Trevor O. Munson – Blutige Nacht

Es war einmal eine kurzlebige Serie namens „Moonlight“. Dass sie nach nur einer Staffel abgesetzt wurde, sagt heutzutage ja nichts mehr über ihre Qualität aus (Stichwort: „Firefly“) und so hat „Moonlight“ auch nach Jahren noch eine treue Fangemeinde, auch wenn die Hauptdarsteller zu neuen Ufern aufgebrochen sind. „Moonlight“ handelte von dem Vampir Mick St. John, der im sonnigen LA als Privatdetektiv arbeitet. Dabei trifft er auf die junge Journalistin Beth – es entspinnt sich eine Liebesgeschichte, die durch Micks Lebenswandel und dessen totgeglaubte Exfrau Coraline verkompliziert wird. Die Kombination von Krimi, Romanze und gut gezeichneten Charakteren kam bei den Fans an. Beim Fernsehsender nicht so sehr … doch wie gut, dass es Bücher gibt!

Die Serie „Moonlight“ nämlich fußt auf dem Roman „Angel of Vengeance“ (dt. „Blutige Nacht“) von Trevor O. Munson, der Co-Produzent der Serie war. Wer nun aber denkt, dass es sich bei „Blutige Nacht“ um ein schnödes Tie-In zur Serie handelt, der irrt gewaltig. In der „Anmerkung des Autors“ am Ende des Romans (der gleichlautende Text findet sich auch auf Munsons Website) erfährt der Leser nämlich, wie Buch und Serie zusammenhängen und auf welch abenteuerlichen Wegen das Buch zur Veröffentlichung gekommen ist. Denn „Blutige Nacht“ ist keine nachgeschobene Gelddruckmaschine, sondern tatsächlich die Vorlage für „Moonlight“. Besser noch: Es ist ein eigenständiger Roman und erzählt die Geschichte von Mick St. John noch einmal gänzlich neu. Damit eignet sich der Roman sowohl für Fans der Serie als auch für Leser, die von „Moonlight“ noch nie etwas gehört haben.

Dabei fällt bei der Lektüre ziemlich schnell auf, wo Munson seine Inspiration gefunden hat: Mick Angel, wie sein Held nun heißt, war zu einer Zeit jung, als Männer Frauen noch „Puppe“ nannten, in der Regel Hut trugen und schwere Handfeuerwaffen mit sich herumtrugen. Kurzum: Mick Angel ist der klassische hard-boiled Detektiv, wie man ihn aus unzähligen Büchern (Raymond Chandler) und Filmen („Der Malteser Falke“) kennt. Er ist ein Zyniker und als Vampir hat er auch jeden Grund dazu. Zwar hat er Grundsätze (keine Frauen und Unschuldigen aussaugen), doch trotzdem muss er sich regelmäßig mit Menschenblut versorgen, was er als Ex-Junkie bevorzugt intravenös erledigt. Ständig nagt der Blutdurst an ihm, manchmal ist die Polizei hinter ihm her, weil er beim Entsorgen einer Leiche nachlässig war und mit Frauen hat er auch kein Glück. Gerade diesen Punkt wieder Autor Trevor O. Munson dem armen Mick Angel immer und immer wieder einbläuen.

Denn Mick wird von der atemberaubenden Burlesque-Tänzerin Reesa engagiert, um ihre kleine Schwester Raya zu finden. Diese sei vor einiger Zeit ausgerissen und Reesa macht sich Sorgen … so sagt sie zumindest. Als Mick anfängt, an dem Fall zu arbeiten, fallen ihm relativ schnell Unstimmigkeiten in Reesas Geschichte auf, doch da ist er ihrem Charme eigentlich schon rettungslos verfallen. Und so fängt er was mit Reesa an, während er ihren Exfreund durchleuchtet und eine Stripperin ausfindig macht, bei der Raya kurzzeitig gewohnt haben soll. Im Laufe der Handlung wird auf Mick geschossen, er wird verhaftet und muss auch sonst ganz schön einstecken. Doch hard-boiled ist eben hard-boiled, weil der Protagonist sturköpfig genug ist, um immer wieder aufzustehen. Und bevor er den Fall um Reesa und Raya lösen kann, wird die ganze Geschichte noch viel persönlicher für ihn werden. Allerdings auf keine gute Weise.

Wer „Moonlight“ kennt, wird in „Blutige Nacht“ auch Coraline wiedertreffen – Micks Frau und die Person, die ihn zum Vampir gemacht hat. Munson denkt sich für die beiden eine leicht abgewandelte Geschichte aus, doch im Kern bleibt Coraline der gleiche Charakter: So heiß, dass man sich nur an ihr verbrennen kann. Mick verfällt ihr rettungslos, heiratet sie und als sie beide drogenabhängig werden, finanziert sie ihre Drogensucht, indem sie ihren Körper verkauft. Als ein Freier handgreiflich wird, tötet Coraline ihn kaltblütig. Mick nimmt die Schuld auf sich und landet in der Todeszelle. Und so nimmt das Schicksal seinen Lauf …

Der Krimiplot, den Munson dem Leser präsentiert, ist weder besonders elaboriert noch besonders originell. Doch darauf kommt es auch gar nicht an, denn Munson hat eine Pastiche geschrieben, die stark von den literarischen Größen des hard-boiled Genres zehrt. Die Grundprämisse von “Blutige Nacht” ist schlicht: Was würde passieren, wenn man „Dracula“ und Raymond Chandler kreuzt? Munson hat das Experiment gewagt. Völlig ironiefrei und überhaupt nicht herablassend verpflanzt er einen anachronistischen Helden in unsere heutige Zeit. Dabei scheut sich Munson auch nicht vor plakativen Metaphern und pathetischen inneren Monologen, die sich auch als Voiceover in einem Film Noir gut eignen würden. Vor dieser Kulisse lässt er seinen Vampir agieren und schafft es dabei sogar noch, dem Vampirgenre einige neue Seiten abzugewinnen und dem Mytthos seinen eigenen Stempel aufzudrücken. Die Kombination aus beiden Welten funktioniert hervorragend und man ist fast ein bisschen traurig, dass in „Moonlight“ die düstere Atmosphäre so gründlich eliminiert wurde.

„Blutige Nacht“ ist im momentanen vampirischen Einheitsbrei ein willkommener frischer Wind. Munsons Held Mick Angel sympathisch zu nennen, wäre wohl viel zu hoch gegriffen. Doch der Leser folgt seinen Abenteuern trotzdem gern und man ist etwas enttäuscht, dass der Fall schon nach reichlich 200 Seiten gelöst ist. Da stimmt es hoffnungsfroh, dass das Buch in Amerika seine Leserschaft gefunden hat und der Verlag grünes Licht für eine Fortsetzung gegeben hat. Der zweite Teil „Guardian Angel“ wird noch dieses Jahr in den USA erscheinen. Hoffen wir, dass Trevor O. Munson und seinem Vampir Mick Angel auch in Deutschland ein derartiger Erfolg beschieden ist.

Taschenbuch: 234 Seiten
Originaltitel: Angel of Vengeance
ISBN-13: 978-3-426-51131-2

www.knaur.de
trevormunson.com

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