Ildikó von Kürthy – Unter dem Herzen

Jede Frau, die schon einmal ein Kind bekommen hat, weiß es: Es gibt nichts Großartigeres, nichts Ungewöhnlicheres, nichts Beängstigenderes, aber auch nichts Sensationelleres, als ein Kind zu bekommen – ein kleines Lebewesen im eigenen Bauch heranwachsen zu spüren, von den anfänglichen Blubberbläschen, die man noch gar nicht so recht als erste Bewegungen des Kindes ausmachen kann, bis hin zu den ausgemachten Tritten, dem Hin- und Hergedrehe, bei dem einem um die eigenen Organe Angst und Bange wird. Ja, das Wunder des Lebens ist das allergrößte auf der Welt. Und genau davon schreibt Ildikó von Kürthy in ihrem neuesten Buch.

_Ildikó von Kürthy_, die sich in den letzten Jahren einen Namen als humorvolle Autorin von wunderbaren und herzerfrischenden Frauenbüchern gemacht hat, zeigt sich in ihrem neuesten Werk von einer ganz anderen, sehr persönlichen Seite. Wir erfahren, dass sie lange auf ein Kind gewartet und eigentlich gar nicht mehr damit gerechnet hat, Mutter zu werden. Erst als sie endlich die lang ersehnte durchtrainierte Idealfigur erreicht hat, kündigt sich plötzlich ein Bauchbewohner an, der diese Bemühungen (vorerst) wieder ruinieren würde. Schritt für Schritt begleiten wir Ildikó von Kürthy von dem ersten positiven Schwangerschaftstest bis zum ersten Geburtstag ihres Sohnes. Wir lesen von ihren Sorgen, Gedanken, von etlichen Frauenarztbesuchen und schlaflosen Nächten, von Ultraschallbildern, auf denen sie vorher nie etwas hatte erkennen können, von einer besser zu verschweigenden Gewichtszunahme und von den immer spürbareren Bewegungen in ihrem Bauch. Einen Sohn trägt von Kürthy unter ihrem Herzen – unendlich ersehnt und doch steht die werdende Mutter schreckliche Ängste aus: Wird alles gut gehen? Wird sie eine gute Mutter? Und was wird aus ihrem Sohn? Wird sie ihn auch noch lieben, wenn er 130 kg wiegt und Fahrlehrer werden will?.

Auch wenn sich Ildikó von Kürthy in ein ganz ungewohntes Genre herantraut, bleibt sie sich absolut treu – sich und ihrem Wortwitz und ihrem herzerfrischenden Schreibstil. Immer mit viel Humor beschreibt sie selbst die peinlichsten und unangenehmsten Dinge einer Schwangerschaft und nie vergisst sie zu erwähnen, dass sie nun auch zu den schrecklichen Menschen gehört, die stolz verwaschene Ultraschallbilder herumzeigen, sich über den Windelinhalt ihres Kindes unterhalten als sei es das Normalste der Welt oder über die Blutungen nach der Geburt. Ja, Ildikó von Kürthy hat ihren Humor nicht verloren – Gott sei Dank.

Am Beginn jeden Kapitels findet sich ein Zitat von mehr oder weniger bekannten Menschen, die sich über Schwangerschaft und Elternschaft auslassen. Ildikó von Kürthy spickt ihre eigene Lebensgeschichte mit vielen Anekdoten und Rückblicken, vergleicht ihre jetzige Ansicht als werdende Mutter mit der von „davor“, als es immer die anderen Frauen waren, die glücklich von ihrer Schwangerschaft und ihren Kindern berichtet haben und als sie selbst noch gar nicht verstehen und nachvollziehen konnte, wovon diese so fremd gewordenen Frauen bloß reden. Sie lässt uns aber nicht nur an ihrer Schwangerschaft teilhaben, sondern auch an ihrem Alltag, der natürlich trotz des Wunders der Schwangerschaft weitergeht. Während dieser speziellen neun Monate schreibt von Kürthy ihr Buch „Endlich!“, das gerade noch rechtzeitig vor der Geburt fertig wird und in dem auch viel Persönliches von ihr selbst einfließt, denn ihre Protagonistin wird genau wie sie selbst schwanger und durchlebt ebenso dieses Wechselbad der Gefühle.

_Für werdende oder junge Mütter_ ist „Unter dem Herzen“ eine wunderbare Lektüre, die einem aus der Seele spricht. Genau wie schon bei Mittermeiers „Achtung, Baby!“ erkennt man sich und seine eigenen Ängste, Gefühle und Unsicherheiten in jeder Szene wieder. Nur eins stieß mir wirklich sauer auf, und zwar der angebliche Rat ihres ach so wunderbaren Frauenarztes, der im Ernst gemeint hat, ab dem vierten Monat könne sie durchaus mal wieder etwas trinken – was von Kürthy auch tatsächlich nach ihren eigenen Ausführungen tut. So etwas gehört definitiv nicht in ein solches Buch, denn die Gefahren von Alkoholkonsum in der Schwangerschaft sind hinlänglich bekannt, die Folgen für die Kinder ebenso. Bei dem Thema verstehen vermutlich die wenigsten Mütter Spaß, und so finde ich, dass spätestens der Lektor oder die Lektorin des Buches diese Passagen tunlichst hätte streichen müssen. Abgesehen davon kann ich das Buch allerdings wärmstens weiterempfehlen – wieder richtet es sich ausschließlich an Frauen, aber das ist auch gut so!

Datum: 9. September
Schwangerschaftswoche: 6 + 6 Tage
Zustand: Babys Herzchen schlägt, und ich ringe mit mir, meinen Frauenarzt zu bitten, in unser Gästezimmer einzuziehen. Nur zur Sicherheit und bloß für die nächsten acht Monate.

Ich bin drauf und dran, ein anderer Mensch zu werden. Einer, den ich bisher noch nicht kannte: eine Mutter. Nie weiß ich, wann mich der Hunger, die Angst, das Glück oder die Übelkeit überkommt. Denn genauso überwältigend wie die Furcht, das Kind zu verlieren, kann die Furcht sein, das Kind zu bekommen. Neulich kamen mir die Tränen, als ich im Internet auf die Umstandsunterhose «Schluppi» stieß, in Größe und Form einem Zwei-Mann-Zelt nicht unähnlich. Was erwartet mich für ein Glück? Was für eine Liebe? Eine bedingungslose?

Werde ich meinen Sohn auch noch leiden können, wenn er hundertdreißig Kilo wiegt und Fahrlehrer werden will, oder meine Tochter, wenn sie mit achtzehn beschließt, sich ein Arschgeweih tätowieren zu lassen und Weihnachten bei den Eltern ihres Idioten-Freundes zu feiern? Ich horche angestrengt in mich hinein. Spüre ich, dass ich zwei bin? Nein. Was soll mein Kind von mir denken? Kaum gezeugt und schon vernachlässigt. Ob ich eine schlechte Mutter werde? Eine hyperventilierende Megaglucke? Eine militante Rohkostschnipplerin? Eine Rabenmutter, die ihr Baby im Autositz vergisst? Werde ich alles falsch machen? Oder nur fast alles?

Klappenbroschur, 304 Seiten
ISBN-13: 978-3-8052-5043-6
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