T. H. White – Der König auf Camelot (Band 1-4)

Der König auf Camelot:

Buch 1: „Das Schwert im Stein“ (1938)
Buch 2: „Die Herrin von Luft und Dunkelheit“ (1939)
Buch 3: „Der missratene Ritter“ (1940)
Buch 4: „Die Kerze im Wind“ (1958)
Buch 5: „Das Buch Merlin“ (1977)

Die beste Version der Artus-Legende

Auch dies ist eine Verarbeitung der Artus-Legende, die eigentlich eine französische Erfindung war – und eigentlich die beste, einfallsreichste und vergnüglichste überhaupt. T. H. White hat sein Epos über 20 Jahre hinweg von 1938 bis 1958 geschrieben, also länger, als Tolkien für den „Herrn der Ringe“ benötigte.

Der Autor

Terence Hanbury White (* 29. Mai 1906 in Bombay, Indien; † 17. Januar 1964 in Piräus, Griechenland), international allgemein bekannt als T. H. White, war ein britischer Schriftsteller, der zeitweilig das Pseudonym James Aston benutzte.

Geboren in Bombay, wo sein Vater Mitglied des Indian Civil Service war, verbrachte T. H. White die Schulzeit jedoch in Cheltenham (Gloucestershire), Großbritannien, und machte 1928 seinen Abschluss am Queens’ College in Cambridge. Auf die Leiden in seiner Schulzeit führte White seine lebenslange Affinität zum Spanking zurück.

Von 1930 bis 1936 war er Englischlehrer an einer staatlichen Grundschule. In der Freizeit setzte er sich mit den Lebensbedingungen im Mittelalter auseinander, was seinen Blick auch auf die Legenden um König Arthur lenkte. Ab 1936 widmete sich T. H. White ganz der Schriftstellerei, sein Buch „England Have My Bones“ hatte kurz zuvor erste literarische Erfolge erzielt. Einher ging dies auch mit seinem Rückzug auf die Kanalinsel Alderney, auf der er bis zu seinem Tod lebte.

Am bekanntesten wurde T. H. White mit „The Once And Future King“ (Der König auf Camelot), einer Adaption des Romans „Le Morte d’Arthur“ aus dem 15. Jahrhundert von Sir Thomas Malory. Die vier Teile dieses Werks erschienen jeweils als Einzelbände in den Jahren 1938, 1939, 1940 und 1958. Der erste Teil „The Sword in the Stone“ bildete die Grundlage für die Walt-Disney-Zeichentrickfilmadaption „Die Hexe und der Zauberer“. Alan Jay Lerner und Frederick Loewe bearbeiteten den Stoff für ihr Musical „Camelot“ (1960).

Darüber hinaus verfasste T. H. White aber auch Gedichte, Abenteuer- und Detektivgeschichten sowie Bücher über das Jagen und andere Sportarten. Postum wurde „America At Last“ veröffentlicht, in dem er eine Lesereise in den USA verarbeitet hatte. Bei seiner Rückkehr von dieser Lesereise verstarb T. H. White im Alter von 57 Jahren an Bord eines Schiffes im Hafen von Piräus. (Quelle: Wikipedia)

Mein Eindruck

Die Handlung kann in ihren Grundzügen als allgemein bekannt vorausgesetzt werden, wenn man Sir Malorys Roman (siehe oben) kennt. Auch Whites vier Bücher erzählen die Geschichte von König Arthur und den Rittern der Tafelrunde, beginnend mit der Ausbildung des jungen Arthur durch den Zauberer Merlyn. Das zweite Buch befasst sich mit Morgause, der „Hexe im Wald“, das Dritte mit dem missratenen Ritter Lancelot und seiner unglückseligen Liebe zu Königin Guenever, das vierte Buch schildert Mordreds Rache und Arthurs Ende.

Es handelt sich hier jedoch keinesfalls um eine strenge Wiedergabe der ehrwürdigen Fabel. Wenn White auch die Erzählung im Mittelalter spielen lässt, so verwendet er doch absichtlich Anachronismen, meistens mit bezaubernder Wirkung, doch heute mitunter etwas überholt. Ein Beispiel: Sir Ector und Sir Grunmore sprechen an einer Stelle darüber, wie der heranwachsende Sohn und der Pflegesohn Sir Ectors erzogen werden sollen:

„Nach Eton könnt‘ man sie wohl nicht schicken?“ erkundigte sich Sir Grunmore behutsam. „Weiter Weg und so, wissen wir ja.“ Er erwähnte natürlich nicht gerade Eton, denn das College ‚Blessed Mary‘ wurde erst 1440 gegründet, aber er meinte eine Schule von genau derselben Art. Auch tranken sie Metheglyn, nicht Port, doch lässt sich durch die Nennung des neumodischen Weines die Atmosphäre leichter vermitteln. „Es ist nicht so sehr die Entfernung“, sagte Sir Ector. „Aber dieser Riese, wie heißt er doch gleich, der ist im Weg. Man muss durch sein Land, versteht Ihr …“

Das ist witzig, ironisch, elegant, hier wird nämlich ganz nebenbei erzählerisch Zeit aufgehoben. Und uns wird klar: Etwas Altes und Vergangenes kann uns immer noch etwas angehen, uns betreffen. Der alltägliche Ärger der Helden, das ist unser Ärger. White erzählt in paraphrasierend-ironischem Tonfall, etwas zu spielerisch manchmal, eine Familien-Tragödie aus mythischer Zeit (ähnlich der antiken „Orestie“) modern nach.

Er führt auch eine Menge übernatürlicher Elemente ein und übertrifft dabei die Tradition der Legende. Jung-Arthur oder „Die Warze“, wie man ihn spöttisch nennt, wird von Merlyn in verschiedene Tiere des Feldes verwandelt, und er kann plötzlich fliegen wie ein Vogel oder schwimmen wie ein Fisch. Das führt zu einer ironischen Relativierung seines Denkens als Mensch und gibt Engstirnigkeit keine Chance.

Der Hauptvorzug des Romans besteht in seinem Realismus, also der Beschreibung von Realien. White legt ein bemerkenswertes Wissen über mittelalterlichen Sport wie etwa die Falknerei und über die Landwirtschaft und das Kriegswesen an den Tag. Weitere Stärken liegen im Ausdruck seines Gefühls für die Natur – er selbst lebte oft einsam und allein mit ein paar Tieren – sowie eine große visuelle Vorstellungskraft. Einen Ritter, der auf eine mondbeschienene Waldlichtung reitet, beschreibt er minutiös in jedem Detail, bis wir glauben, dass er vorhanden ist.

In seinen Charakterisierungen kann White wirklich komisch und mitunter sogar respektlos sein. So stellt sich etwa der oben erwähnte Ritter als ein bebrillter Verrückter heraus, der beim leisesten Geräusch zusammenfährt. Ebenso humorvoll gezeichnet ist der geniale, aber leider etwas chaotisch veranlagte Merlyn. Er versucht sich so angestrengt an die Zukunft zu erinnern – er lebt ja rückwärts in der Zeit -, dass er darüber die Vergangenheit vergisst.

Die weiteren Bände

Die Erzählung wird im Fortgang zunehmend düster. Der erwachsene Arthur versucht, weise zu herrschen, während sich die tragische Liebe seiner Frau Guenever zu Sir Lancelot nicht erfüllt. Mordred, der Sohn, der Arthurs inzestuöser Beziehung zu der Zauberin Morgause entsprang, führt das Ende der Herrschaft Arthurs herbei.

Dieser Teil wird in einem gesonderten Band der Tetralogie angehängt, dem „Buch Merlin“, das sich grundlegend von den früheren Bänden unterscheidet, nicht zuletzt, weil es erst 1977 posthum veröffentlicht wurde (u. a. dt. bei Ullstein). Am Vorabend der Schlacht, an dem König Arthur seinem „außerehelichen Sohn Mordred und dessen Heer von naziähnlichen Schlächtern gegenüberstehen“ wird, taucht noch einmal Merlyn bei dem alten und verzweifelten König auf.

Und wie schon einmal in seiner Jugend nimmt er ihn mit in das Reich der Tiere, um ihn über Gefährdung und Chancen der Menschen zu belehren. „Das Buch Merlin“, das doch einen befriedigenden Abschluss des „Königs auf Camelot“ nachliefern sollte, stellt das sich weit verzweigende Nachdenken über Ursachen und Antriebe menschlicher Aggression dar.

Aggression war ein zeitpolitisches (2. Weltkrieg), aber für den Autor auch ein persönliches Problem. Wie wird die Welt und besonders die Menschheit mit den aggressiven Bestrebungen der Spezies Mensch, wie werde ich mit den sadistischen Anlagen in mir fertig? Um 1980 erzielte „Das Buch Merlin“ ebenso großen Erfolg wie die Tetralogie zuvor. In Deutschland stieß es im Nachrüstungswinter 1983/84 auf erhöhtes Interesse.

Unterm Strich

T. H. Whites „Merlin & Artus“-Pentalogie wird von andauernder Faszination bleiben, nicht nur für Leser von Fantasy, sondern für alle, die eine wunderbare Geschichte mit nachdenklich machender Bedeutung für die Gegenwart lesen wollen. Ich habe die 641 Seiten jedenfalls, besonders im ersten Teil, mit großem Vergnügen und in den späteren Teilen mit bewegter Anteilnahme gelesen.

Die erste Ausgabe bei Klett-Cotta (7. Auflage von 1984) ist mit wunderschönen Vignetten aufgemacht, die der arthurischen Tradition der Viktorianer gerecht werden. Am Schluss des ersten Bandes findet sich ein kleiner Stammbaum: Graf von Cornwall = Igraine = Uther Pendragon. Aus diesen beiden Verbindungen Igrains folgen diverse Kinder, und als Artus seine Halbschwester Morgause schwängert, entsteht sein Erzfeind Mordred.

Am Ende des vierten Buches steht wieder einmal ein lateinischer Satz, wie so häufig (ebenso wie Französischkenntnisse unabdingbar sind), doch dann folgt ein deutsches Wort, das erstaunt: „ANFANG“. Es geht also alles wieder von vorne los? Nun, für Merlin auf jeden Fall, denn er lebt ja in der Zeit rückwärts.

Taschenbuch: 635 Seiten
Originaltitel: The Once and Future King: The Sword in the Stone; The Witch in the Wood; The Ill-made Knight; The Candle in the Wind, 1938-58
Aus dem Englischen von R. Rocholl und H.C, Artmann (Verse)
ISBN-13: 978-3608937138
www.klett-cotta.de