie sich herausstellt, haben gewisse Familien die Polizisten für ihren eigenen Schutz „ausgeliehen“. Die anderen Bürger müssen sehen, wo sie bleiben.

Dieser Verlauf der Katastrophe dürfte so manchem Leser bekannt vorkommen: Die Rette-sich-wer-kann-Mentalität gebietet, dass jeder, der es sich leisten kann, zuerst an sich und zuletzt an die Allgemeinheit denkt. Na, wenigstens gibt es so eine Art Zorro-Figur: Es handelt sich um die Eiserne Kämpferin, mit der es Jacob kurz nach dem Fiasko am Fluss zu tun bekommt: Sie will ihn offenbar abmurksen. Aber warum nur? In wessen Auftrag handelt sie? Wir ahnen es bereits: Zwischen dieser mysteriösen Kämpferin und Jacob könnte sich so etwas wie ein Techtelmechtel anbahnen. Früher oder später muss er ja mal über seinen Liebeskummer um die verlorene Emily hinwegkommen.

Das letzte Viertel des Buches besteht hauptsächlich im Kampf gegen Ezekiel Cranich, den Magier der Zerstörung. Unwissentlich wird Jacob dabei zum Werkzeug von dessen Entfesselung aus dem Gewahrsam der Kirche. Cranichs wahrer Gegner ist indes Camilla, das Mädchen, das die Kirche in ihre untersten Keller verbannt hat und das nun über das „Herz von Veridon“ verfügt. Vor den Augen von Jacob und der eisernen Kämpferin entbrennt ein Kampf zweier Ebenbürtiger: Cranich ist ein Schöpfer, doch Camilla verfügt über das wunderbare Artefakt, das alle Schöpfungsmuster erzeugen kann. Wie der Kampf ausgeht, darf hier nicht verraten werden.

Die Übersetzung

Auch dieser Band enthält keine Landkarte von Veridon, was ist etwas enttäuschend fand. Anscheinend macht sich heute kein Verlag mehr die Mühe, Straßen- und Landkarten anzufertigen, so wie das vor 30 Jahren bei Heyne noch erfreulich oft der Fall war.

Folgende Fehler habe ich mir notiert.

S. 13: „Ich [war] verblüfft darüber…“ Das Wort „war“ fehlt.

S. 14: Eine Zeile beginnt mit >>?“<<, so als sei hier eine Korrektur unvollständig ausgeführt worden.

S. 105: „verhüllt von Messung“. Es muss wahrscheinlich „Messing“ heißen.

S. 137: „Und ich [machte] mir Sorgen…“ Schon wieder fehlt ein Wort, diesmal „machte“.

S. 174: „Als ich ein[en] geeignetes Sammelsurium an Lebensmitteln … beisammenhatte…“ Die Silbe „en“ ist überflüssig.

S. 211: „Der Patriarch reagiert[e] nicht auf Cranichs Frage.“ Das E fehlt.

Unterm Strich

Auch „Die Untoten von Veridon“ ist ein astreiner Steampunk-Roman, allerdings spielt die Handlung nicht in viktorianischer Zeit, wie das so im Genre so häufig der Fall ist, sondern auf einer Siedlerwelt. Die Ratsmitglieder sind teils aus den Stadtgründern hervorgegangen, und mehrfach ist die Rede von anderen Gegenden in der weiteren Umgebung Veridons. Wer an New Crobuzon, die Metropolenschöpfung von China Miéville denkt, liegt wohl nicht ganz daneben. Diese ist wie Veridon lediglich eine Version von alten Metropolen wie Paris oder London.

Mich hat dieser zweite Band nicht so mitgerissen wie der erste, aber dafür ist dieser hier viel übersichtlicher und leichter verständlich. Ja, der Autor hat sich sogar Zeit genommen, seinen Helden in eine Krise voller Selbstzweifel zu stürzen, doch dieser Zustand bleibt nicht lange erhalten: Veridons Existenz steht auf dem Spiel, und wenn er selbst eine Zukunft haben will, muss er für sich und seine Stadt sowie deren Bürger kämpfen. War Jacobs Kampf zuvor nach innen gerichtet, so gilt sein Streben nun der äußeren Ordnung. Die erhoffte Fortsetzung dürfte ihn zu einer führenden Persönlichkeit machen, die über eine neue Ordnung herrscht.

Von diesem dritten Band ist derzeit noch nichts in Sicht. Der wäre aber dringend zu wünschen, denn nach dem oben erwähnten Zweikampf zwischen Camilla und Cranich steht es quasi null zu null. Jacob nimmt Camilla quasi vom Spielbrett, lässt aber Cranich ungeschoren. Was soll aus diesem Gegenspieler werden, fragt sich der Leser und kann nur auf die Fortsetzung in einem dritten Band hoffen. Mich hat dieser offene Schluss etwas unzufrieden zurückgelassen.

Taschenbuch: 336 Seiten
Info: The Dead of Veridon, 2010
Aus dem US-Englischen von Michael Krug
ISBN-13: 978-3404206865
www.luebbe.de

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