Stecher, Rainer – Konzil von Atragon, Das (Atragon III)

Band I: [„Die Flamme von Atragon“ 4817
Band II: [„Rückkehr nach Atragon“ 4818

_Weitere fünf Jahre sind vergangen._ Die Menschen haben seit ihrer Befreiung aus Trong einige Siedlungen wieder aufgebaut und neue Felder angelegt. Doch der Großteil des Landes ist noch immer vergiftet und ausgedörrt. Trinkwasser und Nahrungsmittel sind heiß umkämpft. Doch der Anführer der gefährlichsten Räuberbande, Rogan, will mehr! Er will die Krone von Targona.

Adinofis hat derweil schreckliche Visionen, in denen die Menschen sich gegenseitig selbst vernichten. Doch das Ende der Menschen würde auch das Ende der Feen auf der Welt bedeuten, denn ohne die Menschen wären sie als Hüter des Lebens überflüssig. Um beider Völker und ihrer Liebe zu Cenotes willen versucht Adinofis, den drohenden Krieg abzuwenden. Sie beruft ein Konzil ein …

_Der dritte Band_ des |Atragon|-Zyklus ist mit knapp einhundertzwanzig Seiten der kürzeste der drei. Und der einzige neue Charakter ist Rogan. Rogan ist in Cenotes Alter, und er ist von königlichem Geblüt. Allerdings besitzt er keinerlei Verantwortungsgefühl, die Menschen unter seiner Führung sind ihm egal. Alles, was ihn interessiert, ist Macht. Cenotes dagegen versucht, sein Land wieder aufzubauen, indem er sein Volk unterstützt. Er lässt Lebensmittel verteilen, will Schulen einrichten und so weiter und so fort … Mit anderen Worten, ein Streit zwischen zwei Kontrahenten, die aufgrund ihrer eindimensionalen Darstellung komplett ins Klischee abrutschen.

Entsprechend wenig gibt auch _die Handlung_ her. Sie bewegt sich etwas umständlich und braucht daher eine Weile, bis sie in die Gänge kommt. So geht Rainer Stecher zunächst ausgiebig auf Ensine und Hesaret ein. Wobei ausgiebig nicht das richtige Wort ist. Im Grunde erzählt er diesen Teil der Handlung genauso knapp wie alles Übrige. Es hat nur keinerlei Auswirkungen auf die eigentliche Thematik der Handlung. Die kommt erst, als die beiden mit Cenotes zusammentreffen, und von da an tauchen sie kein einziges Mal mehr auf.

Auch Adinofis reagiert träge. Es dauert, bis ihre Unterhaltung mit Salina endlich mal zum Kern der Sache kommt, nämlich ihrer Vision. Und außerdem stellt sich die Frage, warum sie überhaupt so lange gewartet hat. Eine Hüterin des Lebens sollte eigentlich keine fünf Jahre zusehen, wie Räuber mordend und plündernd durch die Welt reiten. Als Adinofis dann endlich anfängt, etwas Konkretes zu unternehmen, ist das Buch schon wieder mit großen Schritten auf dem Weg zum Showdown.

Spannung hat sich bis dahin allerdings keine entwickelt. Vielleicht sollte das lange Hinhalten in Bezug auf Adinofis‘ Vision dazu dienen, die Sache spannender zu gestalten, funktioniert hat es allerdings nicht. Nicht einmal der drohende Zweikampf zwischen Rogan und Canotis ließ ein Gefühl von Aufregung oder Nervosität aufkommen. Einziger Höhepunkt des Buches war der Schluss, der mit einer echten Überraschung aufwarten konnte.

Abgesehen davon, dass die Handlung zwar Bewegung, aber kaum Aufregung bietet, hatte sie ein paar gravierende Haken. Vor allen Dingen wunderte ich mich, wo Rogan auf einmal herkam. Nicht, dass der Autor auch nur versucht hätte, es zu erklären. Es wird lediglich die Feststellung getroffen, dass der ehemalige erste Leibwächter König Argonats von seiner Zeit am Hofe erzählt habe, und daraus habe Rogan entnommen, dass er der rechtmäßige Thronerbe sei. Im ersten Band wird allerdings noch vom Getratsche der Leute über die Kinderlosigkeit der Königin berichtet. Cenotes war also ihr erstes lebendes Kind. Und für ein zweites dürfte keine Zeit mehr gewesen sein, denn nur wenige Tage nach Cenotes‘ Geburt wurde Tauron dem Erdboden gleichgemacht, und da Cenotes von der alten Hebamme Sidonis aufgezogen wurde, ist anzunehmen, dass die Königin nicht überlebt hat.

Mindestens ebenso erstaunlich war, dass Anja, die im zweiten Band als bereits gebeugte und ergraute, alte Frau beschrieben wird, im dritten auf einmal wieder aufrecht und mit dunklem Haar dargestellt wird. Außerdem ist mir bis jetzt noch nicht klar, warum ausgerechnet nach Adinofis‘ Versuch, Rogan zu beeinflussen, der beste Zeitpunkt sein sollte, Tauron anzugreifen. Andere Fäden, die ohnehin lose gewesen wären und die man nur hätte verknüpfen müssen, wurden dafür nicht weiterverfolgt. Zum Beispiel hat sich bis zum Ende des dritten Bandes nichts ergeben, das den Auftritt von Adinofis‘ Vater im ersten Band zwingend notwendig gemacht hätte.

_So ist der letzte Band_ ein seltsames Gemisch aus Szenen, die für die eigentliche Geschichte wichtig gewesen wären, aber so knapp erzählt waren, dass die Nachvollziehbarkeit beeinträchtigt wurde – wie die, als Rogan beschließt, Tauron anzugreifen, – und solchen, die ausführlicher behandelt wurden, obwohl das gar nicht nötig gewesen wäre – wie das Wiedersehen zwischen Hesaret und Ensine. Letztere sollte wahrscheinlich der Handlung mehr Stimmung und Farbe verleihen. Und womöglich wäre das auch gelungen – wenn auch der Rest der Handlung etwas mehr Leben und Farbe erhalten hätte.

Bleibt zu sagen, dass mit Ausnahme des Schlusses, der sich durch sein Überraschungsmoment und die ihm innewohnende Dramatik positiv vom Rest des Buches abhebt, der dritte Band der schwächste der Trilogie geworden ist. Nicht dass die Thematik eines Krieges zwischen Menschen weniger Gewicht besäße als die eines Krieges gegen einen übermächtigen Feind von außen, im Gegenteil. Es ist nur so, dass es dem Autor nicht gelungen ist, sein Anliegen – nämlich dass die Menschen sich selbst zerstören werden, wenn sie nicht aufhören, nach Geld und Macht zu gieren, anstatt einander mit Respekt und Liebe zu begegnen – so zu verpacken, dass es den Leser auch berührt. Stattdessen werden die Schlüsselphrasen auf geradezu schulmeisterliche Art mehrmals wiederholt, nicht nur im Klappentext, sondern auch im Prolog und in der Geschichte selbst sowie in den diversen Gedichten nach dem Ende der Geschichte. Irgendwann löste diese Wiederholung eine gewisse Gereiztheit bei mir aus.

_Die Trilogie insgesamt_ hätte durchaus ein vielschichtiges, interessantes und spannendes Werk werden können, wenn Rainer Stecher sich die Arbeit gemacht hätte, seine Ideen detailliert auszuarbeiten. Sprachlich war das Buch – abgesehen von der merkwürdigen Zeichensetzung, die ich allerdings eher dem Lektorat zur Last lege – durchaus gewandt und vielseitig. Es ist also nicht so, als wäre der Autor nicht in der Lage gewesen, mehr aus seiner Geschichte zu machen. Vielleicht wollte er einfach nicht. Sehr schade. Andererseits findet sich im hinteren Teil des Buches bei den Gedichten eines, das in die Zukunft weist. Vielleicht kommt ja noch ein vierter Band nach? Informationen waren dazu keine zu finden.

_Rainer Stecher_ ist gebürtiger Thüringer, lebt aber jetzt in Berlin. Mit dem Schreiben begann er auf Bitten seiner Kinder, zur Veröffentlichung des Manuskriptes überredete ihn sein Vater. Seither hat er nicht nur die |Atragon|-Trilogie geschrieben, sondern auch ein Kinderbuch mit dem Titel „Spindelfink – Wie ein Spatz fliegen lernte“ sowie Gedichte und eine Kurzgeschichte, die er zusammen mit anderen Autoren veröffentlicht hat.

http://www.atragon-online.de.vu
http://www.asaro-verlag.de

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