Deas, Stephen – Adamantpalast, Der (Drachenthron 1)

Königin Shezira macht sich auf den Weg nach Osten, um ihre jüngste Tochter Lystra an den Prinzen Jehal zu verheiraten. Im Gepäck das Brautgeschenk: Ein makellos weißer Drache samt Knappe. Doch während Shezira im Adamantpalast Halt macht, wird die Eskorte des Weißen angegriffen. Am Ende ist der kostbare Drache verschwunden.
Aber das Fehlen des Brautgeschenkes ist nur eine Sorge. Der Sprecher, oberste Autorität in einem Gebilde, das aus neun Königreichen mit je einem eigenen Souverän besteht, wird alle zehn Jahre neu gewählt, und diese Wahl steht kurz bevor. Doch die Nachfolge ist längst nicht so sicher, wie ursprünglich von allen erwartet. Und was hat es mit dem seltsamen Fläschchen auf sich, das auf einer einsamen Lichtung den Besitzer wechseln soll?

Shezira ist eine ehrgeizige und starke Persönlichkeit, allerdings kühl, distanziert und sachlich. Nicht, dass sie ihre drei Töchter nicht mag, doch das hindert sie nicht daran, zwei davon mit politischem Kalkül zu verheiraten. Immerhin aber ist Shezira ehrlich und steht zu ihrem Wort, was man von anderen nicht unbedingt behaupten kann.

Der noch amtierende Sprecher Hyram hat sich in einer alten Abmachung dazu verpflichtet, Shezira als seine Nachfolgerin vorzuschlagen. Doch Hyram ist ein schwacher Mann, der Jahre alte seelische Wunden noch immer nicht verkraftet hat. Das und die Tatsache, dass er seit einem Jahr zunehmend die Kontrolle über seinen Körper verliert, machen ihn angreifbar für Intrigen.

Auch Zafir hat eine Schwäche, und die heißt Jehal. Nicht, dass Zafir nicht ehrgeizig wäre, sie hat durchaus nichts dagegen, den Platz ihrer Mutter als Königin einzunehmen und ist auch beileibe nicht zimperlich, was die Methoden zur Erreichung dieses Zieles angeht. Doch aus eigenem Antrieb hätte sie sich die Mühe nicht gemacht. Dafür ist sie durchaus bereit, sich persönlich die Mühe zu machen und Jehals junge Braut aus dem Weg zu räumen, denn auf die ist sie unendlich eifersüchtig.

Jehal scheint derjenige zu sein, um den sich alles dreht. Er ist noch ehrgeiziger als Shezira und im Gegensatz zu ihr nicht im geringsten wählerisch in seinen Mitteln. Der gut aussehende und charmante Prinz ist sehr geschickt darin, andere um den Finger zu wickeln, vor allem Frauen, die er dann, wenn er sie nicht mehr braucht, einfach fallen lässt. Auch an Absprachen und Verträge hält er sich lediglich, so lange sie seinen Zielen dienen. Jehal will Sprecher werden, um jeden Preis und mit allen, wirklich allen Mitteln.

Wirklich sympatisch ist eigentlich nur Sheziras sture und ungebärdige Tochter Jaslyn mit ihrer Leidenschaft für Drachen. Jaslyn ist genauso unverblümt und ehrlich wie ihre Mutter, allerdings nicht so kaltherzig.

Im Grunde war die Charakterzeichnung ganz in Ordnung. Vor allem der schwächliche Hyram mit seiner Obsession für eine unerreichbare Frau und der skrupellose Jehal waren gut getroffen. So richtig mitfiebern kann der Leser allerdings mit niemandem, denn Jaslyn, die einzige, die sich als Sympathieträger anbietet, rückt erst gegen Ende des Buches etwas mehr in den Vordergrund und könnte noch einiges an zusätzlicher Intensität vertragen. Andere, wie der Knappe Kailin oder der Söldner Sollos, leben einfach nicht lang genug, um ein echtes eigenes Profil zu entwickeln.

Der Ort der Handlung ist nicht unbedingt spektakulär. Die Geographie besteht aus der üblichen Mischung Wüste-Gebirge-Meer, und das einzige, was den Handlungshintergrund von der Realität unterscheidet, ist die Existenz von Drachen und Magie. Die Magie stellt bisher lediglich eine winzige Randerscheinung dar. Nur zweimal tauchen kurz echte Magier auf, und nur in einem dieser beiden Fälle erfährt der Leser überhaupt, was der Magier tut. Wobei ich in diesem speziellen Fall die Alchemisten nicht zu den Magiern gezählt habe.

Bisher ist nicht ganz sicher, ob die Alchemisten bei ihrem Tun auch Magie einsetzen. Fest steht nur, dass sie die gezähmten Drachen mittels ihrer Tränke unter Kontrolle halten. Die Tiere sind sozusagen ununterbrochen zugedröhnt. Nur so ist es möglich, sie abzurichten und zu reiten. Diese Praxis ist schon ziemlich alt, und da nur aus etwa einem Drittel aller Dracheneier auch ein Drache ausschlüpft, sind Drachen ziemlich wertvoll. Sie werden sorgfältig gezüchtet und dementsprechend auch mit Stammbäumen versehen. Kein Wunder, dass Königin Shezira ihre Weiße unbedingt wiederhaben will. Und kein Wunder, dass der Alchemist, der den Suchtrupp begleitet, es so schrecklich eilig hat. Denn was wird wohl geschehen, wenn die Wirkung der Drachendrogen nach lässt?

Darauf erhält der Leser tatsächlich eine Antwort. Was allerdings vom Verlag angepriesen wurde als die „geheimnisvollsten, mächtigsten und gefährlichsten Geschöpfe der Fantasy“, wirkt vorerst noch ein wenig dünn. Denn alles, was von den Drachen selbst bisher zu hören ist, ist Rachsucht. Nur einige wenige Sätze lassen ein paar echte Informationen über die Drachen erahnen, doch die sind so spärlich und vage, dass sie nicht ausreichen, um ein deutliches Bild dieser Geschöpfe zu zeichnen. So bestehen die Drachen – zumindest im Augenblick – hauptsächlich aus Mordgier.

Das hat Konsequenzen.

Dass die Drachen vor allem damit beschäftigt sind, nach den Alchemisten zu suchen und dabei eine Menge Leichen zurücklassen – zu denen man noch diejenigen dazu zählen muss, die sie fressen! – lässt sie, zumindest was mein Interesse anging, ein gutes Stück in den Hintergrund treten. Die Intrigen und Ränkespiele im Zusammenhang mit der Sprecherwahl geben da wesentlich mehr her. Zafir ist auch ohne Jehal schon ein Miststück, und Jehal übertrifft sie darin noch. Beide zusammen sind schlicht gemeingefährlich. Was Jehal vor allem so erfolgreich macht, ist seine Indirektheit, er erreicht seine Ziele stets auf Umwegen und hat die unendliche Geduld einer lauernden Spinne. Zusätzlich interessant wird Jehals Intrigenspiel dadurch, dass er in seiner eitlen Selbstzufriedenheit nicht merkt, dass er ebenfalls benutzt wird.

Das ist der Punkt, der beide Handlungsstränge miteinander verbindet.

Nirgendwo wird erwähnt, wer die Eskorte des weißen Drachen überfallen hat und warum. Hätte der Angreifer den Drachen stehlen wollen, hätte er ihn wohl kaum entkommen lassen. Und wie hätte er ein solch ausgefallenes Tier auch verstecken sollen?

Und die Taiytakey von jenseits des Meeres, die Jehal ein so ausgefallenes Geschenk zur Hochzeit überreichen ließen? Jehal sagt selbst, dass die Taiytakey keine Geschenke machen, und diese bestreiten das nicht einmal. Was also wollen sie dafür? Jehal scheint es nicht zu interessieren, und das dürfte ein Fehler gewesen sein!

Und dann ist da auch noch das Fläschchen mit dem seltsamen Inhalt.

Der aufmerksame Leser merkt nur zu bald, dass die eigentliche Bedrohung von außerhalb kommt, auch wenn sie lediglich ganz am Rande auftaucht, und da sie alle so sehr mit ihren eigenen kleinlichen Machtkämpfen beschäftigt sind, fällt es natürlich keinem der Beteiligten auf.

Unterm Strich kann ich sagen, dass Stephen Deas mit „Der Drachenthron“ einen interessanten und verwickelten Roman abgeliefert hat. Die Charakterzeichnung ist nicht überragend intensiv, aber durchaus lebendig und glaubwürdig. Der Handlungsverlauf wirkt zwar durch die häufigen Szenen- und damit verbundenen Ortswechsel etwas sprunghaft, ich hatte aber keine allzu großen Probleme damit, das Ganze ist sauber aufgebaut und frei von Logikfehlern. Und auch wenn der Spannungsbogen nicht allzu straff gespannt ist, wird es nie wirklich langweilig. Allein die Tatsache, dass das Wesen der Drachen so eingleisig dargestellt ist, find ich schade. Hier hätte ich mir anstelle des vielen Bratens und Fressens etwas mehr Bandbreite und mehr Detailreichtum gewünscht, da darf sich noch einiges tun.

Stephen Deas ist Engländer und arbeitete nach einem abgeschlossenen Physikstudium in der Raumfahrttechnik, ehe er mit „Der Drachenthron“ seinen ersten Roman veröffentlichte. Seither ist er fleißig mit Schreiben beschäftigt. Im April erscheint in England der zweite Band der Trilogie Drachenreiche, außerdem im Herbst der erste Band einer weiteren Trilogie.

Broschiert: 591 Seiten
ISBN-13: 978-3453525306
Originaltitel: The Adamantine Palace
Übersetzt von Beate Brammertz

Stephen Deas.com
http://www.heyne.de

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